Astronautin in spe: „Wenn jemand eine Barbie von mir machen will: Gern“
Elf deutsche Männer waren im All – aber noch keine Frau: Mit der Emanzipation ist es in der Raumfahrt hierzulande nicht weit her. Suzanna Randall will die erste deutsche Astronautin werden. Im Interview spricht sie über Frauenquoten, Barbiepuppen – und beschreibt bildhaft, wie es sich in einer Zentrifuge so anfühlt.
INGENIEUR.de: Sally Ride war die erste US-amerikanische Frau im All. Inzwischen gibt es eine Barbie-Puppe, die der Astronautin nachempfunden ist. Was würden Sie von einer Suzanna-Randall-Barbie halten?
Suzanna Randall: Ich find das generell gut. Ich hab auch mit Barbies gespielt. Das ist jetzt nichts besonders Feministisches, ich weiß. Aber viele Mädchen spielen einfach damit. Und da finde ich es sehr viel besser, dass da Frauen wie Sally Ride sind oder andere Wissenschaftlerinnen als immer nur die Barbie, die sich für Ken schön machen muss. Ich sehe das ganz entspannt. Wenn jemand mal von mir eine Barbiepuppe machen möchte: Gerne.
Elf deutsche Männer waren inzwischen im All, aber noch keine einzige deutsche Frau. Wie kann das sein?
Ich kann mir das auch nicht erklären. Es hängt sicher damit zusammen, dass es in Deutschland im internationalen Vergleich relativ wenige Frauen in den MINT-Berufen gibt. Das wiederum muss wohl an der sozialen Prägung liegen. Ich glaube, es ist in der Gesellschaft noch stark verankert, dass Mathe, Physik und Ingenieurswesen eher Bereiche für Jungs sind. Das war in meiner Schulzeit auch so. Natürlich hat niemand gesagt: Mathe ist nichts für dich, aber unterschwellig war schon so ein Gefühl. Im Mathe-LK war ich zum Beispiel das einzige Mädchen. Das Fach war irgendwie uncool für die meisten Schülerinnen. Für mich selber auch. Mathe war einfach das notwendige Übel, um das machen zu können, was ich möchte, nämlich Astrophysikerin werden.
Brauchen wir vielleicht eine Frauenquote in der Raumfahrt?
Ja. Im internationalen Vergleich ist man hier besonders schlecht darin, Frauen positiv zu fördern. Die Nasa hat bei der Astronautenauswahl 50 Prozent Frauen. Die Esa sperrt sich aber gegen eine solche Quote, bei der letzten Auswahl war nur eine Frau, nämlich Samantha Cristoforetti, dabei.
Wobei sich auch sehr viel weniger Frauen beworben hatten.
Ja, laut Esa waren nur 16 Prozent weiblich. Die Frage ist aber: Warum haben sich so wenige Frauen beworben? Das fängt schon damit an, dass in der Bewerbungsausschreibung fast nur Männerfotos abgebildet waren. Frauen fühlen sich von einer solchen Ausschreibung sicherlich weniger angesprochen.
Sie haben sich 2008 selbst erfolglos bei der Esa beworben. Wann ist bei Ihnen die Idee entstanden, dass Sie ins Weltall fliegen möchten?
Diese Idee hatte ich schon immer. Das ist ein Kindheitstraum. Ich fand das Weltall immer toll, war fasziniert von den Sternen und habe die ganzen „Was ist was?“-Bücher gelesen. Sally Ride wurde mein großes Vorbild. Ich dachte: Die ist einfach eine coole Frau und fliegt mit dem Spaceshuttle ins Weltall, das will ich auch. Ich hätte nicht gedacht, dass daraus wirklich mal was werden könnte, aber als ich die Ausschreibung gesehen habe, musste ich es wenigstens versuchen.
Der Traum könnte noch immer platzen, Ihre Kollegin Insa Thiele-Eich könnte statt Ihnen das Rennen machen. Wären Sie arg enttäuscht?
Ja, natürlich. Wir wollen beide fliegen, sonst hätten wir uns nicht beworben. Aber im Moment gibt es wirklich gar keinen Konkurrenzkampf, weil es nur darum geht, die Mission zu finanzieren, was uns gerade enorme Schwierigkeiten bereitet. Wir haben das Basistraining absolviert, aber jetzt wollen wir in die USA zu SpaceX, um das Training abzuschließen. Und das ist teuer.
Die Mission kostet insgesamt 50 Millionen Euro. Staatliche Subventionen gibt es nicht?
Nein. Die Bundesregierung sagt seit Jahren zu uns: Das ist ja ganz super und wichtig, was Sie da machen, das müsste man unterstützen. Aber es macht keiner Nägel mit Köpfen. Derweil wird der zwölfte deutsche männliche Astronaut trainiert, der ins All fliegen soll. Das macht mich wütend, denn die Regierung hätte jetzt die Chance, auch mal ein Zeichen zu setzen. Kein anderes Land, das mehr als zwei Menschen im Weltraum hatte, hat ausschließlich männliche Astronauten. Deutschland ist da besonders krass.
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Neben dem gesellschaftspolitischen Symbolwert: Gibt es auch wissenschaftliche Gründe dafür, dass mehr Frauen ins All fliegen sollten?
Ein großer Teil der Tests im All passieren im Bereich der Materialwissenschaften. Da ist es egal, ob das Männer oder Frauen durchführen. Aber es gibt eben auch physiologische Experimente. Dabei geht es zum einen um die Auswirkungen der Schwerelosigkeit auf den menschlichen Körper. Und da gibt es offenbar Unterschiede. Zum Beispiel scheint die Sehkraft von Männern im All nachzulassen, die von Frauen aber nicht. Dazu wollen wir in Kooperation mit dem DLR Experimente durchführen. Zum anderen geht es um medizinische Erkenntnisse, die wir auf der Erde nutzen können. Etwa zur Osteoporose, die man auf der ISS wie im Zeitraffer beobachten kann, weil die Knochendichte dort besonders schnell abnimmt. Und das ist eine Krankheit, die Frauen sehr viel häufiger haben als Männer.
Ist der Raumschiff-Platz bei SpaceX eigentlich schon gebucht?
Wir verhandeln gerade mit der Firma Axiom, die mit SpaceX und Boeing zusammenarbeitet. Das ist ein bisschen, als wenn man Pauschalurlaub im Reisebüro bucht. Die machen uns ein Angebot fertig, das alles beinhaltet, was wir benötigen: Also einen Platz im Raumschiff, aber auch zum Beispiel Luft und Essen auf der Station oder die Möglichkeit, die Sportgeräte dort zu nutzen, und das Starttraining, das wir absolvieren müssen, um bei SpaceX mitfliegen zu können. Das Basistraining haben wir ja schon fast hinter uns.
Das ist Suzanna Randall:
- 1979 in Köln geboren
- Astronomie-Studium am University College in London
- Doktorandin an der Universität Montreal
- Suzanna Randall arbeitet bei der Europäischen Süsternwarte (ESO)
Wie sieht so ein Training aus?
Es gibt „vor“ und „nach“ Corona. Die letzten Monate war es eher ruhig, auch fast alle unsere Vorträge, über die wir die Mission finanzieren, wurden abgesagt. Zwei Monate lang haben wir vor allem Online-Theorievorlesungen absolviert. Letze Woche hatten wir dann seit langem wieder ein Präsenztraining bei der Luftwaffe. Da waren wir in der Druckkammer und in der Zentrifuge.
Wie angenehm ist es in so einer Zentrifuge?
Na ja. Es gehört jetzt nicht unbedingt zu der Top-Ten-Liste der Sachen, die ich unbedingt ständig wiederholen muss. Wir sind unter anderem das Startprofil von SpaceX gefahren, um zu sehen, wie es sich anfühlt, wirklich beim Start in der Rakete zu sitzen. Die Beschleunigung geht mit bis zu 4,5 G in den Rücken. Das ist gut auszuhalten, aber es ist ein bisschen so, als wenn versucht zu atmen, während man einen Elefanten auf der Brust sitzen hat. Es ist eben eine Sache, die man macht, weil es nötig ist, und nicht, weil es so ein geiles Gefühl ist.
Anders als die Schwerelosigkeit, die Sie während mehrerer Parabelflüge erleben konnten, nehme ich an?
Das ist tatsächlich ein geiles Gefühl und hat mich restlos begeistert. Das ist mit nichts zu vergleichen, was man auf der Erde erleben kann. Man schwebt halt und rudert am Anfang ein wenig ungelenk mit den Armen, weil man denkt, dass man sich schwimmend fortbewegen kann, was nicht klappt. Aber man gewöhnt sich recht schnell daran und wird dann ein bisschen eleganter.
In den letzten Jahren hatten Sie viele öffentliche Auftritte, auch im Fernsehen. Und es werden vermutlich mehr, je näher der Start rückt. Finden Sie es belastend, plötzlich so einen Bekanntheitsgrad erlangt zu haben?
Interessante Frage. Ich fand es in erster Linie aufregend. Wobei die Pause der letzten Monate für mich auch ein bisschen was Gutes hatte, weil es davor schon sehr viel war. Ich hatte gleichzeitig meinen Job und nebenher das Training, das sehr fordernd ist. Aber wir brauchen die Unterstützung der Öffentlichkeit dringend, um mit unserem Anliegen bei der Politik ein wenig mehr Gewicht zu haben.
Gerade jetzt in dieser Zeit kann man die ISS besonders gut am Nachthimmel sehen. Schauen Sie manchmal hoch und denken: Da bin ich vielleicht bald?
Das mache ich wirklich manchmal. Als wir vor zwei Jahren SpaceX in Kalifornien besucht haben, ist am Abend die ISS über uns geflogen und da hab ich schon gedacht: Cool, da oben werde ich dann also vielleicht mal sein. Beim SpaceX-Start im Mai war die ISS ja auch gut zu sehen und das fand ich total schön, dass sich da jetzt ein Kreis schließt.
Haben Sie mitgefiebert beim Start?
Ja, und wir waren sehr glücklich und erleichtert, dass alles so gut und nach Plan gelaufen ist. Das war der letzte Test, der gezeigt hat: Technisch ist es möglich. Was das betrifft, wären wir also soweit, es fehlen jetzt nur noch ein bis zwei Monate Ausbildung in den USA.
Wenn es dann 2021 auf die Reise zur ISS geht: Worauf freuen Sie sich am meisten?
Auf die Schwerelosigkeit und den Blick auf die Erde. Im Flugzeug brauche ich immer einen Fensterplatz, weil ich die ganze Zeit nach unten auf die Erde schauen will, das finde ich unglaublich toll. Und von der ISS aus wäre das nochmal ein ganz anderes Erlebnis.
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