Auswirkungen auf den menschlichen Körper im All
Eine Studie der Nasa gibt Aufschluss darüber, wie sich ein Aufenthalt im All auf den menschlichen Körper auswirkt. Um biologische und physiologische Herausforderungen kategorisieren und meistern zu können, wurde nun erstmals eine einjährige Studie an einem Zwillingspaar durchgeführt.
Ein Flug ins All ist mittlerweile keine Zukunftsvision mehr. Täglich werden Astronauten auf ihre Dienstzeit an der Internationalen Raumstation (ISS) vorbereitet. Dabei stellt sich allerdings die primäre Frage, welche Langzeitfolgen ein Aufenthalt im Weltall für die Raumfahrer haben kann. Es war bisher ungeklärt, inwiefern sich der Verlust der Schwerkraft und die radioaktive Strahlung im All auf den menschlichen Körper auswirken. Bisher gab es keine wissenschaftlich fundierten Vergleichswerte, um eindeutige Aussagen über die Folgen treffen zu können. Mit dem Astronauten Scott und seinem Bruder Mark Kelly bot sich der Nasa eine einmalige Chance, eine umfangreiche Studie anzufertigen, um diese Fragen zu beantworten. Während der Studie verbrachte Scott Kelly 340 Tage auf der ISS, während Mark auf der Erde verblieb. Anschließend arbeiteten 10 unabhängige medizinische und wissenschaftliche Teams daran, die Unterschiede des eigentlich identischen Genmaterials zu untersuchen. Die Nasa erhoffte sich dadurch weitreichende Informationen, die zum Schutz und zur Verbesserung der Gesundheit von Astronauten beitragen sollten.
Die Mission im Auftrag der Wissenschaft
Die Expedition startete im März 2015. Der damals 52-jährige Raumfahrer Scott Kelly begab sich zusammen mit zwei weiteren russischen Astronauten auf die Reise zur ISS, während sein Zwillingsbruder Mark auf der Erde zurück blieb. Die Ziele der Mission waren klar definiert: Beide Brüder sollten zuvor und anschließend den gleichen medizinischen Tests unterzogen werden, um die Auswirkungen, die eine Reise ins All mit sich bringt, zu untersuchen. Die aus dieser umfangreichen Studie gewonnenen Erkenntnisse sollen Aufschluss darüber geben, noch längere und weiter entfernte Raumfahrtmissionen zu planen und durchzuführen. In der Raumfahrt war dies die bisher erste und größte Studie, die an Zwillingen durchgeführt wurde und die Ergebnisse waren sowohl verblüffend, als auch sehr aufschlussreich.
Nach seinem 340-tägigen Aufenthalt auf der ISS, kehrte Scott Kelly zusammen mit seinen zwei russischen Kollegen auf die Erde zurück. Nach der Landung in Kasachstan wurde er erneut untersucht und mehrere Male interviewt. Unter den zu erwarteten Ergebnissen zählten beispielsweise Muskel- und Knochenschwund, sowie eine Reduzierung des gesamten Körpergewichtes. Menschen, die sich in der Schwerelosigkeit des Alls aufhalten, müssen sich konstant an fest vorgeschriebene Trainingspläne halten, um Muskelschwund entgegen zu wirken. Eine Minderung der kognitiven Fähigkeiten wurde nicht festgestellt. Überraschenderweise verminderten sich jedoch die Reaktionsgeschwindigkeit und die Treffsicherheit des Astronauten. Dies könnte allerdings auch auf ein höheres Stresslevel zurückzuführen sein, betonten die untersuchenden Teams.
Unterschiedliche Ergebnisse
Der Vergleich der erworbenen Informationen deckte dennoch neue Erkenntnisse auf. Ein Vergleich der Chromosomen beider Brüder bewies beispielsweise eine Verlängerung der sogenannten Telomeren. Sie sind, ähnlich wie die Plastikenden bei einem Schnürsenkel, dafür verantwortlich, die Chromosomenenden besonders bei der Zellteilung zu schützen. Normalerweise verkürzen sich diese bei zunehmendem Alter, Scotts Telomere bewiesen aber das Gegenteil. Laut wissenschaftlichen Kommentaren der Nasa und einiger führender Ärzte, beweise dies aber keine Verjüngung im All. Die Gene des Menschen würden sich lediglich an die gegebenen Umstände anpassen. Dementsprechend ließ sich ebenso vermerken, dass die Arbeitsgeschwindigkeit aller Gene von Scott natürlich erhöht wurde. Ein kleiner Dämpfer stellte diesbezüglich nur der minimale Schaden an der DNA des Astronauten dar. Diese seien besonders durch die erhöhten Strahlenwerte auf der ISS hervorgerufen worden.
Nicht nur auf molekularer Ebene gab es Veränderungen. Die Balance der Darmfauna Scotts schwankte drastisch. Eine mögliche Ursache dafür wurde in der vorgeschriebenen Ernährung der ISS-Bewohner gefunden. Diese besteht vorwiegend aus schockgefrosteter Nahrung, um möglichst viele für den Körper wichtige Stoffe zu konservieren. Dementsprechend werden bessere ausgewogene Diäten der Weltall-Probanden benötigt, um solchen Veränderungen vorzubeugen. Ebenso überraschend sind die Verdickung der Arterienwand der Halsschlagader und die Verminderung der Sehstärke aufgrund des erhöhten Drucks durch die ausdehnenden Körperflüssigkeiten.
Impfungen im Weltall
Ein besonders wichtiger Bestandteil für längere Raumfahrtmissionen sind Impfungen und damit verbundene Krankheiten. Sollte die Menschheit jemals auf dem Mars landen, vielleicht sogar ganze Kolonien errichten wollen, sind Impfungen unumgänglich. Epidemien stellen besonders bei solchen Missionen eine verheerende Katastrophe dar, die unbedingt umgangen, oder gar komplett verhindert werden sollte. Zum Zwecke der Forschung impfte sich Scott Kelly vor laufender Kamera an Bord der ISS. Eine simple Grippe-Impfung sollte genügen, um die Funktionalität des menschlichen Immunsystems im Weltall beurteilen zu können. Nachdem Scott erneut auf der Erde landete, wurde festgestellt, dass die Impfung wie erwartet verlaufen war. Es gab trotz der physischen und genetischen Veränderungen keine Einschränkungen für die biologische Abwehr von Scotts Körper und das Experiment setzte bereits den ersten Baustein für eine funktionelle Medizintechnik im All.
Einschätzungen für die Zukunft der Raumfahrt
Mithilfe der durch die Studie erworbenen Erkenntnisse, blickt die Nasa positiv in die Zukunft der Raumfahrt. Eine Ein-Jahres-Studie gibt zwar nur kleine Einblicke in die möglichen Gefahren und benötigten Verbesserungen in Technologie und Verpflegung, aber sie gibt erste Anhaltspunkte für ein sichereres Leben im Weltall und auf anderen Planeten. Trotz dass die Kelly-Brüder mittlerweile im Ruhestand sind, drückte die Nasa Interesse an weiteren, längeren Studien bezüglich der gesundheitlichen Veränderungen von Menschen im All aus. Weitere Drei- beziehungsweise Zehn-Jahres-Missionen sollen geplant sein, die Umsetzung ihrer ist allerdings noch nicht festgelegt. Immerhin war es das erste Mal, dass sich die Chance eines identischen Kontrollwerts bezüglich der Ergebnisse bot und es schwierig werden wird, diesen Versuch ohne die Kelly-Zwillinge zu wiederholen. Die Nasa gibt sich jedoch optimistisch bezüglich zukünftiger Mond- und Mars-Missionen, welche allerdings aufgrund ihrer Distanz weitere Gefahren mit sich bringen könnten.
Ein Beitrag von: