Schweifstern am Abendhimmel 22.07.2020, 12:13 Uhr

Neowise kommt gerade mal 103 Millionen Kilometer an die Erde ran

Seit langem zeigt sich wieder ein mit bloßem Auge sichtbarer Schweifstern am Abendhimmel. Die Astrophysikerin Carolin Liefke hat mit INGENIEUR.de über Neowise, Komet C/2020 F3, gesprochen. Warum man jetzt schnell sein muss, um Neowise noch sehen zu können und warum es keinen Bruce Willis der Raumfahrt gibt, lesen Sie hier.

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Komet Neowise am Nachthimmel. (Symbolbild)

Foto: panthermedia.net/alexeys

Komet Neowise ist ein seltener Gast am Himmel: Aktuelle Bahnberechnungen zeigen, dass der Himmelskörper nur alle 5.000 bis 7.000 Jahre an unserer Erde vorbeizieht. Diesen besonderen Moment muss man nutzen – das weiß auch Astrophysikerin Carolin Liefke.

INGENIEUR.de: Am 23. Juli ist Neowise am allerbesten zu beobachten…

Liefke: Nein, das stimmt leider nicht. Folgendes: Morgen um genau kurz nach drei Uhr ist der Punkt erreicht, wo der Komet der Erde am nächsten steht. So weit, so gut. Das ist eigentlich gar nicht so schlecht, um Neowise zu beobachten. Das Problem bei so einem Kometen ist, dass wir ihn hauptsächlich so gut sehen, weil Material verdampft. Und das geht umso besser, je näher der Komet an der Sonne ist. Am nächsten an der Sonne, war Neowise aber schon am 3. Juli. Das heißt, er entfernt sich immer mehr von der Sonne und weniger Material  verdampft. Obwohl Neowise näher an der Erde dran ist, wird er eigentlich schon seit über einer Woche immer schwächer. Letzten Montag hatte man so, von meiner Einschätzung aus, die beste Sicht auf Neowise. Es wird leider nicht mehr lange dauern, bis man Neowise nicht mehr mit dem bloßen Auge sehen kann. Dann wird ein Fernglas nötig. Also sollte sich jeder Interessierte ranhalten.

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Haben Sie Neowise denn auch schon selbst beobachtet?

Mehrfach, ich habe schlaflose Nächte am laufenden Band hinter mir. Neowise ist auch wirklich schön zu fotografieren gewesen.

Bild Komet Neowise

Komet C/2020 F3 (NEOWISE) mit ausgeprägtem Schweif am Morgen des 13. Juli 2020 gegen 3:25 Uhr.

Foto: Carolin Liefke/HdA

Können Sie etwas zum Namen sagen? Wie kommt der Komet zum Namen „Neowise“?

Kometen werden grundsätzlich nach ihren Entdeckern benannt. Im Falle von Neowise ist das eine Raumsonde, die eigentlich Wise, Wide-Field Infrared Survey Explorer heißt. Der Satellit Wise wird für alles Mögliche eingesetzt, zum Beispiel zur Überwachung von Sternen aber auch zur Entdeckung von erdnahen Asteroiden. Kometen hat die Sonde auch schon entdeckt. Die eigentliche Zeit des Satelliten war rum, man hat ihn dann sozusagen wiederbelebt unter dem Namen „Neowise“. Und deshalb heißt der Komet nun nach dem Satelliten.

Welche Besonderheiten hat Neowise?

Tatsächlich ist es so, dass sich Neowise wie ein klassischer Komet verhält. Es gibt eine ganze Reihe von Kometen, die auf Bildern sehr ähnlich aussehen. Wir hatten jetzt auch nicht die Gelegenheit, Neowise näher zu untersuchen, zum Beispiel mit einer Raumsonde, die man dorthin schickt. Das wäre etwas, was helfen würde, um Unterschiede zu erforschen. Allerdings ist Neowise nach vielen Jahren endlich mal wieder ein Komet, der auch so hell am Himmel zu sehen ist, dass man ihn mit bloßem Auge erkennen kann. Vor allem von der Nordhalbkugel.

Neowise kommt der Erde nur alle paar Tausend Jahre so nahe wie jetzt. Warum ist das so?

Dieser eine Komet braucht jetzt eben seine Zeit, also so knapp 6.800 Jahre, bis er wiederkommt. Die Kometen sind ja normalerweise sehr weit draußen. Also weit hinter der Bahn, des Neptuns, unserem letzten Planeten im Sonnensystem. Sie haben so lange Umlaufdauern von mehreren Tausend Jahren. Dann und wann verschlägt es so einen Kometen in das Innere des Sonnensystems. Wenn das passiert, verändern sich die Umlaufbahnen normalerweise auch. Es gibt auch kurze Umlaufzeiten, zum Beispiel beim Halleyschen Kometen, der all 77 Jahre wiederkommt. Andere brauchen noch viel länger als Neowise. Kometen lassen sich auch leicht ablenken. Schuld ist hier hauptsächlich Jupiter, der größte Planet in unserem Sonnensystem. Mit seiner Schwerkraft zieht er an der Umlaufbahn der Kometen.

Also werden die Kometen von Jupiter förmlich angezogen…

Angezogen eben auch, das heißt jetzt nicht, dass sie alle auf Jupiter drauf fallen, aber sie werden eben abgelenkt. Die ursprüngliche Flugrichtung geht dann eben einen Ticken nach rechts oder links daneben.

Welche Gefahr können Kometen für die Erde darstellen?

Prinzipiell können sie eine Gefahr darstellen, Neowise jetzt nicht. Wenn wir morgen früh diesen erdnächsten Punkt haben, dann kommt Neowise gerade mal 103 Millionen Kilometer an die Erde ran. Das ist unglaublich weit. Es gibt aber durchaus andere Kometen, die der Erde näher kommen und die Umlaufbahn schneiden. Das sind aber tatsächlich die Verursacher der Sternschuppen. Der Schweif, den der Komet hinter sich herzieht und was als Material verdampft, sind kleine Staubpartikel. Den sehen wir als Schweif. Diese bleiben zum Teil auf der Umlaufbahn der Kometen liegen. Und wenn die Erde später durch die Umlaufbahn des Kometen durchläuft, auf ihrer eigenen Umlaufbahn um die Sonne, dann verglühen diese Partikel und wir sehen es als Sternschnuppe. Wenn das passiert, haben wir eine Kometenumlaufbahn getroffen.

Wir wissen in absehbarer Zeit von keinem Kometen, der uns auf den Kopf fallen wird. Aber es ist durchaus möglich, dass uns ein Komet irgendwann näher kommt, als uns lieb ist. Das wird aber beobachtet.

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Welche Maßnahmen würden eingeleitet, wenn uns ein Komet bedrohlich nahe kommt?

Tja, das ist so eine Sache. Angenommen Neowise wäre straight-forward zur Erde gesaust, dann hätten wir ein Problem gehabt. Die Entdeckung ist nämlich erst dieses Jahr im März passiert. In so wenigen Monaten kann man kaum etwas unternehmen. Wenn wir es Jahre im Voraus wissen, dann sieht es besser aus. Akut fehlt aber noch die Technologie. Es ist nicht so, dass wir einfach eine Sonde schicken und Bruce Willis steigt aus und löst das Problem. Technologien werden aber entwickelt. Es gibt dazu eine gemeinsame Mission der ESA und NASA in den USA. Hier werden solche Szenarien an kleinen Asteroiden getestet. Hier handelt es sich um Gesteinsbrocken und nicht Eisbrocken wie bei Kometen. Sprengladungen werden entwickelt, um diese in Richtung der Asteroiden zu senden, um die Umlaufbahn zu verändern. Durch mehrere Tests kann langfristig die Umlaufbahn des Asteroiden oder auch Kometen verändert werden, so ähnlich wie es der Jupiter macht. Wenn der Komet dann leicht abgelenkt wird, würde er die Erde verfehlen.

Also machen sich die Forscher das Wirken der Planeten zu Eigen…

So in der Art.

Sie arbeiten im Haus der Astronomie in Heidelberg. Was gehört zu Ihren Aufgaben?

Oh, das wird ausführlicher, aber ich versuche mich kurz zu halten. Das Haus der Astronomie in Heidelberg nennt sich Zentrum für astronomische Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit. Wir bereiten die Ergebnisse der astronomischen Forschung so auf, dass jedermann es versteht. Also vom Kindergartenkind bis zum Senior. Ein großer Bereich konzentriert sich auf Schulen, dieser ist durch die Corona-Pandemie aktuell etwas auf Eis gelegt. Wir machen aber auch viel, um Lehrerinnen und Lehrer zu unterstützen. Zum Beispiel entwickeln wir Lehrmaterial. Ich selber betreue auch Projekte in der Begabtenförderung. Vortragsreihen und Ausstellungen ergänzen die Arbeit im Haus der Astronomie.

Danke für das Interview, Carolin Liefke!

Porträt Carolin Liefke

Carolin Liefke, Haus der Astronomie, im Interview zum Kometen Neowise.

Carolin Liefke ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Haus der Astronomie, MPIA-Campus. Ihre Forschungsinteressen sind: ESO Science Outreach Network, HdA-Angebote im Studiengang Physik-Lehramt der Universität Heidelberg, Teleskope und „Fernrohrführerschein“, Schülerforschung, Pan-STARRS-Asteroidensuche und die Vortragsreihe „Faszination Astronomie“. Sie promovierte an der Hamburger Sternwarte und legte ihre Forschungsarbeit auf den Gebieten stellare Aktivität und Röntgenastronomie ab. Zudem ist Liefke passionierte Amateurastronomin, in mehreren astronomischen Vereinen und Internet-Communities aktiv.

 

 

Achtung: Neowise auf Abschiedstour

Komet Neowise wird nur noch wenige Tage zu sehen sein. Die Zeit für ein Erinnerungsfoto wird knapp. Bis spätestens Anfang August wird der Himmelskörper nicht mehr sichtbar sein.

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Ein Beitrag von:

  • Sarah Janczura

    Sarah Janczura

    Sarah Janczura schreibt zu den Themen Technik, Forschung und Karriere. Nach einem Volontariat mit dem Schwerpunkt Social Media war sie als Online-Redakteurin in einer Digitalagentur unterwegs. Aktuell arbeitet sie als Referentin für Presse und Kommunikation beim VDI e.V.

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