Bindeglied des Universums 31.07.2024, 12:32 Uhr

Kamera- und Laserfallen sollen Dunkle Materie sichtbar machen

Können Laser- und Kamerafallen Dunkle Materie sichtbar machen? Wir blicken auf zwei spannende Forschungen aus den USA und Deutschland.

Dunkle Materie Galaxie

Dunkle Materie macht etwa 85% der gesamten Materie im Universum aus und ist entscheidend für die Entstehung von Galaxien. Doch wie sieht sie aus?

Foto: PantherMedia / 3dmentat

Was ist das fundamentale Bindeglied des Universums? Diese Frage beantwortet die moderne Physik mit dem Standardmodell der Teilchenphysik. Dieses Modell erklärt die kleinsten Bausteine der Materie und die Kräfte, die zwischen diesen Elementarteilchen wirken. Es ist in der Lage, physikalische Phänomene von mikroskopischen bis hin zu kosmischen Skalen präzise zu erklären.

Dennoch bleiben einige Fragen offen: So sind beispielsweise die Natur der Dunklen Materie und bestimmte Eigenschaften der starken Wechselwirkung Rätsel, die sich mit den derzeit bekannten physikalischen Gesetzen nicht vollständig erklären lassen. Weltweit arbeiten Forscherinnen und Forscher daran, die Dunkle Materie sichtbar zu machen. Wir stellen zwei Methoden vor, mit denen dies gelingen soll – eine Kamerafalle und eine Laserfalle.

Methode 1: Kamerafalle mit KI-gestützter Bilderkennung

Im unterirdischen Tunnel des Large Hadron Collider (LHC), etwa 100 Meter unter der französisch-schweizerischen Grenze, schießt der größte Teilchenbeschleuniger der Welt Protonenstrahlen mit nahezu Lichtgeschwindigkeit aufeinander. Diese Kollisionen erzeugen winzige Eruptionen, die die Bedingungen unmittelbar nach dem Urknall nachahmen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hoffen, dass die dabei entstehenden subatomaren Trümmer Hinweise auf die „fehlende Materie“ des Universums enthalten.

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Ashutosh Kotwal, Physiker an der Duke University. Kotwal ist überzeugt, dass diese Kollisionen Hinweise auf die Existenz von Dunkler Materie liefern könnten. Dunkle Materie ist eine unsichtbare Substanz, die etwa fünfmal häufiger vorkommt als die sichtbare Materie, deren Natur jedoch nach wie vor ein Rätsel ist. Obwohl Dunkle Materie nicht direkt beobachtbar ist, wissen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass sie existiert, weil sie durch ihre gravitative Wirkung auf Sterne und Galaxien Einfluss nimmt.

Kamerafallen sollen das Rätsel lösen

Kotwal und sein Team haben eine Methode entwickelt, um nach Dunkler Materie zu suchen: den Einsatz von Kamerafallen. Diese speziellen Detektoren funktionieren wie riesige 3D-Digitalkameras und nehmen kontinuierlich Schnappschüsse der bei den Protonenkollisionen entstehenden Teilchenstrahlen auf. Normale Teilchen lösen dabei die Sensoren des Detektors aus. Wenn jedoch Dunkle Materie erzeugt wird, könnte sie sich durch eine Art „Verschwinden“ bemerkbar machen: Schwer geladene Teilchen würden sich einige Zentimeter vom Kollisionspunkt entfernen und dann in Dunkle Materieteilchen zerfallen, die keine Spuren hinterlassen.

Um diese flüchtigen Spuren zu entdecken, müssen die Forschenden extrem schnell handeln. Die Detektoren des LHC machen pro Sekunde etwa 40 Millionen Aufnahmen. Die meisten dieser Rohdaten sind uninteressant und können nicht alle gespeichert werden. Kotwal vergleicht die Suche nach relevanten Daten mit der Suche nach einer Nadel im Heuhaufen. Nur etwa eines von einer Million Bilder könnte Hinweise auf Dunkle Materie enthalten.

Schneller Algorithmus hilft bei der Suche

Um die Nadel im Heuhaufen zu finden, hat Kotwal mit seinem Team einen schnellen Algorithmus entwickelt, den sogenannten „Track-Trigger“. Dieser Algorithmus erkennt und markiert flüchtige Spuren in Echtzeit. Um die Rechenpower zu erhöhen, werden eine große Anzahl gleichzeitig laufender KI-Engines auf einen Siliziumchip gepackt. Dadurch lässt sein ein Bild in weniger als 250 Nanosekunden verarbeiten. Die uninteressanten Bilder werden automatisch aussortiert.

Kotwal stellte seinen Ansatz erstmals in zwei Artikeln vor, die 2020 und 2021 veröffentlicht wurden. In seiner jüngsten Arbeit, die im Mai 2023 in der Zeitschrift Scientific Reports erschien, zeigt er, dass sein Algorithmus auf einem Siliziumchip laufen kann. Gemeinsam mit seinen Studenten plant Kotwal, bis zum nächsten Sommer einen Prototyp des Geräts zu bauen. Es wird jedoch noch drei bis vier Jahre dauern, bis das vollständige Gerät – bestehend aus etwa 2000 Chips – in den Detektoren des LHC installiert werden kann.

Was ist Dunkle Materie?
Dunkle Materie ist eine Art von Materie, die weder Licht noch andere elektromagnetische Wellen reflektiert, absorbiert oder aussendet. Daher bleibt sie für uns unsichtbar und kann nur durch ihre Gravitationswirkung auf andere Objekte im Universum nachgewiesen werden. Man schätzt, dass diese geheimnisvolle Substanz etwa 85% der gesamten Materie im Universum ausmacht und entscheidend für die Entstehung und Struktur der Galaxien ist.

Methode 2: Laserfalle für Dunkle-Materie-Teilchen

Was hält die Welt im Innersten zusammen? Diese Frage beschäftigt die Physik seit Jahrzehnten. Besonders Dunkle Materie bleibt ein ungelöstes Rätsel. Wissenschaftler suchen deshalb nach neuen Teilchen außerhalb des Standardmodells. Ein vielversprechender Kandidat ist das Axion. Dieses hypothetische Elementarteilchen könnte viele Probleme der Teilchenphysik lösen und möglicherweise Dunkle Materie erklären. Aber wie kann man ein Teilchen nachweisen, das kaum mit sichtbarer Materie wechselwirkt und dessen Masse unbekannt ist?

Ein Team am Helmholtz Zentrum Dresden Rossendorf (HZDR) hat einen innovativen Vorschlag: Sie wollen Axionen gezielt erzeugen, indem sie Lichtstrahlen aus optischen Superlasern auf das Licht eines Röntgenlasers treffen lassen. Diese Technik wird als „Licht-an-Licht-Streuung“ bezeichnet. Dabei könnten die Lichtteilchen ein Axion aussenden, das sich fast sofort wieder in Lichtteilchen zurückverwandelt. Laut den Berechnungen des Teams sollte dieser Prozess trotz der Kurzlebigkeit der Axionen messbare Effekte haben, wie etwa eine Änderung der Schwingungsrichtung der Lichtteilchen.

Laserexperiment soll Existenz von Axionen nachweisen

Dieser gerade beschriebene Effekt basiert auf einem Quanteneffekt: der Polarisation des Vakuums. „Vakuum klingt ja so, als wäre da gar nichts, aber das stimmt so nicht. Durch die von der Quantenphysik vorhergesagten Fluktuationen wird das Vakuum zu einem polarisierbaren elektromagnetischen Medium“, erklärt HZDR-Theoretiker Prof. Ralf Schützhold.

Das geplante Laserexperiment soll diesen Effekt in einem neuen Bereich nachweisen und gleichzeitig nach Axionen suchen. Im polarisierten Vakuum würde das Röntgenlicht eine Art Schubs erfahren und seine Schwingungsrichtung ändern. Wenn diese Änderung stärker ist als vom Standardmodell vorhergesagt, wäre dies ein starker Hinweis auf die Existenz von Axionen.

Haken des Laserexperiments

Ein zusätzlicher Effekt durch Axionen könnte die Änderung des Brechungsindex eines Mediums veranschaulichen, ähnlich wie ein starker Laser, der in Glas geschickt wird. Aber es gibt einen Haken: Die Bedingungen für die Lichtstreuung müssen zur Masse der Axionen passen, um diese tatsächlich zu erzeugen. Die theoretischen Annahmen zur Masse der Axionen variieren jedoch stark.

„Wie beim Higgs-Teilchen gibt es theoretische Hinweise darauf, dass es das Axion geben könnte. Im Gegensatz zum Higgs-Teilchen ist aber völlig unklar, welche Masse es haben könnte. Es gibt zwar Ideen, aber die Spannweite der möglichen Massen ist riesig“, betont Schützhold.

Geduld ist gefragt

Das neue Experiment könnte schwere Axionen messen, selbst wenn diese sehr kurzlebig sind, und so eine Lücke zu anderen Experimenten schließen, die langlebigere Axionen voraussetzen. Schützhold plant, den Winkel zwischen den optischen Laserstrahlen zu variieren, um verschiedene Massenbereiche abzudecken.

Geduld ist gefragt: „Die Wahrscheinlichkeit, gleich beim ersten Experiment Axionen zu erwischen, ist gering,“ sagt Schützhold. Er erwartet zunächst, die theoretische Vorhersage der Vakuumpolarisation zu bestätigen. Dies wäre bereits ein bedeutender Erfolg und würde helfen, bestimmte Eigenschaften der Axionen auszuschließen. Ein direkter Nachweis von Axionen wäre jedoch ein Durchbruch.

Könnte dies das Rätsel der Dunklen Materie lösen? Schützhold ist skeptisch: „Selbst wenn wir etwas finden: Dort, wo wir schauen, ist nicht der Bereich, wo man typischerweise Dunkle Materie vermuten würde.“ Dunkle-Materie-Teilchen müssen langlebig sein. Schwere, langlebige Axionen wären vermutlich bereits in anderen Experimenten entdeckt worden. Kurzlebige Axionen sind weniger geeignet für Dunkle Materie, außer sie koppeln stark und bilden langlebige Gruppen.

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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