Analog-Raumfahrt 01.10.2018, 07:02 Uhr

Der Raumanzug für Trockenübungen

Öde Krater, trockene Gesteinswüsten, ein Leben im Schutzanzug – die Vorstellung einer Mars-Kolonisation ist wenig paradiesisch. Dennoch wollen Menschen aus aller Welt den roten Planeten erleben. Schon heute üben die ersten Astronauten auf der Erde für eine erfolgreiche interplanetare Migration.

Designstudie Serenity

Designstudie Serenity

Foto: OeWF / Bernhard Kaliauer Design Studio

Das Space Race zum Mars ist in vollem Gange – und anders als beim Rennen zum Mond konkurrieren heute in erster Linie private Unternehmen. Dennoch ist es undenkbar, Menschen ohne hinreichende Vorbereitung zum Mars zu senden. Die sogenannte Analog-Raumfahrt soll helfen, Ausrüstung und Prozesse zu simulieren, sodass wir eines Tages nicht mehr auf Trockenübungen angewiesen sind.

Eine Organisation aus unserem südlichen Nachbarland verzeichnet Erfolge in der Analog-Raumfahrt: Das Österreichische Weltraum Forum (ÖWF) stellte jüngst einen neuen Raumanzug zu Simulationszwecken vor – bereits in der zweiten Ausführung. Das neue Modell nennen seine Entwickler Serenity und es soll Gelegenheit bekommen, sich 2020 im Analog-Habitat der Universität North Dakota zu behaupten. Das ÖWF kooperiert dabei auch mit der Nasa.

Analog-Raumfahrer bleiben am Boden

Es könnte noch eine ganze Weile dauern, bis Menschen auf dem Mars spazieren gehen – Elon Musk, Gründer des privaten Raumfahrtunternehmens SpaceX, geht davon aus, dass die ersten Schritte in den nächsten zehn Jahren Realität werden könnten. Langfristig träumt er von Kolonien und ganzen Städten auf dem Nachbarplaneten.

Astronauten müssen sich in Umgebungen außerhalb der Erde auf ihre Ausrüstung verlassen können – die Überlebenschancen auf dem Mars wären ohne Equipment gleich Null. Die Analog-Raumfahrt hat es sich zur Aufgabe gemacht, in möglichst geeigneten Einrichtungen, den sogenannten Habitaten, Simulationen durchzuführen. Es gibt eine Reihe dieser „terrestrial analogue sites“, die Wissenschaftler für geeignete Simulationsumgebungen halten. Viele davon befinden sich in Trockengebieten, etwa der Atacama in Chile, die zu den trockensten Gebieten der Welt zählt (hyperarides Klima).

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Auch Versuche zur psychologischen und medizinischen Gesundheit sind im Feld der Analog-Raumfahrt relevant: Das Beim von Russland, China und Europa finanzierten Projekt Mars-500 beherbergte ein „Raumschiff“ in Moskau über anderthalb Jahre eine Gruppe von Pseudo-Astronauten. Der Versuch begann im Juni 2010 und endete im November 2011. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse, so hoffen die Raumfahrtbehörden, mindern soziale Spannungen während echter Missionen und leisten medizinische Prophylaxe.

Der Raumanzug, der nie in den Raum fliegen wird

Zurück zu Serenity: Das ÖWF überarbeitete den bestehenden Raumanzug Aouda für seine Neuauflage grundlegend. Die Astronauten werden ihre Kluft nicht länger in Einzelteilen anlegen, sondern durch den Rückenabschnitt einsteigen – die Entwickler nennen das den Suitport. Das biete zwei Vorteile: Einerseits können die Träger den Anzug deutlich schneller anziehen. Andererseits ist der Suitport mit der Schleuse des Habitats in North Dakota kompatibel. Der Anzug dockt an der Außenseite an, der Astronaut steigt durch die Schleuse ein und aus. Im Realszenario schütze das den Mars vor ungewollter Kontamination durch Mikroorganismen von der Erde, die über den Anzug nach außen gelangen könnten. Andersherum gelangt Regolith, das für den Mars typische Gestein, nicht in die Station hinein – das erspart der Crew einige Besengänge.

Das ÖWF achtet bei der Arbeit am Raumanzug darauf, dass dieser für den Träger so wenig Aufwand wie möglich bedeutet: Die Ergonomie des Innenlebens übernimmt ein Partner der ÖWF, die Eidgenössische Material- und Forschungsanstalt (Empa) in St. Gallen. Die Schweizer Forscher der Abteilung für Biomimetische Membrane und Textilien arbeiten an der Lastenverteilung und am thermischen Tragekomfort.

Doch der Anzug soll nicht nur bequem sitzen – er soll auch leicht zu bedienen sein. Der Linzer Designer Bernhard Kaliauer entwarf die Bauteile und achtete darauf, dass die Analog-Astronauten Serenity einfach handhaben können. „Soll etwas gedreht werden, muss das für die Nutzer klar sein, damit sie nicht versuchen, daran zu ziehen und im schlimmsten Fall etwas kaputtmachen.“, erläutert er. Das erfordere, dass die Designsprache der Knöpfe eindeutig ist. Serenity sei laut Kaliauer so designt, dass er wartungsfrei funktioniere und kleine Schäden von den Analog-Raumfahrern selbst repariert werden könnten.

Das ÖWF sucht derzeit noch nach Kandidaten für das hauseigene Analog-AstronautInnen-Corps. Bewerben können Sie sich hier.

Ein Beitrag von:

  • Dawid Gryndzieluk

    Dawid Gryndzieluk war Volontär bei den VDI nachrichten.

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