Chinesische Raumstation rast auf die Erde zu
Die chinesische Raumstation Tiangong-1 kreist unkontrolliert und mit rund 29.000 km/h um die Erde. Um Ostern herum wird sie in die Erdatmosphäre eintreten und größtenteils dabei verglühen. Aber nicht komplett: Es werden auch auf einen Schlag einige Tonnen Weltraumschrott den Erdboden treffen. Wann und wo genau, wird erst kurz vorher klar sein.
Das Tempo ist irre. Für einen Flug von Köln nach Frankfurt bräuchte Tiangong-1 mit seiner aktuellen Geschwindigkeit keine 30 Sekunden. Zum Glück wird die außer Kontrolle geratene Raumstation noch viel langsamer werden, bevor sie auf die Erde fällt. Dass sie das tun wird, ist sicher. Irgendwann rund um Ostern, wo genau, weiß noch niemand. Die 8,5 Tonnen Material werden beim Eintritt in die Erdatmosphäre bei weitem nicht ganz verglühen, etwa ein Drittel dürfte übrigbleiben und in Einzelteilen auf die Erde krachen. Denn Titan und Edelstahl verglühen nicht.
Wie üblich in solchen Fällen warnen die Experten vor Panikmache. Es sei wahrscheinlicher, zweimal in einem einzigen Jahr vom Blitz getroffen zu werden, als ein Teil von Tiangong-1 abzukriegen, sagt zum Beispiel Holger Krag, Weltraumschrott-Experte bei der Europäischen Raumfahrtagentur ESA in Darmstadt. Aber er sagt auch: „8,5 Tonnen hat man nicht jeden Tag auf dem Schirm.“ Insgesamt beobachten er und seine Kollegen übers Jahr verteilt Mengen von etwa 100 Tonnen Weltraumschrott.
Verfolgt mit Radar
Das „Büro für Raumfahrtrückstände“, in dem Krag arbeitet, ist bei weitem nicht die einzige Institution, die den Reiseweg der zwölf Meter langen Raumstation derzeit auf dem Schirm hat. So beobachtet das Fraunhofer-Institut für Hochfrequenzphysik und Radartechnik FHR in Wachtberg bei Bonn Tiangong-1 mithilfe eines hochempfindlichen Radarsystems und seiner 34-Meter-Parabolantenne. Im Gegensatz zu optischen Systemen ist es unabhängig von Wetter- und Lichtverhältnissen und sorgt so für eine kontinuierliche Beobachtung.
Außerdem kann das Fraunhofer FHR das Eigenrotationsverhalten von Tiangong-1 bestimmen. Diese Drehbewegung hat einen starken Einfluss auf das Flugverhalten der Raumstation und beeinflusst damit auch den Zeitpunkt des Eintritts in die Erdatmosphäre. Trotz allen Hightech-Einsatzes kann dieser Zeitpunkt aber erst drei bis vier Tage vorher auf den Tag genau berechnet werden. Und erst am Tag des Ereignisses selbst ist eine Festlegung bis auf wenige Stunden möglich.
Niedergang auch auf Mallorca möglich
Noch viel unsicherer sind sich die Experten über den Ort des Niedergangs. Zum einen können sich die Einschläge auf eine Strecke von rund 1.000 Kilometern verteilen – vorab ist schwer zu sagen, wie groß Einzelteile sein werden. Das liegt vor allem daran, dass die Europäer die genaue Bauweise der chinesischen Station nicht kennen.
Klar ist bislang nur, dass der Absturzort zwischen 43 Grad nördlicher und 43 südlicher Breite liegen wird. Das schließt fast ganz Afrika, aber auch große Teile der USA und weite Teile des amerikanischen Kontinents bis hin zum Süden Argentiniens, fast ganz China und zum Süden hin auch noch Australien und Neuseeland ein. Theoretisch könnten Teile aber auch in Rom, in Madrid oder auf Mallorca runterkommen.
Chinesen machen ISS Konkurrenz
Tiangong-1 wurde vor knapp sieben Jahren ins All geschossen, um Andockmanöver mit Raumschiffen zu erproben. Seit 2016 kreist sein Nachfolger Tiangong-2 um die Erde. Zur selben Zeit brach der Funkkontakt mit Nr. 1 ab. All diese Missionen dienen der Vorbereitung für die eigene Raumstation, die die Chinesen als Konkurrenz zur ISS in etwa fünf Jahren fertig haben wollen.
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