Fehlgeleitete Galileo-Satelliten sollen Einsteins Relativitätstheorie untermauern
Ein Schwerefeld wie das der Erde hat einen Einfluss auf die Zeit. Je nach ihrer Position innerhalb dieses Feldes zeigen Uhren unterschiedliche Zeiten an. Die seit letztem Jahr in einer falschen Umlaufbahn kreisenden Galileo-Satelliten sollen jetzt dazu dienen, letzte Zweifel an der Allgemeinen Relativitätstheorie Albert Einsteins zu beseitigen.
Weil Treibstoffleitungen eingefroren waren, erreichte die Sojus-Rakete, die im Sommer vergangenen Jahr zwei Satelliten des europäischen Navigationssystems Galileo in eine geostationäre Umlaufbahn bringen sollte, nicht ihr Ziel. Seitdem fliegen Milena und Doresa, wie die beiden Satelliten genannt werden, statt auf einer kreisrunden auf einer elliptischen Umlaufbahn um die Erde. Würden die Satelliten in Galileo eingebunden, landeten Nutzer mit Sicherheit nicht an ihrem Ziel. Die Daten sind fürs Navigieren völlig unbrauchbar.
Rotverschiebung durch Gravitation
Doch nicht für Professor Claus Lämmerzahl vom Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) der Universität Bremen. Er hatte, als das Debakel bekannt wurde, gleich eine Idee, wie sich die Abschreibung der Satelliten als Weltraumschrott abwenden lässt. Lämmerzahl will sie nutzen, um einen Teil der Allgemeinen Relativitätstheorie zu untermauern, die der deutsche Physiknobelpreisträger Albert Einstein vor rund 100 Jahren formulierte.
Dabei geht es um die so genannte gravitative Rotverschiebung. Diese besagt, dass die Frequenz einer Lichtquelle in zwei senkrecht übereinanderliegenden Punkten eines Schwerefeldes wie dem der Erde unterschiedlich erscheinen – es gibt eine Verschiebung hin zum roten Spektrum.
Vielzahl von Zeitvergleichen
Lämmerzahl hat nun vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) die Erlaubnis erhalten, die Satellitendaten zu nutzen. Damit hat er glänzende Voraussetzungen, die letzten Zweifel an Einsteins Theorie zu beseitigen. Denn die beiden Satelliten ändern zweimal am Tag ihre Entfernung von der Erde und damit im Gravitationsfeld um rund 8000 Kilometer. Da sie hochgenaue Atomuhren an Bord haben, die nach einer Million Jahren allenfalls um eine Sekunde von der wirklichen Zeit abweichen, können die ZARM-Wissenschaftler jetzt eine Vielzahl von Zeitvergleichen vornehmen.
Während die fehlgeleiteten Satelliten praktisch kostenlos zur Verfügung stehen, hätte ein Experiment, das nur zur Beweissicherung der Rotverschiebung gestartet worden wäre, viele Millionen Euro gekostet. Das war niemand bereit auszugeben.
Verbesserung um den Faktor 10
Bei der Rotverschiebung geht es um winzige Zeitverschiebungen, die sich nach bisherigen Erkenntnissen erst in der vierten Stelle nach dem Komma bemerkbar machen. Das jedenfalls ist das Ergebnis eines Tests, der vor 37 Jahren stattfand.
Damals wurde die Zeitverschiebung zwischen einer Uhr in einer Rakete, die eine Höhe von 10.000 km erreichte, und einer Uhr auf der Erde gemessen. Lämmerzahl glaubt, dass er die Rotverschiebung mit einer zehnmal höheren Genauigkeit nachweisen kann. Im Oktober beginnt er mit der Auswertung der Daten. Die wissenschaftliche Bedeutung des Experiments ist groß. Ob es praktische Auswirkungen gibt, ist dagegen ungewiss.
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