Fliegender Wal bringt ganze Häuser zum Schweben
Eine internationale Kooperation aus Unternehmen und Regierungen entwickelt derzeit einen Schwerlast-Zeppelin, der bis zu 60 t Last auch in unwegsamen Gebieten transportieren kann – und das mit extrem geringem Verbrauch. Möglich machen das Graphen-basierte Hochleistungs-Ultrakondensatoren.
Die Wale erobern die Luft! Nein, das ist keine biologische Sensation, sondern „nur“ eine Meldung aus der Luftfahrt: Das französische Unternehmen „Flying Whales“ und der Technologiekonzern Skeleton Technologies mit Sitz in Estland und dem ostdeutschen Bautzen bauen gemeinsam ein Schwerlast-Luftschiff. Die französische Regierung, China und Marokko sowie eine Reihe weiterer Unternehmen sind ebenfalls an den Plänen beteiligt.
LCA60T: Ein mit Helium gefüllter Zeppelin mit stabiler Außenhülle
Gemeinsam basteln sie am LCA60T, einem mit Helium gefüllten Zeppelin mit stabiler Außenhülle, der Lasten bis zu 60 t transportieren können soll – und das einigermaßen schnell, günstig und auf Strecken, die andere Transportmittel nicht im Traum bewältigen könnten. Auch sperrige Lasten wie Masten, Flugzeugteile oder ganze Fertighäuser sind möglich: Was nicht in den vorgesehenen Lastraum von 8 m Höhe, 8 m Breite und 75 m Länge passt, wird einfach per Seilwinde angehängt.
Genau so funktioniert auch die Beladung: Um die Güter im oder unterm Frachtraum anzubringen, muss der „fliegende Wal“, wie das LCA60T genannt wird, nicht landen, sondern schwebt über dem Verladeplatz. Was mitfahren soll, wird einfach hochgezogen und verstaut bzw. befestigt. Gerade in unzugänglichen Gebieten schlägt das Luftschiff so nahezu alle anderen Transportmittel: Es braucht weder Straßen noch Landebahnen – noch nicht mal ein befestigter Platz ist notwendig.
Senkrechtes Starten und Landen
Außerdem kann es – anders als Flugzeuge – auch senkrecht starten und landen. „Wir entwickeln LCA60T speziell, um große Mengen Holz aus unzugänglichem Gelände abzutransportieren“, erklärt Sébastian Bougon, Chef von Flying Whales. Interessiert an dieser Technik ist dementsprechend die französische Waldagentur zur Vereinfachung ihrer Holztransporte. Auch Hilfstransporte in Gebiete mit mangelhafter Infrastruktur sind denkbar – einer der Gründe, warum Marokko bei der Entwicklung mit an Bord ist.
Ist die Fracht erst einmal an Bord und ordentlich gesichert, kann die Reise losgehen. Bis zu 100 km/h schafft die Schwerlast-Zigarre, und das mit einem Energiebedarf, der deutlich unter dem von Fracht-Helikoptern liegt: Der LCA60T verfrühstückt gerade mal ein Zehntel der für Hubschrauber benötigten Treibstoff-Menge, womit die Reichweite bis zu mehrere Tausend Kilometer betragen kann – und die Betriebskosten liegen mit geschätzten 50.000 Euro am Tag auch deutlich niedriger als beim Hubschrauber, der bis zu einer Million Euro täglich kostet.
Hybrid-Antrieb aus Elektro- und Dieselmotoren
Der relativ geringe Energiebedarf liegt in erster Linie am innovativen Hybrid-Antrieb aus kleinen Elektro- und Dieselmotoren sowie dem Einsatz von Graphen-basierten Ultrakondensatoren, einer Spezialität von Skeleton Technologies. Dabei handelt es sich um elektrochemische Kondensatoren, die im Vergleich mit Akkus zwar eine geringere Energiedichte besitzen, aber besonders schnell und oft ge- und entladen werden können.
Die Ultrakondensatoren kommen während der normalen Fahrt zum Einsatz, wenn rund 1,5 MW benötigt werden, aber auch beim Be- und Entladen, beim Heben, Schweben und Stabilisieren bei schlechtem Wetter: Dann sind rund 2 MW notwendig. Durch die Energiespeicherung in den Kondensatoren müssen die Motoren bei diesen Manövern nicht stärker arbeiten als während des Normalbetriebs. Nicht zuletzt deshalb verursacht der fliegende Wal vergleichsweise wenig Kosten und CO2-Emissionen.
Konkurrenz baut ebenfalls an Last-Zeppelinen
Der fliegende Wal ist nicht das einzige Schwerlast-Luftschiff, an dem derzeit geplant und gebaut wird: Der Rüstungskonzern Lockheed Martin zum Beispiel werkelt an einer Kreuzung aus Flugzeug, Helikopter und Zeppelin, das bis zu 19 Passagiere und 20 t Nutzlast tragen können soll.
In Großbritannien entsteht derweil der Airlander 10, der auf rund 10 t kommt.
Damit spielt die amerikanische und britische Konkurrenz rein lastentechnisch eher in der Liga eines Schwerlast-Helikopters: Der derzeit größte schafft bis zu 18 t, im Gegensatz zum auf bis zu 60 t ausgelegten deutsch-französischen Riesenzeppelin. Bis der allerdings den Himmel erobert, dürfte noch etwas Zeit vergehen: Die Jungfernfahrt ist für 2019 geplant, in Serie geht der Last-Wal nicht vor 2020. Geplant sind derzeit etwa 150 Exemplare.
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