Astronaut Alexander Gerst ist mit 26 Millionen PS auf der ISS angekommen
Alexander Gerst ist nach sechs Stunden Flug auf der ISS angekommen. Pünktlich um 21.58 mitteleuropäischer Zeit war die Sojus-Rakete in der Nacht zu Donnerstag (28.5.) zur Mission „Blue Dot“ gestartet. Die Astronauten Maxim Surajew, Gregory Wiseman und Gerst werden das nächste halbe Jahr auf der ISS wissenschaftlich arbeiten.
Mit den Worten „Los geht’s“ des russischen Kommandanten Maxim Surajew startete am Mittwochabend die Sojus-Rakete bilderbuchmäßig vom Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan. Äußerlich war den Astronauten die Anspannung nicht anzumerken und als nach neun Minuten die Handbücher der drei zu schweben begannen, wurde die Schwerelosigkeit per Handschlag begrüßt.
Wie geplant dauerte der Flug sechs Stunden. Dabei umrundete die Sojus-Raumkapsel die Erde vier Mal, bevor sie um 3.44 Uhr mitteleuropäischer Zeit an der Internationalen Raumstation andockte. Um 5.52 Uhr MESZ öffneten sich die Luken der beiden Raumschiffe. Gerst schwebe als erster zur ISS, es folgten Surajew und Wiseman. Gerst äußerte sich in einer ersten Schaltkonferenz überwältigt. „Der Flug war fantastisch“, so Gerst. „Ich kann es noch nicht glauben, es ist wie im Traum. Der Blick auf die Erde ist super.“
Für Gerst und den Amerikaner Wiseman ist es der erste Aufenthalt auf der ISS, während Surajew schon zum zweiten Mal die Außenstation der Erde besucht.
Damit ist Alexander Gerst unterwegs: Sojus TMA-13M
Die Sojus-Rakete ist ein Erfolgsmodell. Sie basiert auf der weltweit ersten Interkontinentalrakete R-7, die 1957 mit dem legendären Satelliten Sputnik an Bord ins All startete. Seither wurde sie kontinuierlich weiterentwickelt und ist inzwischen die meistgeflogene orbitale Rakete der Welt, die bis auf zwei tragische Unfälle 1967 und 1971 mit sehr hoher Zuverlässigkeit fliegt.
Die aktuelle Sojus-Rakete – Sojus steht im Russischen für Vereinigung – ist die schnellste ihrer Art. In nur sechs Stunden bringt sie die Astronauten mit 26 Millionen PS zur Internationalen Raumstation auf 400 Kilometer Höhe. Auch die Raumkapsel Sojus TMA-M, in der Alexander Gerst sitzt, gehört zu einer neuen Generation von Raumschiffen. Die älteren analogen Steuerungssysteme wurden durch digitale ersetzt, wodurch 70 Kilogramm Masse eingespart, der Energieverbrauch und die Herstellungskosten gesenkt und der Innenraum geräumiger geworden ist.
Das hat Alexander Gerst in seinem Privatgepäck dabei
Der 38-jährige Geophysiker hat ein Stückchen vom Kölner Dom mitgenommen, eine Deutschlandfahne und ein vierblättriges Kleeblatt, das er von seiner Oma erhielt. Zu seinem persönlichen musikalischen Begleitprogramm gehört die Musik „Rückenwind“ von Thomas D und „Major Tom“ von Peter Schilling. Auch eine Biene ist dabei. Sie ist in Acryl gegossen und die Botschafterin der Bundeskunsthalle in Bonn. Dort wird ab Herbst die Ausstellung „Outer Space. Faszination Weltraum“ gezeigt.
Daran forscht Alexander Gerst im kommenden halben Jahr
Etwa 100 Experimente soll Gerst bis zu seinem Rückflug am 11. November durchführen. 35 kommen aus Europa, die meisten davon aus deutschen Forschungseinrichtungen. Eines der aufwendigsten Experimente ist der Elektromagnetische Levitator, der größtenteils in Deutschland gebaut wurde. In dem High-Tech-Schmelzofen soll Gerst sechs neue Legierungen testen, die sich durch die Schwerelosigkeit einheitlich in der Schmelze verteilen.
Ein weiteres Highlight der Mission gehört in den Bereich der Plasmaforschung. Gerst soll die PK-4-Anlage in Empfang nehmen und im europäischen Columbus-Labor installieren. Mit der Anlage sollen physikalische Grundlagen komplexer, dreidimensionaler Plasmen erforscht werden. Diese Plasmen bestehen aus einem kalten elektrisch leitendenden Gas, das mit Staubpartikeln angereichert ist. Da die Partikel absinken und das komplexe Plasma in Richtung der Schwerkraft stauchen, ist ein Plasmakristall auf der Erde auf nur wenige Gitterebenen begrenzt. Nur unter Schwerelosigkeit können große, homogene 3D-Strukturen ungestört gebildet und erforscht werden. Auf der Erde hilft diese Forschung, Staubbildung beim Herstellungsprozess von Mikrochips zu kontrollieren.
Alexander Gerst ist auch ein Proband für die medizinische und biologische Forschung: Veränderungen des Knorpels im Kniegelenk, der Tagesrhythmik der Köperkerntemperatur sowie der Eigenschaften der Haut sind drei der deutschen Experimente. Zur Astrobiologie gehören die beiden Experimente BOSS und BIOMEX, die helfen sollen, Fragen nach dem Ursprung des Menschen, der Verteilung und der Entwicklung von Leben sowie nach Lebensmöglichkeiten außerhalb der Erde zu beantworten. Dafür werden unter anderem Mikroorganismen an der Außenseite der ISS den harten Bedingungen des Weltraums wie Strahlung und Vakuum ausgesetzt.
So sieht der Tagesablauf auf der ISS aus
Die Astronauten stehen morgens um 6.30 Uhr auf, haben eine Stunde Zeit für sich, um sich zu waschen, zu frühstücken, bis um 7.30 Uhr die erste Konferenz mit der Bodenstation beginnt. Dann wird gearbeitet, es gibt eine Mittagspause und täglich stehen zwei Stunden Sport auf dem Programm. Die Schicht dauert bis abends um 19 Uhr. Nach der letzten Besprechung mit der Bodenstation schauen sich die Astronauten die Abläufe für den nächsten Tag an und sammeln Werkzeuge ein, die sie brauchen werden. Nach dem Abendessen hat jeder noch eine Stunde Zeit für sich, dann wird geschlafen. Alexander Gerst freut sich besonders darauf, Fotos vom Blick nach außen machen zu können. Auf jeden Fall wolle er Tagebuch schreiben, sagt Gerst, um die Eindrücke zu konservieren.
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