Astronomiegeschichte 25.12.2024, 14:00 Uhr

Geschichte über das Teleskop, das den Planeten Neptun sichtbar machte

Mit einem Fraunhofer-Refraktor entdeckte Johann Gottfried Galle 1846 den Planeten Neptun. Erfahren Sie, wie Technik und Wissenschaft zusammenwirkten.

Teleskop

Zwei Deutsche waren 1846 maßgeblich an der Entdeckung des Neptun beteiligt. Joseph von Fraunhofer lieferte die Technik in Form eines fortschrittlichen Teleskops, Johann Gottfried Galle konnte damit den Planeten am Himmel einfangen.

Foto: PantherMedia / Allexxandar

Am Abend des 23. September 1846 entdeckte Johann Gottfried Galle von der Berliner Sternwarte aus den Planeten Neptun. Dieser Triumph der Wissenschaft war das Ergebnis von Präzisionsarbeit, visionären Berechnungen und modernster Technik seiner Zeit – insbesondere des Fraunhofer-Refraktors. Doch wie konnte dieses Teleskop zu einer solch bedeutenden Entdeckung beitragen? Dieser Artikel beleuchtet die Technik hinter dem Fraunhofer-Refraktor, die Lebensgeschichten von Joseph von Fraunhofer und Johann Gottfried Galle sowie den Weg zur Entdeckung des achten Planeten unseres Sonnensystems.

Wie der Neptun entdeckt wurde

Johann Gottfried Galle, ein Astronom an der Berliner Sternwarte, erhielt am Morgen des 23. September 1846 einen Brief von Urbain Le Verrier. Der französische Mathematiker hatte auf Grundlage der Newton’schen Himmelsmechanik Unregelmäßigkeiten in der Bahn des Planeten Uranus berechnet. Diese Unstimmigkeiten konnten nur durch die Anziehungskraft eines bisher unbekannten Himmelskörpers erklärt werden. Le Verrier vermutete daher die Existenz eines neuen Planeten und berechnete dessen Position am Himmel.

Le Verriers Anfrage gelangte zu Galle, der mit seinem Assistenten Heinrich Louis d’Arrest sofort die Untersuchung begann. Mithilfe einer aktuellen Sternkarte und des hochpräzisen Fraunhofer-Refraktors sichteten sie am Abend einen Lichtpunkt, der nicht auf der Karte verzeichnet war. Bereits am darauffolgenden Abend war klar, dass sich dieser Punkt relativ zu den Fixsternen bewegt hatte. Diese Bewegung bewies, dass es sich um einen Planeten handelte. Die Entdeckung des Neptuns war damit gelungen und markierte einen Meilenstein in der Geschichte der Astronomie.

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Bedeutung der Entdeckung

Die Entdeckung des Neptuns war nicht nur ein Meilenstein für die Himmelsmechanik, die auf den Prinzipien der klassischen Physik von Isaac Newton beruht, sondern auch der Beginn einer neuen Ära der Naturwissenschaften. Neptun war der erste Himmelskörper, der nicht zufällig, sondern gezielt mit Hilfe von Mathematik und Physik entdeckt wurde.

Damit etablierte sich die Theorie als eine weitere zentrale Säule des wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns: Modelle liefern Vorhersagen, die dann durch Experimente oder Beobachtungen bestätigt oder widerlegt werden. Dieses methodische Vorgehen bildet die Grundlage für viele bedeutende Entdeckungen unserer Zeit, wie etwa den Nachweis des ersten Exoplaneten oder die Entdeckung vieler Elementarteilchen, die zuvor nur im Standardmodell der Teilchenphysik vorhergesagt worden waren.

Neptun ein nahezu identischer Zwilling des Uranus

Wie bereits erwähnt, erkannten sowohl Le Verrier als auch John Adams in England, dass die Bewegungen des Uranus durch die Gravitationswirkung eines bis dahin unbekannten Planeten beeinflusst wurden, der ihn abwechselnd beschleunigte und verlangsamte.

Neptun stellte sich als fast identischer Zwilling des Uranus heraus. Er ist etwa 57-mal so groß wie die Erde, dreht sich jedoch vergleichsweise schnell, sodass ein Tag auf Neptun nur 16 Stunden und 7 Minuten dauert. Seine durchschnittliche Entfernung zur Sonne beträgt etwa 4,5 Milliarden Kilometer, und ein Jahr auf Neptun entspricht nahezu 165 Erdenjahren.

Ähnlich wie Uranus besitzt Neptun eine Atmosphäre, die hauptsächlich aus Wasserstoff, Helium und Methan besteht. Sein Inneres setzt sich aus Eis und möglicherweise einem felsigen Kern zusammen. Trotz der extremen Kälte von -220 °C wehen auf dem blauen Planeten außergewöhnlich starke Winde, begleitet von heftigen Stürmen. Neptun verfügt außerdem über mindestens fünf schmale, dunkle Ringe, die nach Le Verrier, Adams, Galle und weiteren Forschern benannt sind, die an seiner Entdeckung beteiligt waren.

Der Fraunhofer-Refraktor: Ein Meisterwerk der Optik

Schauen wir nun auf das Instrument, das die Entdeckung des Neptuns erst möglich machte. Joseph von Fraunhofer revolutionierte Anfang des 19. Jahrhunderts den Bau von Teleskopen. Sein Name steht für Präzision und Innovation in der Optik. Fraunhofers Refraktoren zeichneten sich durch ihre herausragende Bildqualität und mechanische Stabilität aus. Der Refraktor, mit dem Galle arbeitete, war 1828 in Auftrag gegeben worden und wurde 1835 an der Berliner Sternwarte installiert. Mit einer Objektivöffnung von etwa 24 Zentimetern und einer Brennweite von über vier Metern war er eines der fortschrittlichsten Instrumente seiner Zeit.

Das Herzstück des Refraktors war sein achromatisches Objektiv, das Farbfehler nahezu eliminierte und ein klares, scharfes Bild ermöglichte. Diese Linsen bestanden aus einer Kombination verschiedener Glasarten, deren Brechungseigenschaften speziell aufeinander abgestimmt waren. Fraunhofer nutzte innovative Glasfertigungstechniken und präzise Schleifverfahren, um eine bisher unerreichte Bildqualität zu erzielen.

Fraunhofer Refraktor

Dieses heute im Deutschen Museum in München zu bestaunende Fernrohr ist ein baugleicher Zwillingsbruder des Berliner Teleskops, mit dem der Neptun entdeckt wurde. Es enthält sowohl Originalteile (Tubus, Objektiv) als auch Rekonstruktionen des ursprünglichen Instruments (Achsensystemm, Holzstativ).

Foto: Deutsches Museum, CC BY-SA 4.0

Exzellente Mechanik und Tubus aus Holz

Neben der optischen Qualität beeindruckte der Fraunhofer-Refraktor durch seine mechanische Konstruktion. Die parallaktische Montierung des Teleskops ermöglichte es, die Erdrotation auszugleichen und Himmelsobjekte über längere Zeit im Sichtfeld zu halten. Ein raffinierter Uhrwerksantrieb sorgte für die automatische Nachführung des Fernrohrs. Diese Technologie ermöglichte es Astronomen, selbst schwache Himmelsobjekte mit hoher Genauigkeit zu beobachten.

Ein besonderes Merkmal war der aus Holz gefertigte Tubus, der aus mehreren Schichten verleimter Latten bestand und mit Mahagonifurnier verkleidet war. Auch das Stativ und die Achsen bestanden aus robusten Materialien, die die Stabilität des Instruments sicherstellten. Die Montierung war fest auf einem massiven Holzstativ verankert, was Vibrationen minimierte und die Beobachtungsqualität steigerte.

Bedienung des Refraktors

Die parallaktische Montierung des Fraunhofer-Refraktors war so ausgelegt, dass die Stundenachse parallel zur Erdachse ausgerichtet war. Um ein Himmelsobjekt zu verfolgen, wurde der Antrieb der Stundenachse über ein Uhrwerk gesteuert, das mit einem Zentrifugalregulator ausgestattet war. Dieser sorgte für eine gleichmäßige Bewegung, die die scheinbare Wanderung der Himmelskörper ausglich.

Die Beobachtung begann mit der exakten Ausrichtung des Teleskops auf den gewünschten Himmelsausschnitt. Der Tubus wurde über justierbare Gegengewichte leichtgängig gehalten, sodass sich die Position schnell und präzise anpassen ließ. Durch das Okular konnte der Astronom das vergrößerte Bild des Himmelskörpers betrachten, während feinmechanische Mikrometer zur genauen Positionsmessung eingesetzt wurden.

Refraktorteleskope im Wandel der Zeit

Refraktoren, auch Linsenfernrohre genannt, nutzen eine oder mehrere Linsen, um Licht zu bündeln. Das Prinzip wurde erstmals von Galileo Galilei im Jahr 1609 angewandt. Frühe Refraktoren litten jedoch unter chromatischen Aberrationen, die zu Farbfehlern im Bild führten. Erst mit der Entwicklung achromatischer Linsen durch John Dollond im Jahr 1758 konnten diese Probleme deutlich reduziert werden.

Das Teleskop von Galileo Galilei nutzte als Objektiv eine Sammellinse und als Okular eine Zerstreuungslinse. Es lieferte ein aufrecht stehendes Bild, war jedoch stark durch chromatische Aberration beeinträchtigt. Johannes Kepler verbesserte das Design, indem er das Okular durch eine Sammellinse ersetzte, was ein größeres Sichtfeld ermöglichte, jedoch ebenfalls Farbfehler verursachte. Fraunhofer brachte schließlich eine Lösung, indem er spezielle achromatische Linsen und präzise Montierungen entwickelte.

Die von Fraunhofer eingeführten Innovationen ebneten den Weg für die heutigen Refraktoren. Heutige Teleskope nutzen apochromatische Linsen, die nahezu vollständig frei von Farbfehlern sind. Diese Fortschritte machen Refraktoren weiterhin zu beliebten Instrumenten in der Amateurastronomie.

Johann Gottfried Galle: Der bescheidene Entdecker

Galle wurde 1812 in Gräfenhainichen geboren und studierte Mathematik und Physik an der Universität Berlin. 1835 begann er als Assistent von Johann Franz Encke an der Berliner Sternwarte. Dort machte er mehrere Entdeckungen, darunter den inneren Ring des Saturn und drei neue Kometen. Trotz seines Beitrags zur Neptun-Entdeckung blieb Galle stets bescheiden und betonte, dass die theoretische Vorarbeit Le Verrier gehörte.

Nach der Neptun-Entdeckung leitete Galle die Sternwarte in Breslau und beschäftigte sich intensiv mit der Bahnbestimmung von Planeten und Meteoren. Er veröffentlichte über 200 wissenschaftliche Arbeiten, darunter Untersuchungen zur Höhe des Polarlichts und zur Astronomischen Einheit. Er starb 1910, hochgeehrt und als einer der großen Astronomen seiner Zeit anerkannt.

Joseph von Fraunhofer: Ein Visionär der Optik

Joseph von Fraunhofer wurde 1787 in Straubing geboren. Als Waise begann er eine Lehre in einer Glasfabrik, wo sein Talent bald entdeckt wurde. Fraunhofer entwickelte neuartige Gläser und Präzisionsinstrumente. Seine wichtigste Erfindung, das Fraunhofer-Objektiv, ermöglichte erstmals nahezu farbfehlerfreie Beobachtungen. Neben der Entwicklung von Teleskopen entdeckte er 1814 die nach ihm benannten Fraunhofer-Linien im Sonnenspektrum und legte damit den Grundstein für die Spektroskopie.

Fraunhofers Innovationsgeist setzte neue Maßstäbe in der Optik. Trotz seines frühen Todes im Jahr 1826 prägte er den wissenschaftlichen Fernrohrbau nachhaltig. Seine Ideen leben bis heute in der Astronomie und Optik weiter. Und sein Name sowieso – die Fraunhofer-Gesellschaft ist die größte Organisation für angewandte Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen in Europa. Wir berichten hier auf ingenieur.de regelmäßig über die Forschungserfolge der verschiedenen Institute.

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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