James-Webb-Teleskop: Riskanter Blick zum Ursprung des Universums
Es ist ein Instrument der Superlative: In einer Entfernung von 1,5 Millionen Kilometern wird das James-Webb-Weltraumteleskop den Blick auf Dinge ermöglichen, die sich kaum jemand vorstellen kann. Das Projekt stellt die Raumfahrt allerdings vor ein Logistik-Problem.
Das „James Webb Space Telescope“ (JWST) wird unseren Blick auf das Universum wohl für immer verändern – wörtlich und im übertragenden Sinne. Das jedenfalls ist die große Hoffnung, die Astronominnen und Astronomen in das spektakuläre Weltraumteleskop haben, das im Herbst an den Start gehen soll.
Mit dem James-Webb-Weltraumteleskop wollen die Wissenschaftler neue Erkenntnisse über die ersten Momente des Weltalls nach dem Urknall vor 13,8 Milliarden Jahren gewinnen. Das Teleskop soll Bilder von Sternen liefern, die viel älter sind als unser Sonnensystem sind und womöglich schon nicht mehr existieren. Manche spekulieren gar auf Hinweise auf eine zweite Erde, einen bewohnbaren Planeten. „Eines steht aber meiner Meinung nach schon fest und ist eine Erfahrung aus vielen anderen Meilensteinprojekten: Wir werden mit „JWST“ Entdeckungen machen, von denen wir jetzt noch nichts ahnen“, sagt Klaus Jäger vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, das Teile des neuen Weltraumteleskops mitentwickelt hat.
James-Webb-Weltraumteleskop: Viel weiter entfernt als Hubble
Das zehn Milliarden Dollar teure JWST ist ein Gemeinschaftsprojekt der US-Weltraumbehörde Nasa, der europäischen Weltraumorganisation Esa und der kanadischen Raumfahrtagentur CSA, der Start war bereits mehrfach verschoben worden – allein in diesem Jahr:
- Schon im Herbst sollte das Teleskop an Bord einer Ariane-Trägerrakete den Weg ins All antreten.
- Anschließend galt der 22. Dezember als Launch-Tag, dann der 24. Dezember.
- Wegen schlechter Wetterverhältnisse verschiebt sich der Start nun noch einmal. Die Trägerrakete werde am Samstag vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guyana abheben, teilte die Nasa mit.
Das Warten lohnt sich und ein paar Tage mehr oder weniger bis zum Start sind wohl zu verschmerzen angesichts der bedeutenden Aufgabe, die das James-Webb-Weltraumteleskop vor sich hat. Es ist gewissermaßen ein Super-Hubble: Das seit mehr als drei Jahrzehnten eingesetzte Hubble-Teleskop befindet sich in 500 Kilometern über der Erde. Das JWST indes wird in einer unglaublichen Entfernung von 1,5 Millionen Kilometern operieren.
Das stellt die Weltraumforschenden vor gänzlich neue Herausforderungen und birgt Risiken. Schon mehrfach gab es Shuttle-Flüge zu Hubble, um das Teleskop zu warten und reparieren. Schon gleich zu Beginn musste etwa der Spiegel des Weltraumteleskops neu eingestellt werden, weil Hubble enttäuschend unscharfe und damit unbrauchbare Bilder geliefert hatte. Beim JWST wird das nicht gehen, die Entfernung von 1,5 Millionen Kilometern ist viel zu groß.
LIVE – der Launch von James Webb im Video:
Nicht zuletzt auch deshalb hat sich der Start immer wieder verschoben: Ingenieurteams haben das Teleskop immer neuen Tests unterzogen, denn James Webb muss im All zu 100 Prozent funktionieren – Nasa, Esa und CSA haben nur eine einzige Chance.
- James Webb operiert in einer extrem großen Entfernung: Das Weltraumteleskop wird 1,5 Millionen Kilometer von er Erde entfernt sein.
- Zielort des JWST ist der Lagrange-Punkt L2. Lagrange-Punkte sind Orte im System zweier Himmelskörper (in diesem Fall Sonne und Erde), an denen ein leichter Körper wie zum Beispiel ein Asteroid oder eine Raumsonde, antriebslos den massereicheren Himmelskörper umkreisen kann. Dabei hat er dieselbe Umlaufzeit wie der masseärmere Himmelskörper. Die relative Ausrichtung zu den beiden Himmelskörpern bleibt dabei gleich. So reicht ein tennisplatzgroßer Hitzeschild, der das Teleskop vor der Wärmestrahlung von Sonne und Erde schützt. Der Schild besteht aus fünf Lagen Kapton, einem mit Aluminium und dotiertem Silizium beschichteten Hochleistungskunststoff.
- Die Beobachtungsgeräte erlauben es dem Teleskop, im Infrarotbereich zu messen. Dabei wird ein Wellenlängenspektrum von 0,6 bis 28,5 Mikrometer abgedeckt. Das Hubble-Teleskop deckt nur einen Bereich bis 2,5 Mikrometer ab.
Hubble: Überraschende Entdeckung im frühen Universum
Empfindliche Geräte von James Webb könnten Kerzenflamme auf Jupitermond nachweisen
Die Ausmaße des Teleskops sind gewaltig: Es verfügt über einen tennisplatzgroßen Sonnenschutz, der Spiegel misst 6,50 Meter. Rund 130 Einzelmechanismen sind nötig, damit sich das Konstrukt im All entfalten kann. Die Instrumente, die Funktionsweisen von Kamera und Spektrograph verbinden, sind so empfindlich, dass eine brennende Kerze auf einem Jupitermond damit nachgewiesen werden könnte.
„Es wird einfach gigantische neue Fenster eröffnen und neue Möglichkeiten“, ist sich der Direktor für Wissenschaft bei der europäischen Raumfahrtbehörde Esa, Günther Hasinger, sicher.
Quasare: Blick in die ferne Vergangenheit des Weltalls
Kurz nach seinem Start wird ein Team von Wissenschaftlern das James-Webb-Weltraumteleskop auf sechs der am weitesten entfernten und hellsten Quasare ausrichten. Quasare sind aktive, extrem hell leuchtende Kerne von Galaxien. Die Forschenden wollen die Eigenschaften der weit entfernten Quasare und ihrer Wirtsgalaxien untersuchen und wie sie während der ersten Stadien der Galaxienentwicklung miteinander verbunden waren.
So „sieht“ das James-Webb-Weltraumteleskop:
Das ist ein Blick in eine weit entfernte Vergangenheit, eine optische Zeitreise: Denn das Licht der fernen Quasare, das das JWST auffangen wird, stammt aus einer Zeit, als das Universum noch sehr jung war – es hat eine Milliarden Jahre dauernde Reise hinter sich. „Alle diese Quasare, die wir untersuchen, existierten sehr früh, als das Universum weniger als 800 Millionen Jahre alt war. Diese Beobachtungen geben uns also die Möglichkeit, die Galaxienentwicklung und die Entstehung und Entwicklung supermassereicher Schwarzer Löcher zu diesen sehr frühen Zeiten zu untersuchen“, erklärt Santiago Arribas, Professor an der Abteilung für Astrophysik des Zentrums für Astrobiologie in Madrid. Arribas ist außerdem Teil des Teams, das das Near-Infrared-Spectrograph-Instrument (NIRSpec) des James-Webb-Teleskops entwickelt hat.
James-Webb-Weltraumteleskop: „Das erste kalte Teleskop“
Das Ziel, zu dem das Teleskop gebracht wird, hat besondere Eigenschaften, wie Günther Hasinger erklärt: „Es gibt im Sonnensystem fünf Punkte, an denen sich die Schwerkraft gegeneinander aufhebt.“ Der Zielort sei einer davon: Webb wird zum Lagrange-Punkt L2 gebracht. Die Lagrange-Punkte sind fünf Punkte im System zweier Himmelskörper (Sonne und Erde), an denen ein leichter Körper wie zum Beispiel ein Asteroid oder eben eine Raumsonde, antriebslos den massereicheren Himmelskörper umkreisen kann. Dabei hat er dieselbe Umlaufzeit wie der masseärmere Himmelskörper (in diesem Fall die Erde). Die relative Ausrichtung zu den beiden Himmelskörpern bleibt gleich. Am Langrangepunkt L2, mit Erde und Sonne im Rücken und mit dem Sonnensegel geschützt vor Wärmeeinstrahlung, sollen die Instrumente mit ihren Messungen in unterschiedlichen Infrarotwellen beginnen. Dafür werden sie runtergekühlt. „Es wird das erste kalte Teleskop. Wenn man Infrarotstrahlen messen will, das ist ja Wärmestrahlung, dann muss das Teleskop selber sehr kalt sein“, erklärt Hasinger.
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Erste Bilder sollen voraussichtlich im Juli 2022 zu sehen sein. „Dichte Molekülwolken mit viel Staub und Gas sind die Entstehungsgebiete neuer Sterne und Planeten. Der Staub absorbiert jedoch das uns vom Sehen her vertraute sichtbare Licht, und wir könnten deshalb deren innere Regionen nur schwer oder überhaupt nicht detailliert studieren“, sagt Klaus Jäger vom Max-Planck-Institut für Astronomie. Für das längerwellige Infrarotlicht ist Staub ein viel geringeres Hindernis. „Beobachtungen im Infrarot erlauben uns daher, quasi in diese Bereiche hineinzusehen beziehungsweise die Infrarotstrahlung aus dem Inneren zu empfangen.“
Suche nach einer zweiten Erde
Mit dem Teleskop ist eine Tiefendurchmusterung des frühen sich ausbreitenden Universums und auch eine Absuche der Sternenentstehungsgebiete geplant, sowie eine genauere Beobachtung von Exoplaneten. Das Teleskop soll die Atmosphäre solcher Planeten, die außerhalb des Sonnensystems liegen, auf Moleküle untersuchen, die möglicherweise auf biologische Aktivität hinweisen.
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Das James-Webb-Teleskop bietet der Wissenschaft mehr als reine Bildinformationen. Die Stärke liegt in der Spektroskopie. „Ein Bild ist ja wunderschön anzuschauen. Was wir mit „James Webb“ bekommen ist eben, in jedem einzelnen Bildelement können wir auch noch 1000 andere Informationen ablesen“, sagt Hasinger. Etwa ob irgendwo Wasser überhaupt möglich sei. Interessant seien natürlich erdnahe Planeten. „Man möchte ja irgendwann mal einen Planeten finden, der möglichst erdähnlich ist und wo Wasser existiert und der nah genug ist, dass vielleicht zukünftige Generationen auch mal dahin fliegen können.“ So könnte möglicherweise eine zweite Erde gefunden werden.
Name von James-Webb-Teleskop sorgt für Streit
Benannt ist das Teleskop nach James Webb, der in den 60er Jahre Chef der Nasa war und die Weltraumbehörde von einer eher losen Ansammlung von Forschungsinstituten zu der klar strukturierten Institution machte, die sie bis heute ist.
Der Name des Teleskops hatte zuletzt für Debatten gesorgt. Denn es Hinweise auf unrühmliche Flecken in Webbs Karriere. Anfang der 50er Jahre soll Webb während der berüchtigten McCarthy-Ära in den USA eine prominente Rolle bei der Verfolgung von Schwulen und Lesben gespielt haben. Hunderte von Mitarbeitern waren damals aus dem Ministerium entlassen worden. In dieser Zeit machte Senator Joseph McCarthy Jagd auf so genannte „Subversive“: Eine Hexenjagd auf Menschen, die nach Überzeugung konservativer und rechter Kreise die Gesellschaft und die Regierung infiltriert hatten, um die USA dem Kommunismus auszuliefern. Dutzende Bundes-Bedienstete während der Amtszeit von Webb wegen ihrer sexuellen Orientierung entlassen. Auch später, als Webb längst Leiter der Nasa war, setzte sich das fort: 1963 musste ein Nasa-Mitarbeiter seinen Posten räumen – weil er im Verdacht stand, schwul zu sein.
Vorwürfe, denen die Nasa nach eigenen Aussagen nachgegangen ist: Die Behörde teilte mit, keine Beweise für die Anschuldigungen gegen den Namensgeber James Webb gefunden zu haben. Wie genau die Untersuchung der Nasa dazu aussah, dazu äußerte sich die Weltraumbehörde allerdings nicht. Zahlreiche Astronominnen und Astronomen werfen der Nasa Intransparenz vor und kritisieren die Entscheidung.
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