Challenger-Katastrophe: 73 Sekunden bis zur Tragödie
Die Challenger-Katastrophe 1986: 73 Sekunden nach dem Start zerbrach das Shuttle. Ursachen, Folgen und was die NASA daraus lernte.

Explosion der Challenger am 28. Januar 1986 – heute vor 30 Jahren – kurz nach dem Start. Alle sieben Crew-Mitglieder kamen ums Leben.
Foto: Nasa
Die Challenger-Katastrophe am 28. Januar 1986 erschütterte die Raumfahrtwelt. Nur 73 Sekunden nach dem Start zerbrach das Space Shuttle in der Luft. Alle sieben Besatzungsmitglieder kamen ums Leben. Eine Verkettung technischer und organisatorischer Fehlentscheidungen führte zu diesem Unglück. Die Hauptursache war das Versagen von Dichtungsringen in einer der Feststoffraketen, begünstigt durch niedrige Temperaturen. Die Tragödie hatte weitreichende Folgen für die NASA und die Raumfahrttechnik.
Inhaltsverzeichnis
- Ein Morgen voller Hoffnung und Erwartungen
- Start mehrfach verschoben
- Wichtige Daten zur Challenger
- Die Katastrophe nach 73 Sekunden
- Die Zeitleiste der Tragödie
- Entsetzen und Trauer
- Die Ursache der Katastrophe
- Kein sofortiger Tod der Besatzung
- Menschliches Versagen und organisatorische Fehler
- Die Folgen des Unglücks
Ein Morgen voller Hoffnung und Erwartungen
Am Morgen des 28. Januar 1986 herrschte in Cape Canaveral eine gespannte, aber optimistische Atmosphäre. Tausende Menschen hatten sich auf der Zuschauertribüne des Kennedy Space Centers versammelt, um den Start der Challenger-Mission STS-51-L mitzuerleben. Besonders stolz waren die Angehörigen der Besatzung, die unter den Zuschauern waren. Auch unzählige Schulklassen verfolgten das Ereignis, denn erstmals sollte mit Christa McAuliffe eine Lehrerin ins All fliegen. Ihr geplanter Unterricht aus dem Orbit sollte Millionen Schülerinnen und Schüler inspirieren.
Die Besatzung betrat am frühen Morgen das Shuttle. An Bord waren der Kommandant Francis Scobee, der Pilot Michael Smith, die Missionsspezialisten Judith Resnik, Ellison Onizuka und Ronald McNair sowie der Nutzlastspezialist Gregory Jarvis. McAuliffe war als zivile Teilnehmerin der „Teacher in Space“-Initiative dabei.

Start der Challenger am 30. Oktober 1985 vom Kennedy Space Center – nur drei Monate vor dem Unglück.
Quelle: Nasa
Start mehrfach verschoben
Der Start war bereits mehrfach verschoben worden, unter anderem wegen technischer Probleme und schlechten Wetters. Doch an diesem Morgen stand dem Start nichts mehr im Weg, auch wenn die Temperaturen weit unter dem Durchschnitt lagen. Die Crew war zuversichtlich, und um 11:38 Uhr Ortszeit hob die Challenger unter dem dröhnenden Getöse der Triebwerke von der Startrampe 39B ab.
Anfangs verlief alles nach Plan. Die ersten Sekunden waren Routine, das Shuttle durchbrach mit steigender Geschwindigkeit die dichten Luftschichten der unteren Atmosphäre. Doch bereits 58 Sekunden nach dem Abheben trat eine kleine Flamme an der rechten Feststoffrakete aus. Sie blieb unbemerkt, aber sie war der Beginn einer Katastrophe.
Wichtige Daten zur Challenger
Eigenschaft | Information |
Name | Space Shuttle Challenger (OV-099) |
Erstflug | 4. April 1983 (STS-6) |
Letzter Flug | 28. Januar 1986 (STS-51-L) |
Anzahl der Missionen | 10 |
Gesamtflugzeit | 62 Tage, 7 Stunden, 56 Minuten |
Gesamtanzahl der Erdumkreisungen | 995 |
Besatzung beim letzten Flug | Francis Scobee, Michael Smith, Judith Resnik, Ellison Onizuka, Ronald McNair, Gregory Jarvis, Christa McAuliffe |
Unfallursache | Versagen der O-Ringe in einer der Feststoffraketen |
Höhe beim Auseinanderbrechen | ca. 15 km |
Datum der Challenger-Katastrophe | 28. Januar 1986 |
Die Katastrophe nach 73 Sekunden
Innerhalb weniger Sekunden fraßen sich die Flammen durch die Struktur der Rakete. Bei Sekunde 73 kam es zu einem plötzlichen strukturellen Versagen: Der externe Treibstofftank zerbrach, und das Shuttle wurde durch die extremen aerodynamischen Kräfte auseinandergerissen. Die Challenger war nicht explodiert, wie oft behauptet wurde, sondern zerbrach unter den Belastungen.

76 Sekunden nach dem Start: Während die Challenger schon explodiert ist und Teile auf dem Bild zu sehen sind, ist die Festträgerrakete links im Bild noch unversehrt.
Quelle: Nasa
Ein gigantischer Feuerball entstand, als der Wasserstoff- und Sauerstofftank riss und sich das ausgetretene Gas entzündete. Trümmerteile flogen in alle Richtungen. Die Mannschaftskabine, noch weitgehend intakt, wurde mit hoher Geschwindigkeit in eine höhere Höhe geschleudert.
Die Zeitleiste der Tragödie
Zeit (Sekunden) | Ereignis |
0 | Challenger hebt um 11:38:00 Uhr Ortszeit von der Startrampe 39B in Cape Canaveral ab. |
0,6 | Eine schwarze Rauchwolke wird an der rechten Feststoffrakete beobachtet – ein erstes Zeichen für das Versagen des O-Rings. |
9 | Das Shuttle beginnt seine Rollbewegung, um die richtige Flugbahn einzunehmen. |
19 | Pilot Michael Smith meldet „starken Seitenwind“. |
36 | Die Haupttriebwerke werden gedrosselt, um die Belastung während des Durchbrechens der dichten Atmosphäre zu reduzieren. |
58 | Eine helle Flamme tritt an der rechten Feststoffrakete aus, wo der beschädigte O-Ring versagt. Die heißen Gase beginnen, die Halterung zwischen Rakete und externem Treibstofftank zu zerstören. |
59 | Die Flammen treffen den Außentank, was zu einem raschen Druckverlust führt. |
65 | Die Steuerdüsen der Haupttriebwerke und der Feststoffraketen versuchen, das Shuttle auf Kurs zu halten. |
68 | Die rechte Feststoffrakete beginnt, sich seitlich zu bewegen, da ihre Verbindung zum Shuttle geschwächt ist. |
72 | Der Außentank bricht auf, große Mengen flüssigen Wasserstoffs und Sauerstoffs treten aus. |
73 | Das Shuttle zerbricht in der Luft durch extreme aerodynamische Kräfte. Die Trümmer fliegen in alle Richtungen, die Mannschaftskabine bleibt intakt und wird nach oben geschleudert. |
Entsetzen und Trauer
Millionen Menschen weltweit verfolgten das Unglück live im Fernsehen. Besonders betroffen waren Schulkinder, die McAuliffes ersten Unterricht aus dem All erwartet hatten. Auf der Zuschauertribüne verwandelte sich der anfängliche Jubel in Fassungslosigkeit.
Die Eltern der Lehrerin, die den Start begeistert verfolgt hatten, mussten nun hilflos mitansehen, wie das Shuttle auseinanderbrach. Die NASA-Kontrollstation war einige Sekunden lang still, bevor der Sprecher verhalten mitteilte: „We have a major malfunction.“

Die Crew der Challenger: Michael J. Smith, Francis Scobee und Ronald McNair (vordere Reihe von links) sowie Ellison Onizuka, Christa McAuliffe, Gregory Jarvis und Judith Resnik (hintere Reihe von links)
Quelle: Nasa
Die Ursache der Katastrophe
Bereits kurz nach dem Unglück begannen Untersuchungen zur Ursache. Es stellte sich heraus, dass ein Dichtungsring (O-Ring) in einer der seitlichen Feststoffraketen unter den kalten Temperaturen der Startnacht gelitten hatte. Diese Dichtungen waren entscheidend dafür, heißes Verbrennungsgas innerhalb der Raketen zu halten. Durch die Kälte verlor das Material jedoch an Elastizität und konnte die Dichtheit nicht mehr gewährleisten. Heiße Gase traten aus und brannten die angrenzende Struktur durch. Letztlich führte dies zum strukturellen Versagen des Shuttles.
Das Problem war nicht neu. Bereits in früheren Missionen hatte man Hinweise auf Dichtungsprobleme festgestellt. Roger Boisjoly, Ingenieur der Firma Morton Thiokol, warnte in einer Telefonkonferenz am Vorabend des Starts vor den niedrigen Temperaturen. Er befürchtete, dass die Dichtungen versagen könnten. Trotz intensiver Diskussionen entschied sich das Management gegen einen Startaufschub. Letztendlich setzte sich der wirtschaftliche Druck durch, die Challenger planmäßig starten zu lassen.
Kein sofortiger Tod der Besatzung
Entgegen der weit verbreiteten Annahme explodierte das Shuttle nicht im eigentlichen Sinne. Vielmehr zerbrach es durch aerodynamische Kräfte. Die Mannschaftskabine blieb dabei größtenteils intakt und wurde bis auf eine Höhe von 20 Kilometern geschleudert. Spätere Untersuchungen ergaben, dass mindestens drei Besatzungsmitglieder noch lebten und versucht hatten, ihre Notfall-Sauerstoffversorgung zu aktivieren.
Ob die Crew das Bewusstsein bis zum Aufprall behielt, ist unklar. Es wird jedoch angenommen, dass sie aufgrund des geringen Sauerstoffgehalts in dieser Höhe das Bewusstsein verloren, bevor die Kabine mit rund 330 km/h auf den Atlantik aufschlug. Der Aufprall war so stark, dass keine Überlebenschance bestand.

Die Challenger am 22. Juni 1983, fotografiert vom Space Pallet Satelliten.
Quelle: Nasa
Menschliches Versagen und organisatorische Fehler
Die Untersuchungskommission unter Leitung von Richard P. Feynman zeigte, dass nicht nur technische, sondern auch organisatorische Probleme zum Unglück beitrugen. Die NASA hatte Warnungen der Ingenieure ignoriert. Interne Druckmechanismen, Zeitpläne und politische Faktoren spielten eine entscheidende Rolle.
In seinem Bericht kritisierte Feynman insbesondere das Management der NASA und der Zulieferer. Sicherheitsbedenken wurden oft heruntergespielt. So hatte man die Wahrscheinlichkeit eines schweren Unfalls mit 1 zu 100.000 angegeben, obwohl interne Berechnungen eine viel höhere Fehlerrate ergaben. Sein Fazit lautete: „Die Realität muss Vorrang vor PR haben, denn die Natur lässt sich nicht zum Narren halten.“
Die Folgen des Unglücks
Erst nach intensiven Reformen wurde das Space-Shuttle-Programm 1988 mit der Discovery-Mission wieder aufgenommen. Der erste Flug nach der Katastrophe stand unter besonders strengen Sicherheitsauflagen. Das Vertrauen in die bemannte Raumfahrt musste langsam wieder aufgebaut werden.
Obwohl viele technische und organisatorische Verbesserungen eingeführt wurden, blieb das Space-Shuttle-Programm weiterhin risikobehaftet. 2003 kam es zur zweiten großen Tragödie: Die Raumfähre Columbia zerbrach beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre, wobei erneut sieben Astronauten ums Leben kamen.
Nach diesem erneuten Unglück entschied die NASA schließlich, das Space-Shuttle-Programm auslaufen zu lassen. Am 8. Juli 2011 startete Atlantis als letztes Shuttle zur Mission STS-135. Danach wurde das Programm endgültig eingestellt. Die NASA konzentrierte sich fortan auf alternative Raumfahrtsysteme, darunter private Raumkapseln wie SpaceX’ Dragon.
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