ISS: Forschungsproben sollen Gefahr im All bannen
SpaceX ist am Sonntag mit der Falcon 9-Rakete zur ISS gestartet. An Bord sind einzigartige Forschungsproben aus Deutschland, die eine große Gefahr im All endlich bannen sollen.
Am 29. August ist SpaceX in Cape Canaveral zur Internationalen Raumstation ISS geflogen. Die Dragon-Raumkapsel befördert bei diesem Versorgungsflug ganz spezielle Fracht aus Saarbrücken. Neuartige Oberflächen sollen eine große Gefahr im All bannen.
Eine wiederverwendete Falcon-Rakete bringt Nachschub für die ISS ins All. Am Montag haben die sieben Astronauten mehr als 2.100 Kilogramm Material und frische Lebensmittel wie Avocados, Zitronen und sogar Eiscreme erhalten.
Materialforscher Frank Mücklich und sein Team können den Start ebenfalls kaum erwarten, denn ihre Forschungsergebnisse sind endlich auf der ISS. Hunderte Proben wurden mit der Raumkapsel mitgeschickt und sollen nun ihre Wirkung im All entfalten.
Das Team rund um Frank Mücklich hat neuartige, mit Laserinterferenz strukturierte Oberflächen entwickelt. Diese sollen verhindern, dass sich auf ihnen Krankheitskeime ansiedeln und vermehren. ESA-Astronaut Matthias Maurer wird die Proben betreuen – einst war er selbst Absolvent der Universität des Saarlandes und erster Diplomand von Frank Mücklich.
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Warum sind Bakterien im All ein Problem?
Wie auf der Erde besiedeln Bakterien im All die geschaffenen Lebensräume. In der Regel stammen sie von den Astronauten und Astronautinnen selbst, können aber auch durch Versorgungslieferungen an Bord kommen. 250 Menschen waren bislang auf der ISS – genügend damit sich Mikroorganismen vermehren können. Auf Knöpfen, Hebeln und Griffen sammeln sich auch im All Bakterien. Es bildet sich ein Biofilm, also Schleimschichten, in deren Schutz Bakterien die besten Bedingungen haben. Obwohl fast alle Erreger harmlos sind, können sich auch gefährliche darunter befinden. Für Raumfahrer kann das bedrohlich werden, da das Immunsystem in der Schwerelosigkeit schwächer wird – das ist auch bei den fittesten Raumfahrern so. Hinzu kommt eine höhere Mutationsrate der Bakterien durch die energiereiche Strahlung im Weltall.
„Wir entwickeln verschiedene neuartige Oberflächen, die verhindern, dass sich solche Biofilme bilden“, sagt Frank Mücklich, Professor für Funktionswerkstoffe der Universität des Saarlandes. „Ziel ist, dass sich bei Weltraummissionen innerhalb der Raumstation keine Keime ausbreiten, die etwa durch die erhöhte Strahlenbelastung im isolierten Umfeld auch stärker mutieren könnten. Dies ist wichtig vor allem auch mit Blick auf die Zukunft, wenn Astronautinnen und Astronauten noch viel länger als bisher im Weltraum bleiben sollen, wie bei einem bemannten Flug zum Mars“, erklärt er.
Drei Oberflächenarten gelangen zur ISS
Insgesamt schickt das Forschungsteam der Universität des Saarlandes drei verschiedene Arten von Oberflächen zur ISS.
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Zum einen handelt es sich um eine Art „Nagelbrett“ von Submikrometergröße, das es Bakterien schwer machen soll, anzudocken. Die zweite Art weist eine Mulden-Struktur von vielen aneinandergereihten „Sesseln“ im Mikrometer-Maßstab auf, die es erleichtern soll, Bakterien, die hier sehr gut Platznehmen können, durch maximalen Oberflächenkontakt mit Kupfer-Ionen abzutöten. Und die Dritte Art der Oberflächen wurde so bearbeitet, dass sie absolut glatt sind.
Insgesamt schicken die Forschenden 230 Proben auf jeweils drei metallischen Materialien zur ISS: auf reinem Kupfer, auf dem Bakterien durch die Kupfer-Ionen nach kurzer Zeit absterben, auf einer Kupfer-Zink-Legierung und auf reinem Edelstahl, das keinen chemischen Einfluss haben sollte. Das Forschungsprojekt wertet Matthias Maurer nach seiner Rückkehr aus. Das Ziel: Herauszufinden, welche Oberflächen-Laserstrukturierung in welcher Größenordnung unter Weltraumbedingungen wie Schwerelosigkeit, Mikrogravitation und Strahlung am wirksamsten ist.
Bakterien im All schädigen auch Technik
Nicht nur dem Menschen können Bakterien im All gefährlich werden, auch die Technik kann leiden. „Die Biofilme können zum Beispiel lebenswichtige Kondensatleitungen verstopfen, aber auch Materialschäden herbeiführen und so die Funktionsfähigkeit der sensiblen Technik gefährden. Bakterien bringen auf Oberflächen auch chemische Prozesse in Gang, die dazu führen, dass das Material korrodiert“, erläutert der Materialwissenschaftler.
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Die Forschung auf der ISS soll zu einem späteren Zeitpunkt auch auf der Erde Hilfe bieten. Diese neuartigen, antimikrobiellen Oberflächen könnten die Ausbreitung von Bakterien eindämmen, zum Beispiel im Krankenhaus oder an Schulen. Die viel genutzte Türklinke findet sich schließlich in jeglichen Gebäuden.
„Materialien, die für die Raumfahrt entwickelt wurden, führen oft zu Innovationen auch für den täglichen Gebrauch. Über den Vergleich der Wirkung der Mikrogravitation auf der ISS und unserer Gravitation auf der Erde lernen wir systematisch mehr über das mögliche Reaktionsspektrum der Bakterien“, sagt Mücklich.
Bereits 2019 hatte das Team aus dem Saarland gemeinsam mit der US-Weltraumbehörde NASA und dem MIT in Boston mehrere Probenserien laserstrukturierter Materialoberflächen zur ISS geschickt. Nun treten wieder zahlreiche neue Proben ihren Weg ins All an. Kooperationspartner sind diesmal die europäische Weltraumagentur ESA und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR. Was ist diesmal anders als 2019?
Für diese Weltall-Mission haben die deutschen Forschenden mit einer neuartigen Lasertechnik gearbeitet. Auf der Mikroebene der Oberflächen von Kupfer-, Messing- und Stahl-Proben wurden mikroskopisch feine, periodische Strukturen „eingraviert“.
„Wir verändern mit Laserinterferenz-Technologie gezielt die Mikrotopographie der Oberflächen – de facto ´ohne Chemie´. So wollen wir herausfinden, ob und wie Keime sich darauf in der Schwerelosigkeit ansiedeln und wie eine nanometergenaue Laserstrukturierung in Kombination mit antimikrobiellen Eigenschaften verhindern kann, dass sich Bakterienstämme ausbreiten“, sagt Mücklich.
Was ist die Laserinterferenz-Technologie?
Bei der angewendeten Technologie handelt es sich um Direct Laser Interference Patterning – kurz DLIP. Mücklich hat die Laserinterferenz-Technologie zur Marktreife gebracht. Sie ermöglicht die Erzeugung mikroskopisch feiner, dreidimensionaler Muster von wenigen Mikro- bis einigen hundert Nanometern.
Das müssen Sie über die ISS wissen
Sie können den Raketenstart am 28. August um 9.37 Uhr deutscher Zeit vom Kennedy Space Center in Florida und das Andockmanöver an die ISS live über den YouTube Kanal der NASA mitverfolgen.
Die ISS ist die bislang größte und langlebigste Raumstation. Zunächst fungierte sie als militärische US-Station. Seit ihrem Aufbau 1998 wird die ISS in internationaler Kooperation von 16 Staaten bzw. fünf Raumfahrtagenturen betrieben. Die Kosten für Bau und Betrieb beliefen sich bis 2018 auf über 100 Milliarden Euro. Die Raumstation kreist in rund 400 km2 Höhe mit einer Bahnneigung von 51,6° in östlicher Richtung binnen etwa 93 Minuten einmal um die Erde.
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