Das ist die erste Himmelskarte mit 1,14 Mrd. Sternen – und erst der Anfang
1.000 Tage nach dem Start der Gaia-Mission präsentiert die ESA erste Ergebnisse; darunter eine Himmelskarte von 1,14 Milliarden Sterne der Milchstraße. Der himmlische Paparazzo hat aber noch längst nicht Feierabend: Die Karte zeigt gerade mal ein Prozent der Sterne unserer Galaxie.
Wenn das nicht Big Data ist, was dann? Das Weltraumteleskop „Gaia“ der Europäischen Raumfahrtagentur Esa macht seit Juli 2014 nichts anderes, als in einer Tour Lichtpunkte im All zu fotografieren – mit einer 1-Milliarde-Pixel-Kamera mit 106 lichtempfindlichen Sensoren sowie zwei hochpräzisen Teleskopen an Bord. Und sie ist noch längst nicht fertig: Bis mindestens 2019 soll sie damit noch weitermachen.
Hunderttausende von Gigabyte
Die Daten schaufelt die Sonde unaufhörlich zur Erde; genauer gesagt zum Europäischen Raumflugkontrollzentrum ESOC der ESA in Darmstadt, wo sie direkt verarbeitet oder an andere Standorte weitergeleitet werden. Innerhalb der geplanten Missionsdauer von fünf Jahren wird dort eine Datenmenge von mehr als einem Petabyte, das sind über eine Million Gigabyte, ankommen, die sogar im komprimierten Zustand 1,5 Millionen CD-Roms füllen würde. Das Ganze, so der Plan, soll die bisher detaillierteste 3D-Karte der Milchstraße ergeben.
Wie das aussehen kann, zeigt eine erste Himmelskarte, die die ESA jetzt – genau 1.000 Tage nach dem Start der Mission – veröffentlicht hat und die auf den Daten der ersten 14 Monate der Mission von Juli 2014 bis September 2015 basiert. Schon dieser „Appetithappen“ aus dem All verzeichnet über 1,14 Milliarden Sterne – etwa ein Prozent der Sterne unsere Galaxie. Ganz nebenbei ist auf Basis von Gaias Messungen ein 3D-Film entstanden, der die Entfernungen und Bewegungen der zwei Millionen hellsten Sterne unserer Umgebung zeigt.
„Eine bisher unerreichte Präzision“
Das alles habe eine bisher unerreichten Präzision, wie ESA-Wissenschaftsdirektor Alvaro Giménez betont. Die Bildquailität sei vergleichbar mit der des Weltraumteleskops Hubble, heißt es – nur dass das Bild auf Basis von Gaias Daten nun einmal den ganzen Himmel zeige und nicht „nur“ Ausschnitte. Schließlich könnte das Weltraumteleskop ein Haar aus 1.000 Kilometern Entfernung oder eine Münze auf dem Mond erkennen – wenn das denn ihr Auftrag wäre.
Ist es aber nicht, und so hält sie sich mit Objekten in nächster Entfernung zur Erde gar nicht erst auf. Stattdessen fokussiert sie auf Himmelskörper, die teilweise Tausende von Lichtjahren entfernt sind. Damit erwischt die Sonde auch Lichtpunkte außerhalb der Milchstraße, darunter bereits jetzt schon Tausende von fernen aktiven Galaxien – sogenannte Quasare. Sie erfasst sogar Objekte, die hunderttausend Mal lichtstärker sein müssten, wenn der Mensch sie mit bloßem Auge entdecken wollte, und auch die Helligkeitsschwankungen von über 3.000 variablen Sternen hat Gaia vermessen.
Hohe Erwartungen an die Himmelskarte
Was mit der Sternenkarte über die vorgesehene Grundlagenforschung und laut Alvaro Giménez „revolutionäre Einblicke in die Entwicklung und Bewegung der Sterne in unserer Galaxie“ hinaus noch alles anzufangen sei, könne man noch gar nicht genau absehen, zeigt sich die ESA erwartungsvoll. Die Forscher wollen nicht nur Näheres zur Entwicklung der Milchstraße erfahren, sondern hoffen auch auf weitere Puzzlesteine zur Erforschung der Dunklen Materie, die bisher zu den größten Rätseln der Astrophysik gehört.
Damit die Karte aber am Ende nicht nur eine hübsche Fototapete hergibt, sondern präzise Aussagen über das Weltall ermöglicht, muss sie absolut genau sein. Die Entfernungen der Sterne zu uns und untereinander werden zum Beispiel über Parallaxenmessung bestimmt, die auf Triangulation (Aufteilen einer Fläche in Dreiecke) und dem Vergleich von Objektverschiebungen vor dem jeweiligen Hintergrund beruht.
Dementsprechend pingelig ist die ESA bei der Positionsbestimmung von Gaia, die sie auf 0,3 Nanometer genau im Blick hat. Hilfreich ist, dass die Sonde am Lagrange-Punkt L2, an dem die Fliehkraft die Schwerkraft von Sonne und Erde aufhebt, wie festgenagelt in immer gleichbleibender Distanz von rund 1,5 Millionen Kilometern zur Erde steht. Kontrolliert wird das durch die Peilung durch mehrere Radioantennen und Fotos eines knappen Dutzends Sternwarten pro Tag.
Nächste Veröffentlichung Ende 2017
Die nächsten Wortmeldungen von Gaia sind bereits geplant: Im vierten Quartal 2017, also in gut einem Jahr, will die ESA wieder Daten und Ergebnisse der Weltraumsonde präsentieren. Auch für die Jahre 2018 und 2019 sind Veröffentlichungen geplant – den gesamten Überblick gibt es dann 2022.
Über die aufregenden Pläne der ESA für den nächsten menschlichen Außenposten im All können Sie sich hier informieren.
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