Der „Orbital Reflector“ soll als erstes Kunstwerk um die Erde kreisen
Ein Kunstwerk, das man von der Erde mit bloßem Auge sehen kann, will der amerikanische Künstler Trevor Paglen im November in eine Erdumlaufbahn schicken. Sein „Orbital Reflector“ sieht aus wie ein Diamant und wird das erste menschengemachte Kunstwerk im All.
Wer als Künstler große mediale Aufmerksamkeit erzielen will, muss kräftig auf dem Busch klopfen und für Spektakel sorgen. Das wusste auch schon der österreichische Sänger Udo Jürgens, der sich am 18. Oktober 1983 mitsamt Konzertflügel per Hubschrauber auf den Jungfrau-Gletscher fliegen und dort das Video zu seiner damals aktuellen Single „Traumtänzer“ drehen ließ. Der US-amerikanische Künstler Trevor Paglen will nun noch viel höher hinaus, er will ins All mit seiner Kunst vordringen.
Sein Plan: Er will ein Kunstwerk ins Weltall schießen, dessen einziger Sinn darin besteht, von der Erde aus mit dem bloßen Auge sichtbar zu sein. Der in Zusammenarbeit mit dem Nevada Museum of Art entworfene Satellit mit dem schönen Namen „Orbital Reflector“ ist kaum größer als ein Schuhkarton. Es ist ein 3U-Cubesat mit den Maßen 34,05 cm x 10 cm x 10 cm und einem Gewicht von 4 kg. Doch das Kunstwerk steckt in dem Satelliten – und entfaltet sich erst im All.
Ballon ist geformt wie ein Riesendiamant
Wenn der „Orbital Reflector“ in seiner Flughöhe von 575 Kilometern Höhe ausgesetzt wird, entfalten sich vier kleine Solarpaneele und vor allem ein 30 Meter langer Ballon. Dieser ist geformt wie ein riesiger Diamant und wird aus einer spiegelnden Polyester-Folie bestehen. „Der Ballon wird das Sonnenlicht zur Erde spiegeln“, sagt Trevor Paglen. „Damit wird der Satellit mit bloßem Auge sichtbar.“
Paglen schätzt, dass der Ballon ähnlich hell scheint wie die Sterne in der Konstellation des Großen Bären. Wie es in der heutigen digitalen Zeit üblich ist, lässt sich der Satellit permanent mit der kostenlosen App „Star Walk 2 Free – Sternenhimmel und Sterne 3D“ verfolgen, um keine Überflug zu verpassen.
„Der Orbital-Reflektor ermutigt uns alle, mit einem erneuerten Gefühl des Wunders in den Nachthimmel zu blicken, unseren Platz im Universum zu betrachten und uns neu vorzustellen, wie wir auf diesem Planeten zusammenleben“, sagt Trevor Paglen. „Es veranlasst uns, die großen Fragen zu stellen. Wer sind wir? Wo sind wir hergekommen? Wo gehen wir hin? Was tun wir mit der geteilten Welt, in der wir leben?“ Klassische Kunst also.
Start ist für November 2018 geplant
Es ist allerdings noch völlig offen, ob es Trevor Paglen schafft, unsere innere Unruhe mit der Frage nach dem Platz im Universum zu wecken. Denn jeder Satellitenstart in den USA braucht eine Genehmigung durch die unabhängige US-Behörde Federal Communications Commission (FCC), die für die Regelung der Kommunikationswege Rundfunk, Satellit und Kabel zuständig ist. Normalerweise werden Genehmigungen für Satellitenstarts für Wetterbeobachtungen, Weltraumerforschung, Navigationssysteme, Erforschung der Umweltverschmutzung oder auch Spionage oder militärische Zwecke beantragt. Doch auch der Start eines völlig nutzlosen Satelliten, dessen Daseinszweck das Gesehen werden ist, muss eine Genehmigung der FCC haben. Ob er sie bekommt?
Geplant ist der Start des „Orbital Reflector“ im November 2018. Wenn die FFC den Start genehmigt, transportiert eine Falcon-9-Rakete von Elon Musks Weltraumunternehmen SpaceX den Schuhkarton in die Umlaufbahn in 575 Kilometern Höhe.
„Vorübergehende Weltraum-Geste“
Im All ist der „Orbital Reflector“ einer von rund 1800 Satelliten, die nach UN-Angaben um den Planeten kreisen. Allein im vergangenen Jahr kamen 550 Neuanmeldungen hinzu. Viele Weltraumforscher befürchten, dass die erdnahen Umlaufbahnen bald wegen Überfüllung geschlossen haben könnten und sind über den bevorstehenden Start des Kunst-Satelliten nicht amüsiert.
„Dieses Projekt steuert nichts bei, was wir nicht schon haben“, schrieb Wissenschaftler Mark McCaughrean von der Europäischen Weltraumagentur ESA bei Twitter. „Viele Menschen würden ein bisschen mehr Ehrfurcht vor der natürlichen Welt schätzen, statt ihr noch eine weitere künstliche Konstruktion hinzuzufügen“, sagt Caleb Scharf, Direktor des Columbia Astrobiology Center in New York dem Magazin „Atlantic“. Der Nachthimmel sei wie ein „bedrohtes Tier, das sich am besten im Naturzustand betrachten lässt.“
Der Künstler Trevor Paglen kann diese Kritik nicht verstehen. Weil seine Skulptur nach einigen Wochen in die Atmosphäre eintreten und verglühen soll, würde sie „keine Spuren hinterlassen“, verspricht das Projekt. Auf der Webseite ist von einer „vorübergehenden Weltraum-Geste“ die Rede.
Gesamtkosten liegen bei etwa 1,1 Millionen Euro
Einen Satelliten ins Weltall zu bringen, kostet allerdings viel Geld. Das ist auch bei einem Kunstwerk der Fall. Die Gesamtkosten für den „Orbital Reflector“ liegen bei 1,1 Millionen Euro. Da sind die rund 76.000 Euro, die Paglen und das Nevada Museum of Art über einen Spendenaufruf bei Kickstarter eingesammelt haben, wohl eher ein Tropfen auf dem heißen Stein.
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