ESA-Chef Wörner: Privatisierung der ISS ist unrealistisch
Kaum wurden Pläne der US-Regierung über eine mögliche Privatisierung der Internationalen Raumstation ISS bekannt, gibt es Kritik. Diese Entscheidung könne nur von „Hohlköpfen“ kommen, meinte der texanische Senator Ted Cruz. ESA-Chef Jan Wörner glaubt nicht an eine komplette Privatisierung der ISS.
Ein internes Dokument der Raumfahrtbehörde Nasa schlägt zurzeit hohe Wellen, vor allem in den USA. Die Washington Post hatte das Papier aufgespürt und veröffentlicht. „Die Trump-Verwaltung will die Internationale Raumstation in eine Art erdumkreisendes Immobilien-Spekulationsobjekt verwandeln, das nicht von der Regierung, sondern von der Privatindustrie betrieben wird“, schrieb die Tageszeitung zum Wochenbeginn.
Finanzierung der ISS soll nach 2024 eingestellt werden
Das Weiße Haus plant offenbar, die direkte Finanzierung der Raumstation ISS nach 2024 einzustellen. Danach will man das Weltraumlabor jedoch nicht komplett verlassen, sondern die Industrie verstärkt mit an Bord holen. „Die Industrie könnte bestimmte Elemente oder Ressourcen der ISS weiter betreiben als Teil einer kommerziellen Plattform“, heißt es im Nasa-Papier. Das klingt nicht besonders detailliert, aber die Verwaltung will für das Haushaltsjahr 2019 umgerechnet 190 Millionen Euro beantragen, um dieses kommerzielle Potenzial der ISS zu entwickeln. In späteren Jahren soll noch mehr Geld dafür eingesetzt werden.
Die Pläne wurden in den USA überwiegend kritisch aufgenommen. Der frühere US-Astronaut Mark Kelly kritisierte das Vorhaben in der New York Times als kurzsichtig. „Wenn wir die ISS nicht weiter finanzieren, wird Amerika seinen Platz als Weltführer in Weltraumerforschung und kommerzieller Weltrauminnovation aufgeben.“
ISS hat bislang über 100 Milliarden Euro gekostet
Der texanische Senator Ted Cruz meinte, diese Idee könne nur von „Hohlköpfen“ stammen. Der Republikaner, der sich selbst als finanzpolitisch konservativ bezeichnet, ist Vorsitzender eines Komitees im Senat, das sich mit Raumfahrt, Wissenschaft und Wettbewerb befasst. „Es gehört zu den dümmsten Dingen, die man tun kann – Programme, die immer noch großen Nutzen bringen, zu beenden, nachdem man Milliarden darin investiert hat.“ Die Gesamtkosten für Aufbau und den bisherigen Betrieb der Station belaufen sich schätzungsweise auf mehr als 100 Milliarden Euro. 2016 hatte die ISS die Erde zum 100.00 Mal umrundet. Über vernünftige Vorschläge, wie man die gemachten Investments maximal nutzen könne, ließe sich jedoch reden, meinte Cruz.
Wörner: „Der Gesamtbetrieb ist einfach zu teuer.“
So ähnlich sieht das auch Jan Wörner, Chef der Europäischen Raumfahrtagentur ESA. Eine Privatisierung der ISS hält er für unrealistisch, weil der Gesamtbetrieb einfach zu teuer sei. Eine stärkere Kommerzialisierung ist für Wörner jedoch denkbar und sinnvoll. Die ISS, die seit über 17 Jahren in 400 km Höhe permanent bewohnt ist, wird von den USA und Russland betrieben, in Partnerschaft mit Japan, Kanada und der ESA.
Gesichert ist die Finanzierung bis 2024. Bisher ging man davon aus, dass es auch nach 2024 eine Verlängerung um weitere vier Jahre geben würde. Falls die USA, die einen Großteil der Kosten von jährlich über drei Milliarden Euro tragen, nun aber tatsächlich aussteigen, könnte die Finanzierung schwierig werden. Bisher kostet der Unterhalt der ISS Deutschland etwa 160 Millionen Euro im Jahr. Wörner denkt zweckoptimistisch: „Man kann die Frage andersrum stellen und sagen, die USA haben jetzt überlegt, die Station doch über 2024 hinaus zu benutzen“, sagte er.
Auch nach 2024 Bedarf für eine Station im erdnahen Orbit
Die Amerikaner hätten immer klar gesagt, dass sie die Raumstation stärker kommerzialisieren wollen, sagte der ESA-Chef. Auch in Europa sei das ein Thema. Unter dem Namen Bartolomeo sei eine neue Plattform für kommerzielle Experimente an der Außenseite des ISS-Labors Columbus geplant. Insgesamt gebe es auch nach 2024 genug Bedarf für eine Station im Erdorbit. Aber Wörner ist auch überzeugt, dass öffentliche Mittel auch nach 2024 notwendig sein werden.
Die russische Raumfahrtagentur Roskosmos betonte, dass die Entscheidung über die Zukunft der ISS gemeinschaftlich getroffen werde. „Die ISS wird von allen Mitgliedern gemeinsam betrieben, deshalb werden sämtliche Initiativen eines Landes auch mit allen anderen besprochen“, sagte ein Roskosmos-Sprecher der Agentur Interfax.
Raumstation der Zukunft heißt Deep Space Gateway
Hinter den Plänen der Trump-Regierung und der Nasa einer stärkeren Kommerzialisierung der ISS steckt die Absicht, den Zugang zum erdnahen Orbit mehr und mehr dem privaten Sektor zu überlassen. Geld, das bislang in den Unterhalt der ISS gesteckt wird, soll für die Erforschung von fernen Zielen im All verwendet werden. Dazu gehört Deep Space Gateway, die Raumstation der Zukunft.
Sie wird in der Nähe des Mondes positioniert und soll als Zwischenstation für bemannte Missionen zum Mars oder Mond dienen. Wie bei der ISS wird auch Deep Space Gateway von den USA und Russland geplant. Japan, Kanada und die ESA wollen ebenfalls am Projekt teilnehmen.
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