Astronaut Ulrich Walter: „Starlink ist ein Meilenstein wie das Internet selbst“
Jede Nacht können wir sie jetzt am Himmel sehen: Die Starlink-Satelliten von SpaceX. Im Interview erklärt Physiker und Astronaut Ulrich Walter, warum er das Projekt für eine Riesenchance hält, und wie der Mond in 20 Jahren aussehen wird.
INGENIEUR.de: Mit Starlink startet SpaceX gerade ein ehrgeiziges Raumfahrt-Megaprojekt. Wie bewerten Sie das?
Ulrich Walter: Das ist ein Meilenstein. Das ist wie das Internet selbst. Elon Musk will ja Tausende Satelliten in den erdnahen Raum bringen, die sich untereinander verlinken. Damit hätte man flächendeckend und auch mobil an jedem Punkt auf der Erde Breitband-Internet. Egal, ob Sie am Nordpol sind oder in der Wüste oder auf dem Meer. Egal, wo Sie hinfahren. Diese Diskussionen, ob man noch irgendein Dorf in Mecklenburg-Vorpommern anbindet und da ein Kabel hinzieht, sind dann alle durch dieses Projekt mit einem Schlag obsolet.
Hinter dem Projekt steckt aber keine Raumfahrtbehörde, sondern Unternehmer Elon Musk.
Das Problem ist immer: Eine gute Idee zu haben, ist das eine, aber Raumfahrt verbraucht extrem viel Geld. Obwohl der Reward, also das, was man dafür bekommt, sehr hoch sein kann. Und das ist so mit Starlink. Die Jungs haben da eine gute Idee und die haben offenbar sehr viel Geld. Klar, die Investitionen sind gigantisch, aber stellen Sie sich vor: Jeder Mensch auf der Welt hätte immer Zugang zu einer Breitbandverbindung.
- 1954 in Iserlohn geboren
- Studium der Physik in Köln, 1985 Promotion
- 1993 war Walter als Wissenschaftsastronaut zusammen mit seinem Kollegen Hans Schlegel und fünf US-Astronauten an Bord des Orbiters „Columbia“
- Das Team arbeitete dort im europäischen Raumlabor „Spacelab“ im Frachtraum der US-Raumfähre
- Seit 2003 ist er Inhaber des Lehrstuhls für Raumfahrttechnik an der Technischen Universität München
Aber man würde sich ein bisschen von SpaceX abhängig machen, oder?
Ja, das ist wirklich so. Das ist genauso wie mit Amazon. Und soll ich Ihnen was sagen: Ich bin froh, dass es Amazon gibt. Ich kann mich noch erinnern, wie ich vor 10 Jahren mal ein Postpaket haben wollte. Das kam und kam nicht und dann musste ich zur Post gehen und Tage später haben sie es dann irgendwo in einer Ecke gefunden. Heute bestelle ich etwas bei Amazon und zwei Tage später ist es da. Aber: Sie haben natürlich vollkommen Recht. Wenn Elon Musk ein Monopol hat, dann ist das nicht gut. Zum Glück gibt es potenzielle Mitbewerber, wie zuletzt etwa das Unternehmen Oneweb oder Jeff Bezos, der auch so ein Satelliten-Netz aufbauen will. Konkurrenz belebt das Geschäft, das gilt auch für die Raumfahrt.
Ist das eine neue Entwicklung?
Im kommerziellen Bereich hat es so eine Konkurrenz immer gegeben. Aber es gab ein Monopol im nationalen Bereich. In den 60ern hatten die Amerikaner das Monopol, wenn es darum ging, zum Mond zu fliegen. Jetzt gibt es ein anderes Monopol, das haben die Russen im Augenblick: Die haben mit den Sojus-Raketen den einzigen Zugang zur Raumstation ISS. Die Amerikaner haben ihre Shuttles ja aufgegeben, das war auch richtig so. Denn um Menschen zu einer Station hin und wieder zurück zu bekommen, brauchen Sie keinen Lkw, da brauchen Sie nur einen Pkw. Und die russische Sojus-Rakete ist eben mehr ein Pkw, damit können Sie zur Station und wieder zurückfliegen, mehr brauchen Sie nicht. Also haben die USA sich Plätze in den Raketen bei den Russen gekauft. Die haben am Anfang 20 Millionen Dollar gekostet. Und in den letzten Monaten verlangen die 80 Millionen Dollar für einen Platz. Da sieht man mal, was so ein Monopol bedeuten kann. Die Amerikaner haben es verpasst, rechtzeitig ein Nachfolgesystem der Shuttles zu entwickeln, um selbst auch zur Station zu kommen. Jetzt löst sich das so ein bisschen, weil SpaceX bald Nasa-Astronauten zur ISS bringen will.
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Inzwischen drängen auch Länder in den Weltraum, die man vorher vielleicht nicht so auf dem Schirm hatte. Indien zum Beispiel und vor allem China. Wird es einen neuen Wettlauf zum Mond geben?
Im Bereich unbemannter Flüge zum Mond gibt es längst eine Art Wettlauf. Da übertreffen sich die Nationen gerade gegenseitig darin, möglichst oft zum Mond zu fliegen, um ihn wissenschaftlich zu erkunden.
Welche Erkenntnisse kann der Mond uns denn noch liefern?
Seit den 1970er Jahren wissen wir, dass der Mond das Ergebnis eines Einschlags auf der Erde vor 4,5 Milliarden Jahren ist. Die Frage ist immer noch, wie genau die Entstehung des Mondes sich vollzogen hat. Dazu muss man in den Mond hineinschauen. Es gibt zum Beispiel immer wieder Mondbeben, der Mond rüttelt sich sozusagen seit Milliarden von Jahren zurecht. Man vermutet auch inzwischen, dass es Wasser an den Polen des Mondes gibt, zum Beispiel im Bereich des Shackleton-Kraters am Südpol. Wahrscheinlich ist durch Kometeneinschläge Wasser auf den Mond gelangt ist, ähnlich wie auf der Erde. Im Laufe der Zeit ist das verdunstet. Aber der Shackleton-Krater liegt genau auf der Rotationsachse des Mondes, weshalb da nie Sonnenlicht hingelangt ist. Dort herrschen also seit Milliarden Jahren Minus 250 Grad, also müsste dort noch Wasser sein. Das müsste man wirklich mal nachweisen. Denn Wasser kann wiederum sehr wichtig für künftige Missionen sein, weil man es direkt nutzen könnte. Durch Elektrolyse etwa könnte man so Sauerstoff gewinnen. Durch vermehrte Mondflüge kann man eben auch zeigen, dass man die Technik hat, um irgendwann zum Mars zu fliegen.
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Wird der Mond dann eine Art Zwischenstation auf dem Weg zum Mars?
Nicht unbedingt als Zwischenstation in dem Sinn, dass man sagt: Wir fliegen zuerst zum Mond und dann weiter zum Mars. Sondern als Proving Ground, wie die Amerikaner das nennen. Man möchte dort ein kleines Habitat bauen und zeigen, dass man auch länger dort leben kann. Dass man technisch dazu in der Lage ist. Das Gute am Mond ist, falls was schief geht, also falls zum Beispiel die Lebenserhaltungssysteme ausfallen, kann ich sofort in meine Rakete steigen und zurück zur Erde fliegen. Das geht auf dem Mars nicht. Da muss man wegen der Konstellation zwischen Erde und Mars erst 2 Jahre warten, bis man zurück kann. Ich schätze, dass man in den 30er Jahren dann zum Mars fliegen wird, nachdem man auf dem Mond gezeigt hat, dass man länger dort überleben kann, auch wenn es hart wird.
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Es gibt seit Jahrzehnten Überlegungen, eine Art Mond-Lift zu bauen. Wie wahrscheinlich ist so eine Lösung?
Diesen Lift wird es wahrscheinlich nie geben. Das ist eine interessante Idee. Aber die technischen Schwierigkeiten sind enorm und finanziell macht so ein Projekt keinen Sinn. Der Aufbau eines solchen Seils würde Jahrzehnte dauern und wäre sehr stark dem Weltraummüll ausgesetzt. Es würde innerhalb kurzer Zeit zerschlagen werden. Und so ein Seil wäre dynamisch, es würde schwanken und der Luftfahrt Probleme bereiten. Da kommen viele Probleme zusammen.
Wenn Sie mal einen Blick in die Zukunft werfen: Wie sieht der Mond wohl in 20 Jahren aus?
Erstmal genauso wie heute. Aber wir werden tatsächlich dort sein und regelmäßig dorthin fliegen. Aber schauen Sie: Der Mond ist tot. Eigentlich will man da nichts. Aber er ist eben eine sehr gute Plattform, etwa für wissenschaftliche Missionen. Wenn man in die Tiefen des Weltraums schauen will, ist die Hinterseite des Mondes perfekt geeignet. Da gibt es zum Beispiel keine störende Atmosphäre wie auf der Erde. Nur muss man sagen, dass das Zeit braucht, denn das ist ein gewaltiger finanzieller Unterschied, ob ich ein Teleskop auf der Erde baue und auch direkt warten und reparieren kann, oder ob ich erst zum Mond muss. Sehr wichtig wird der Weltraumtourismus, Ich möchte wetten, dass es in den nächsten 50 bis 100 Jahren einen gigantischen Tourismus auf dem Mond gibt. Da wird man ein Hotel haben und die Leute werden viel Geld ausgeben, um dahin zu fliegen. Von dort können Sie dann auf die Erde schauen. Und glauben Sie mir: Diesen Anblick gönne ich jedem.
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