SpaceX 30.10.2020, 13:50 Uhr

Starlink: Astrophysiker entdeckt erhebliches Problem

Das Starlink-Projekt von SpaceX könnte eine technische Revolution sein. Aber: Die Satelliten-Megakonstellation birgt auch Gefahren. Experten haben schon vor Monaten gewarnt – jetzt scheinen sich Befürchtungen zu bewahrheiten.

Satellit kreist um Erde

Geht es nach SpaceX, werden bald Zehntausende Satelliten für Breitbandinternet überall auf der Erde sorgen.

Foto: panthermedia.net/cookelma

Es war abzusehen. Bereits vor Monaten hatten Raumfahrtexperten gewarnt: Große Satellitenkonstellationen wie das Starlink-Projekt von Elon Musks Weltraumunternehmen SpaceX können zu einer echten Gefahr werden und im schlimmsten Fall zu einer Katastrophe führen.

Kessler-Syndrom heißt das Szenario im Jargon, vor dem Wissenschaftler immer wieder warnen: Eine Kettenreaktion, bei der Satelliten mit anderen Objekten kollidieren und  in Stücke gerissen werden, die sich ihrerseits in potenziell gefährliche Geschosse im Orbit verwandeln. 2009 etwa krachte der US-Kommunikationssatellit Iridium 33 mit dem russischen Aufklärungssatelliten Kosmos 2251 in 800 Kilometern Höhe zusammen. Beide Objekte wurden komplett zerstört und in über 100.000 Bruchstücke regelrecht zerfetzt.

Satelliten-Megakonstellationen wie das Starlink-Projekt erhöhen die Wahrscheinlichkeit eines solchen Szenarios, das die Raumfahrt nachhaltig erschweren kann und eine Gefahr zum Beispiel für die Besatzungen von Raumstationen ist. Raumfahrt-Experte Carsten Wiedemann von der Technischen Universität Braunschweig erklärte bereits im Mai gegenüber INGENIEUR.de: „Bei Tausenden oder Zehntausenden Objekten müssen wir davon ausgehen, dass da ein gewisser Prozentsatz ausfällt. Das steckt ja auch schon in der Idee solcher Megakonstellationen.“ Und Sabine Klinkner vom Institut für Raumfahrtsysteme warnte, „wir steuern unausweichlich auf den Kessler-Effekt zu.” Einzelne Satelliten, die ausfallen und entsprechend nicht mehr entsorgt werden können, seien ein “wahnsinnig großes Risiko”, so Klinkner.

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Jetzt passiert offenbar genau das. Drei Prozent der 420 Satelliten, die zwischen dem November 2019 und dem 4. Juni 2020 gestartet wurden, sind inaktiv. Das geht aus  Berechnungen des Astrophysikers Jonathan McDowell vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics hervor.

Die Ausfallrate sei nicht einmal besonders hoch, ist nicht höher als die Fehlerquote anderer Satelliten-Projekte, so McDowell gegenüber INGENIEUR.de. Aber: Bei dieser besonders großen Menge an Satelliten kann auch schon eine durchschnittliche Ausfallquote erhebliche Effekte haben.

Auch wenn SpaceX inzwischen offenbar nachgebessert zu haben scheint. „Bei den 413 neueren Satelliten, die seit dem 13. Juni 2020 gestartet wurden, lag die Ausfallrate bei unter einem Prozent, womöglich nur bei 0,2 Prozent. Das ist eine große Verbesserung“, erklärt McDowell. „Trotzdem ist das Risiko von Weltraummüll durch große Konstellationen nach wie vor ein großes Problem.“

 

Langfristig will SpaceX Tausende Starlink-Satelliten im All haben, bis zu 42.000 Satelliten könnten es werden. Rechnet man die aktuellen Fehlerquoten auf diese riesige Menge hoch, könnten einige Hundert bis über 1.000 der Satelliten unkontrolliert durch den Orbit rasen.

Insgesamt umkreisen laut einer Studie der Europäischen Südsternwarte Eso derzeit etwa 5500 Satelliten die Erde, von denen nur etwa 2300 funktionsfähig sind.

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Zusätzlich gibt es Zehntausende Teile von Weltraummüll; 34.000 Objekte mit einer Größe von mehr als 10 cm die Erde sind laut der Studie im Orbit. Etwa 2000 dieser Objekte befinden sich demnach zu jedem Zeitpunkt an einem beliebigen Ort über dem Horizont. Während der Dämmerung werden etwa fünf bis zehn von ihnen von der Sonne beleuchtet und sind hell genug, um mit dem bloßen Auge gesehen zu werden.

Wenn Teile und Partikel ab einer Größe von einem Millimeter hinzugedacht werden, ist die Erde im Modell kaum noch erkennbar. Foto: Technische Universität Braunschweig

Wenn Teile und Partikel ab einer Größe von einem Millimeter hinzugedacht werden, ist die Erde im Modell kaum noch erkennbar.

Foto: Technische Universität Braunschweig

Auch die Starlink-Satelliten sind gut sichtbar: Gerade kurz nach dem Start erscheinen sie wie Perlen, die an einer Schnur aufgereiht sind, am Nachthimmel. Mit den Satelliten will SpaceX einen globalen Breitband-Internetgürtel um die Erde schaffen. So sollen vor allem Gegenden in ländlichen Gebieten mit schnellem und kostengünstigem Internet versorgt werden, die bislang Schwierigkeiten gut funktionierenden Zugängen hatten. Sprich: Theoretisch wäre dann an jedem Punkt auf der Erde ein Internetzugang möglich. Eine technische Revolution – aber unter Umständen eben auch eine Gefahr für Raumfahrt.

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Zudem bemängeln Astronomen, dass Himmelsbeobachtungen und Langzeiaufnahmen von Teleskopen durch Megakonstellationen gestört werden könnten. „Der Himmel wird voll von diesen Dingen sein“, sagt etwa Phil Diamond, Generaldirektor des Square Kilometer Array (SKA) in Südafrika. Das SKA ist ein globales wissenschaftliches und technologisches Projekt, dass das weltweit größte Radioteleskop bauen wird. Das Radioteleskop soll mit einer extrem großen Antennenfläche von 1.000.000 Quadratmetern ausgestattet werden.

Die Satelliten ziehen den Zorn von optischen Astronomen auf sich. Wir berichten hier. Unter der optischen Astronomie versteht man den Teilbereich der beobachtenden Astronomie. Teleskope und Instrumente wie Linsen, Prismen und Spiegel kommen bei ihren Forschungen zum Einsatz.

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Ein Beitrag von:

  • Peter Sieben

    Peter Sieben schreibt über Forschung, Politik und Karrierethemen. Nach einem Volontariat bei der Funke Mediengruppe war er mehrere Jahre als Redakteur und Politik-Reporter in verschiedenen Ressorts von Tageszeitungen und Online-Medien unterwegs.

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