Schwarzes Loch wächst ungewöhnlich schnell: Teleskop soll Rätsel lösen
Mit dem James Webb Weltraumteleskop will ein Team von Wissenschaftlern extrem weit entfernte Quasare beobachten. Die Schwarzen Löcher stellen die Astronomie vor ein Rätsel: denn sie entwickelten sich viel schneller, als vermutet.
Noch vor Weihnachten soll es losgehen: Wenn alles gut geht, startet das James-Webb-Weltraumteleskop (JWST) am 22. Dezember an Bord einer Ariane-5-Trägerrakete vom Europäischen Weltraumbahnhof in Kourou (Französisch-Guyana) aus ins All. Das Teleskop wird unsere Sicht auf das Universum vollkommen verändern – im wörtlichen wie auch im übertragenen Sinn.
Das Teleskop ist eine Art Hubble-Teleskop der Superlative. Hubble, das sich etwa 500 Kilometer über der Erde befindet, hat allmählich ausgedient. Das James Webb Weltraumteleskop wird in einer Entfernung von 1,5 Millionen Kilometern stationiert sein, von dort aus wird es unter anderem Bilder vom Ursprung des Universums liefern. Mehr als Tonnen wiegt das JWST, der Hauptspiegel misst 6,50 Meter, der Sonnenschild, der sich im All entfalten wird, hat die Größe eine Tennisplatzes. Der Schild besteht aus fünf Lagen Kapton, einem mit Aluminium und dotiertem Silizium beschichteten Hochleistungskunststoff.
Forscher beobachten „seltsamen Stern“ – und entdecken Schwarzes Loch
James Webb Weltraumteleskop: Ein Blick auf die ersten Momente nach dem Urknall
Zu den Instrumenten, mit denen das James Webb Teleskop tief ins All blicken wird, gehören der Spektograph NIRSpec für den nahen Infrarotbereich, die Kamera NIRCam, die mit Spektrographen ausgestattete MIRI-Kamera und ein Leitsensor. Astronomenteams wollen mit dem JWST bis in Regionen kurz nach dem Urknall blicken.
„Es wird einfach gigantische neue Fenster eröffnen und neue Möglichkeiten“, ist sich der Direktor für Wissenschaft bei der europäischen Raumfahrtbehörde Esa, Günther Hasinger, sicher.
Die Nasa hat nun Pläne eines Teams von Wissenschaftlern skizziert, die mit dem JWST ein erstaunliches Phänomen beobachten wollen. Sie wollen die am weitesten entfernten bekannten Quasare untersuchen. Quasare sind aktive supermassereiche Schwarze Löcher in Zentren von Galaxien. Die drei entferntesten bekannten Quasare sind mehr als 13 Milliarden Lichtjahre weit weg – sie sind etwa „nur“ 800 Millionen Jahre nach dem Urknall entstanden. Astronominnen und Astronomen gehen aber davon aus, dass es eigentlich mehrere Milliarden Jahre dauern müsste, bis sich solche supermassereichen Schwarze Löcher und die dazugehörigen Galaxien bilden können. Wie ist es also möglich, dass diese Quasare in den 800 Millionen Jahren des Universums Ausmaße von Milliarden von Sonnenmassen annehmen konnten? Und wie sind die Galaxien beschaffen, die sich um die Quasare gebildet haben?
Gigantische Schwarze Löcher: Wie konnten sie sich so schnell entwickeln?
Die Astronomen Xiaohui Fan und Jinyi Yang von der University of Arizona und Eduardo Bañados vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg wollen genau diese Fragen mithilfe des James Webb Weltraumteleskops beantworten. Die extreme Empfindlichkeit des Teleskops gegenüber Infrarotlicht – einschließlich Wellenlängen im mittleren Infrarotbereich, die nur im Weltraum erfasst werden können – wird genaue Beobachtungen in derart weit entfernten Regionen des Alls erstmals möglich machen.
Das Team will dabei drei Bereiche analysieren: die Quasare selbst, die Sterne in den umgebenden Galaxien und die Galaxien, die in der Nähe liegen. In einem ersten Schritt wollen die Forscher die Schwarzen Löcher gewissermaßen wiegen. „Wir möchten genauere Messungen ihrer Massen erhalten, um unser Verständnis dafür zu verbessern, wie sie sich so schnell gebildet haben und gewachsen sind“, erklärt Jinyi Yang.
Anschließend wollen die Astronomen den Fokus auf die Galaxien hinter dem hellen Licht der Quasare richten. Dazu benötigen sie die Nah-Infrarot-Kamera NIRCam, die extrem tiefe, detaillierte Bilder aufnehmen kann. Zur Veranschaulichung: Die Instrumente des James Webb Teleskop sind so empfindlich, dass von der Erde aus eine brennende Kerze auf einem Jupitermond damit nachgewiesen werden könnte. Was die Forscher auf den Bildern sehen werden, ist völlig offen; bislang gibt es nur Vermutungen über diese extrem weit entfernten Galaxien.
Nach dem Urknall war Gas zwischen den Galaxien undurchsichtig
Warum die Starlink-Satelliten zu einer Katastrophe führen könnten
Die Forscher planen, auch die großräumige Umgebung der Quasare unter die Lupe zu nehmen und die Eigenschaften von Gas und Staub dort zu analysieren. Das soll Rückschlüsse auf die Frage zulassen, wie das Universum 700 oder 800 Millionen Jahre nach dem Urknall aussah. Dieser Zeitraum liegt vor einem wichtigen Veränderungsprozess des Alls, einer Zeit des Übergangs: Kurz nach dem Urknall waren Gase – hauptsächlich Wasserstoff – zwischen den Galaxien weitgehend undurchsichtig. Erst nach etwa einer Milliarde Jahren wurde das Gas, unter anderem durch die Strahlung der Sterne, die sich inzwischen gebildet hatten, reionisiert. Erst dann wurde das Universum für sichtbares Licht transparent.
Das zehn Milliarden Dollar teure JWST-Gemeinschaftsprojekt von Nasa, Esa und CSA war mehrfach verschoben worden. Ursprünglich sollte das Teleskop bereits 2011 starten. Doch allein die Entwicklung und der Bau der Instrumente dauerte länger als geplant. Erste Bilder vom James Webb Teleskop sollen die Erde voraussichtlich im Sommer 2022 erreichen.
Ein Beitrag von: