Der Countdown läuft: Am 28. Mai fliegt Alexander Gerst „entspannt“ ins All
Über vier Jahre hat der deutsche Astronaut Alexander Gerst für seinen Einsatz im All trainiert. Jetzt sind es nur knapp zwei Wochen bis der 38-Jährige mit der Mission „Blue Dot“ und 26 Millionen PS zur Internationalen Raumstation fliegt. In 166 Tagen soll er dort rund 100 Experimente durchführen.
Das letzte Examen in Russland ist frisch bestanden, viereinhalb Jahre weltweites Astronautentraining sind geschafft. Jetzt dauert es nicht mehr lange, bis Alexander Gerst für sechs Monate den Boden unter den Füßen verliert: Am 28. Mai startet der 38-Jährige für die Mission „Blue Dot“ zur Internationalen Raumstation ISS.
Sechs Stunden nach dem Start vom Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan wird er mit seinen Kollegen, dem amerikanischen Astronauten Reid Wiseman und dem russischen Kosmonauten Maxim Suraev, an dem Forschungslabor im All andocken. „Umso näher der Start rückt, desto entspannter bin ich“, sagt Gerst, der zum ersten Mal ins All fliegt.
Gerst wurde aus 8400 Bewerbern für das Astronautenkorps ausgesucht
Angefangen hat alles im Mai 2009, als die Europäische Weltraumorganisation ESA den Vulkanforscher aus über 8400 Bewerbern für das Astronautenkorps auswählte. Seitdem hat Alexander Gerst einen Ausbildungsmarathon auf mehreren Kontinenten absolviert. Simulationen der Landung nach seinem Weltraumaufenthalt, Unter-Wasser-Training für die Ausstiege aus der ISS, Russisch-Unterricht oder auch Zentrifugenfahrten, bei denen die achtfache Schwerkraft für eine kurze Zeit auf den Körper einwirkt – ein großes Team aus Experten des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), der ESA, der NASA, der japanischen Raumfahrtagentur JAXA und der russischen Raumfahrtagentur ROSKOSMOS bereitete Gerst auf seine Aufgaben in der ISS vor. In einem 13-minütigen Videofilm der ESA sind beeindruckende Szenen aus dem Training zu sehen, über das Gerst berichtet.
Im letzten halben Jahr trainierte er verstärkt die verschiedenen Experimente, die er in der Schwerelosigkeit als „verlängerter Arm“ der Wissenschaftler am Boden durchführen wird. Auch auf den geplanten rund sechsstündigen Außenaufenthalt musste Gerst sich intensiv vorbereiten und die Handgriffe im Taucherbecken üben. Nun findet das Pendeln zwischen Houston, Moskau, Tokio und Köln ein Ende: Für Alexander Gerst beginnt die Quarantäne am Weltraumbahnhof Baikonur, in der er nur eingeschränkten Kontakt zu einem kleineren Kreis an Betreuern haben wird. Wie sein Start ablaufen wird, hat der 38-Jährige bereits im November 2013 hautnah erfahren können. Damals stand er als Ersatzmann neben der Rakete, mit der eine Crew zur Raumstation startete. „Da ist man bis zum Schluss dabei, man hilft der Crew, den Raumanzug anzulegen, man steht direkt bei der Rakete, wenn sie einsteigen“, erinnert sich Gerst. Schon damals, sagt er, wäre er am liebsten eingestiegen und mitgeflogen, auch wenn man dabei auf 300 Tonnen Treibstoff sitze und 26 Millionen PS das Team ins All befördern.
Etliche Versuche im Weltall sind für konkrete Anwendungen auf der Erde gedacht
166 Tage – bis zum 10. November 2014 – wird Alexander Gerst im All verbringen und auf der ISS leben und arbeiten. Rund 100 Experimente aus den verschiedensten Bereichen von der Materialphysik über die Raumfahrtmedizin bis hin zu Biologie wird er während dieser Zeit durchführen. 25 dieser Experimente finden unter Führung deutscher Projektwissenschaftler oder mit deutscher Industriebeteiligung statt. So wird er zum Beispiel für das Projekt „Spacetex“ unter körperlicher Belastung Funktionstextilien testen. Dabei soll er beurteilen, wie gut Körperwärme und Schweiß in der Schwerelosigkeit vom Körper mit Hilfe der Kleidung abgeleitet werden. Ein Highlight für ihn wird die Installation und Inbetriebnahme des Elektromagnetischen Levitators. In diesem Schmelzofen, der mit dem europäischen Transporter ATV-5 voraussichtlich im Juli zur Raumstation befördert wird, sollen neue Legierungen für komplizierte Gussteile wie Turbinenschaufeln getestet werden.
„Der Moment, auf den ich mich am meisten freue, ist der Blick zurück zur Erde“, sagt Gerst. „Aus dem Weltall sieht man, dass die Erde eine kleine Kugel aus Stein ist, mit einer ganz dünnen Atmosphäre – und das ist alles, was uns Menschen schützt vor der Strahlung aus dem Weltall, was uns das Leben ermöglicht. Und wir gehen nicht gut damit um.“
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