Europa erwartet ein spannendes Raumfahrtjahr 2018
Alexander Gerst fliegt nochmal zur ISS, die Europäer zum Merkur und eine Raumstation könnte über Europa abstürzen: Das vor uns liegende Raumfahrtjahr verspricht spannende Missionen und Ereignisse. Wir bringen sie auf den neuesten Stand, was die europäischen Raumfahrt 2018 erwartet.
Tiangong-1 – ein chinesischer „Himmelspalast“ stürzt ab
Im September 2011 startete China seine erste Raumstation und zeigte damit, dass es Raumschiffe in der Umlaufbahn automatisch andocken kann. Zweimal besuchte eine jeweils dreiköpfige Besatzung für insgesamt dreieinhalb Wochen Tiangong-1, aber schon seit 2013 gab es keine Besuche mehr dort. Im März 2016 verlor die chinesische Weltraumbehörde dann jeglichen Funkkontakt und die Kontrolle über die Station, die seither in rund 300 km über der Erde kreist.
Im Prinzip ist klar, was passieren wird: Die Station wird weiter sinken, die Reibung der Erdatmosphäre wird größer und sobald die acht Tonnen schweren Module sich unter 200 km Höhe befinden, steht der Absturz innerhalb weniger Tage bevor. Das dürfte Januar/Februar 2018 geschehen und ist ein exzellentes Beispiel dafür, wie sehr nationale Raumfahrtmissionen plötzlich internationale Konsequenzen haben können.
Der größte Teil von Tiangong-1 („Himmelspalast“) wird also in der Erdatmosphäre verglühen, aber trotzdem ist abzusehen, dass einige Trümmer die Erde erreichen werden. Wo genau die Station abstürzen wird, lässt sich erst wenige Stunden zuvor eingrenzen, denn schon kleine Turbulenzen können den Absturzort um tausende Kilometer verschieben. Was man weiß ist, dass es im Prinzip jeden Ort zwischen 43 Grad nördlicher und südlicher Breite treffen kann. Das wäre in Europa der Bereich südlich der Linie Bilbao, Marseille, Split.
Wo und wann stürzt Tiangong-1 ab?
In Europa läuft die Information hinsichtlich des Tiangong-1-Absturzes beim Europäischen Raumflugkontrollzentrum in Darmstadt ESOC zusammen. „Leider wissen wir weder die genaue Zeit noch den Ort des Absturzes, wir kennen nur die Bahn der Raumstation“, sagt ESOC-Chef Dr. Rolf Densing gegenüber ingenieur.de. „Das ESOC ist mit den Kriseninterventionszentren der europäischen Nationalstaaten vernetzt, so dass wir die Informationen, sobald sie zur Verfügung stehen, schnellstens weitergeben können.“ Die aktuelle Position von Tiangong-1 kann man über ein Live-Tracking verfolgen.
Übrigens haben die Chinesen längst vorgesorgt und bauen an einer neuen Station im All. Und dies sehr erfolgreich.
Mission Horizons – der zweite Flug von Alexander Gerst zur ISS
Alexander Gerst, Deutschlands Sympathieträger im All, steckt im europäischen Astronautenzentrum der ESA in Köln derzeit mitten in den intensiven Vorbereitungen für seinen zweiten Weltraumflug. Der wird den 41-jährigen Geo-Physiker Ende April 2018 noch einmal zur Internationalen Raumstation ISS befördern. Gerst wird der erste Deutsche (und nach dem Belgier Frank de Winne der zweite Europäer) sein, der als Kommandant auf der ISS eingesetzt wird. Bis Ende Oktober 2018 soll Gerst in knapp 400 Kilometern Höhe unterwegs sein. „Horizons ist für mich auch eine ziemlich perfekte Fortführung meiner Blue Dot-Mission“, sagte Gerst. „Dort lag der Fokus auf unserem blauen Planeten, jetzt freue ich mich, mit Horizons den Blick noch zu erweitern.“
Etwa 35 Experimente sollen Wissenschaftler deutscher Universitäten und Forschungseinrichtungen, deutsche Firmen und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR als Forschungszentrum für die Mission Horizons beisteuern. Freuen darf man sich auch wieder auf Bilder und Geschichten, die Commander Gerst über Twitter und Facebook zur Erde schicken wird. Wie 2014 als Gerst als Bordingenieur insgesamt 165 Tage für die Mission Blue Dot im Dienst war. Inzwischen hat sich „Astro-Alex“ nicht nur 2015 das irdische Bundesverdienstkreuz abgeholt, sondern auch für einen Commander-Posten im All qualifiziert.
BepiColombo – Europas Reise zum Merkur
Aus europäischer Sicht wird die Mission BepiColombo zum Merkur mit Sicherheit eine der spannendsten Fernreisen ins All werden. Im Oktober 2018 soll diese Expedition zum kleinsten und am wenigsten erforschten Planeten unseres Sonnensystems losgehen, aber bevor der Merkur selbst mit seiner Geologie, seiner internen Struktur, seiner Atmosphäre und seinem Magnetfeld untersucht werden kann, heißt es zunächst vor allem, heil dort anzukommen.
Über sieben Jahre dauert die Reise. Und um Treibstoff zu sparen wird es insgesamt neun Vorbeischwungmanöver an Erde, Venus und Merkur selbst geben, um von deren Gravitation zu profitieren.
Vor Ort müssen die beiden losgeschickten Orbiter dann nicht nur rechtzeitig abbremsen, um der starken Anziehungskraft der Sonne zu entgehen, sondern auch um die 350 °C aushalten. Mindestens ein Jahr lang (das entspricht vier Merkur-Jahren) sollen die Orbiter Messungen durchführen.
Die Mission wird gemeinsam mit der japanischen Raumfahrtorganisation JAXA unternommen, wobei das Europäische Raumflugkontrollzentrum in Darmstadt ESOC den Flug überwachen wird. Ihren wohlklingenden Namen hat die Mission übrigens einem Professor der Universität Padua zu verdanken. Der Ingenieur und Mathematiker Giuseppe Colombo (1920-1984), der auf den Spitznamen Bepi hörte, lehrte Schwingungs- und Himmelsmechanik und war maßgeblich an der ersten Merkur-Mission Mariner 10 1974/75 beteiligt.
Beinahe alles, was heute über Merkur bekannt ist, stammt aus dieser Mission. Colombo hatte damals der Nasa vorgerechnet, wie die Raumsonde Mariner 10 durch ein gravitationsgestütztes Swing-by-Manöver an der Venus vorbei in einen Orbit gelangen könnte, der die Sonde drei Mal an Merkur vorbeiführen würde. Schon 1999 entschied die ESA, dass die jetzt anstehende Merkur-Mission den Namen Bepi Colombo tragen solle.
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