Blick in die Galaxie 26.09.2024, 14:00 Uhr

So detailliert konnten wir die Milchstraße noch nie betrachten

Die neue Infrarotkarte der Milchstraße zeigt über 1,5 Milliarden Objekte und liefert faszinierende Einblicke in bisher verborgene Bereiche der Galaxie.

Fotos Milchstraße

Diese Collage zeigt eine kleine Auswahl von Regionen der Milchstraße, die im Rahmen der detailliertesten jemals erstellten Infrarotkarte abgebildet wurden.

Foto: ESO/VVVX survey

Astronomen haben eine neue hochauflösende Infrarotkarte der Milchstraße veröffentlicht. Sie enthält mehr als 1,5 Milliarden Himmelsobjekte und gilt als die bisher genaueste Karte unserer Galaxie. Das beeindruckende Werk wurde mit dem VISTA-Teleskop der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile erstellt. Die Beobachtungen, die über einen Zeitraum von 13 Jahren gesammelt wurden, lieferten 500 Terabyte an Daten. Dies ist das größte Beobachtungsprojekt, das jemals mit einem ESO-Teleskop durchgeführt wurde.

Die Beobachtungen begannen im Jahr 2010 und erstreckten sich über 13 Jahre. Mit einer Gesamtbeobachtungszeit von 420 Nächten wurde die zentrale Region der Milchstraße kartiert. Ein Team von Wissenschaftler hat durch diese umfassenden Daten nicht nur neue Entdeckungen gemacht, sondern auch das Verständnis unserer Galaxie grundlegend verändert. Dante Minniti, Astrophysiker und Projektleiter, betont, dass die neuen Erkenntnisse unsere Sicht auf die Milchstraße nachhaltig beeinflussen werden.

Modernste Technik für Einblicke in verborgene Regionen

Die Karte basiert auf insgesamt 200.000 Bildern, die mit der VIRCAM-Kamera des VISTA-Teleskops aufgenommen wurden. Diese Kamera kann durch Gas und Staub hindurchsehen, an denen andere Teleskope oft scheitern. Dadurch werden bisher verborgene Bereiche der Galaxie sichtbar. Besonders interessant sind neugeborene Sterne, die in dichten Gas- und Staubhüllen verborgen sind. Auch die ältesten Sterne der Milchstraße, die sich in Kugelsternhaufen sammeln, lassen sich so besser beobachten.

Ein weiterer Vorteil der Infrarottechnik ist die Möglichkeit, extrem kalte Objekte zu erkennen. Diese Objekte, wie Braune Zwerge und frei schwebende Planeten, leuchten nur im Infrarotbereich. Braune Zwerge gelten als „gescheiterte“ Sterne, die zu wenig Masse besitzen, um eine Kernfusion in Gang zu setzen. Auch Exoplaneten, die keinen Stern umkreisen, konnten identifiziert werden. Diese neuen Erkenntnisse erweitern das Wissen über Himmelskörper, die sich jenseits der Sichtbarkeit normaler Teleskope befinden.

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Umfangreiche Daten für Jahrzehnte wissenschaftlicher Arbeit

Der gigantische Datensatz deckt eine Himmelsfläche ab, die 8600-mal größer ist als der Vollmond. Die Karte enthält rund zehnmal mehr Objekte als die Vorgängerversion aus dem Jahr 2012 und bietet der Wissenschaft unzählige Möglichkeiten für zukünftige Untersuchungen. Mehr als 300 wissenschaftliche Arbeiten sind bereits auf der Grundlage dieser Durchmusterung entstanden. Die Daten werden die Astronomie auch in den kommenden Jahrzehnten entscheidend prägen.

Durch wiederholte Beobachtungen einzelner Himmelsareale konnten die Astronomen nicht nur die Position der Sterne bestimmen, sondern auch ihre Bewegungen und Helligkeitsänderungen im Laufe der Zeit verfolgen. Sterne, die ihre Helligkeit periodisch ändern, können als kosmische Entfernungsmarken dienen. Diese „veränderlichen“ Sterne ermöglichen eine genaue Kartierung der inneren Regionen der Milchstraße. Besonders interessant ist die Verfolgung von Hypervelocity-Sternen, die durch das supermassive Schwarze Loch im Zentrum unserer Galaxie beschleunigt und mit hoher Geschwindigkeit aus der Milchstraße hinauskatapultiert werden.

VVV- und VVVX-Projekte: Ein Schatz für die Wissenschaft

Die Daten stammen aus den VISTA Variables in the Vía Láctea (VVV)-Erhebungen sowie deren Erweiterung VVV eXtended (VVVX). Beide Projekte konzentrieren sich auf die Beobachtung veränderlicher Sterne und haben bereits zu wichtigen Entdeckungen geführt. Roberto Saito, Astrophysiker und Erstautor der entsprechenden wissenschaftlichen Publikation, unterstreicht die Bedeutung dieser Langzeitprojekte: „Das Projekt war eine enorme Anstrengung, die nur möglich war, weil wir von einem großartigen Team umgeben waren“.

Das VISTA-Teleskop wird in den kommenden Jahren um ein neues Instrument, 4MOST, erweitert. Auch das Very Large Telescope (VLT) der ESO wird mit modernster Technik aufgerüstet. Diese Weiterentwicklungen werden es ermöglichen, in Zukunft noch genauere Daten über die Millionen von Objekten in der Milchstraße zu sammeln. Die Forschung an den bereits gesammelten Daten und die zukünftigen Entdeckungen werden die Astronomie für lange Zeit prägen.

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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