Kommerzialisierung im All – die private Raumfahrt holt auf
Die Mondlandung liegt hinter uns, doch der Wettlauf ins All ist noch längst nicht zu Ende. Die nächsten Wettbewerbe werden gerade jetzt entschieden. Ging es im 20. Jahrhunderts vor allem darum, mit dem erstmaligen Betreten des Mondes den Beweis für die Größe einer Nation anzutreten, werden heute die Claims abgesteckt, um handfeste kommerzielle Vorteile zu sichern.
- Private Raumfahrtfirmen als Partner
- Mondprogramm und Privatisierung in den USA
- SpaceX und Boeing wollen Astronauten zur ISS bringen
- Konkurrenz im Weltraum-Tourismus
- Wettlauf der Milliardäre Richard Branson, Jeff Bezos und Elon Musk
- SpaceX bringt Weltraumtouris am weitesten
- Roskosmos und Space Adventures verkaufen schon Weltraumflüge
- Space Mining
- USA und Luxemburg preschen im Asteroiden-Bergbau vor
- Abbau von Rohstoffen im All umstritten
Die Aufteilung des Weltraums ist in vollem Gange und es gibt mehr Akteure als jemals zuvor. Die Motivation, über ehrgeizige Raumfahrtprogramme weltweit Prestige und Status zu erlangen oder zu festigen, spielt für einige Nationen immer noch eine Rolle. China und Indien etwa wollen zeigen, dass mit ihnen zu rechnen ist bei einem erneuten Wettlauf zum Mond. Der eigentliche Wettkampf findet mittlerweile jedoch zwischen staatlichen und privaten Raumfahrtakteuren statt. Sie konkurrieren um Aufträge und um Kunden, das Weltraum ist zum Big Business geworden.
Raumfahrtprojekte, die jahrzehntelang allein von Staaten und den großen nationalen Raumfahrtagenturen betrieben wurden, werden inzwischen auch von privaten Unternehmen mit kommerziellen Geschäftsmodellen umgesetzt. Unter dem Begriff „New Space“ wird die wirtschaftliche Nutzung des Weltraums durch private Anbieter zusammengefasst. 2016 hatte das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie dazu eine Studie in Auftrag gegeben und kam zu dem Schluss, dass „New Space das Potenzial hat, die Raumfahrt nachhaltig zu verändern“.
Private Raumfahrtfirmen als Partner
Zunächst ist im Raumfahrt-Business die Bereitschaft zur Kooperation größer denn je, denn die Kosten lassen sich oft nur dann bewältigen, wenn sich mehrere Beteiligte Arbeit und Finanzierung teilen. Hier drängen private Raumfahrtunternehmen auf den Markt und werden von den nationalen Raumfahrtagenturen gerne als Partner gesehen. Sie haben inzwischen wichtige Aufgaben – wie die Versorgung der ISS – übernommen und spielen eine wesentliche Rolle bei der Kommerzialisierung des Weltraums.
Wirtschaftlich wertvoll sind in diesem Zusammenhang vor allem die erdnahen Orbits. Hier werden die großen Geschäfte gemacht in den Bereichen Internet, Satellitenkommunikation inklusive TV und Wettersatelliten. Derzeit werden ganze Satellitenschwärme, die sogenannten Mega-Konstellationen, ausgesetzt und schaffen Fakten. Wer hier sein Claim frühzeitig absteckt, hält die kommerziell wichtigen Orbits besetzt.
Mondprogramm und Privatisierung in den USA
Sehr spannend ist aktuell ein Blick auf das private und nationale Raumfahrtprogramm der USA. Ein Thema, das Präsident Trump umtreibt, ist die Teilprivatisierung des amerikanischen Moduls der Internationalen Raumstation (ISS). Ab 2025 wollen die USA nur noch 5 % der aktuellen, jährlichen Kosten übernehmen und stattdessen die Privatwirtschaft einspringen lassen. Im August 2018 twitterte Trump, dass die Nasa unter seiner Administration ein großes Comeback erlebe und gerade 9 Astronauten für Boeing– und SpaceX-Flüge benannt habe. „Wir haben die besten Anlagen der Welt und lassen nun den privaten Sektor für deren Nutzung bezahlen“, hieß es in Trumps Tweet.
Tatsächlich hat die Nasa seit 2011 ein Programm, das die Entwicklung von privat betriebenen Raumkapseln für die bemannte Raumfahrt vorantreiben soll. Im „Commercial Crew Development“ erhalten Unternehmen in mehreren Runden finanzielle Förderung, damit sie in naher Zukunft Astronauten zur ISS bringen. Seit dem Ende des Space Shuttle Programms sind die USA in dieser Hinsicht auf die Russen und deren Sojuskapseln angewiesen. Im November 2019 läuft ein entsprechender Vertrag mit Russland aus. Zwar hat die Nasa mit Roskosmos Plätze für US-Astronauten in der Sojus-Kapsel gebucht, für Herbst 2019 und Frühjahr 2020, aber ein eigener Shuttle-Service würde den USA mehr Unabhängigkeit bringen.
SpaceX und Boeing wollen Astronauten zur ISS bringen
In der letzten Runde des „Commercial Crew Development“-Programms der Nasa stehen aktuell Boeing mit dem Partner United Launch Alliance sowie SpaceX, das Raumfahrtunternehmen von Elon Musk, im Wettbewerb miteinander. Beide sind mit der Entwicklung ihrer bemannbaren Raumkapseln recht weit fortgeschritten. Die „Crew Dragon“ von SpaceX bietet Platz für bis zu 7 Astronauten und ist wiederverwendbar – was einen enormen wirtschaftlichen und ökologischen Vorteil bringt. Im März 2019 hatte eine mit einer Puppe bemannte Crew Dragon erfolgreich an die ISS angedockt. Zwei Astronauten der ISS waren in die Kapsel geschwebt und kehrten damit zurück zur Erde, wo sie vor der Küste Floridas geborgen wurden.
Einen Rückschlag für seine ehrgeizigen Pläne, noch in diesem Jahr Astronauten zur ISS zu schicken, musste Elon Musk allerdings kurz nach dem Andock-Erfolg hinnehmen. Bei einem obligatorischen Startabbruch-Test im April 2019 explodierte eines der Triebwerke, das im Falle einer Fehlfunktion der Trägerrakete während des Starts die Astronauten wegschleudern und in Sicherheit bringen soll.
Derweil steht Boeing sozusagen an der Startrampe, um im September 2019 die Astronautenkapsel CST-100 Starliner von Cape Canaveral aus zur ISS zu schicken. Sie soll zunächst ebenfalls unbemannt starten. Gelingt das, muss auch Boeing den Startabbruch-Test bestehen, bevor die Raumfähre von der Nasa zertifiziert werden kann. Die insgesamt neunköpfige Crew für die bemannten Testflüge von Boeing und SpaceX wurde bereits ausgewählt. Sie wird aus 2 Frauen und 7 Männern bestehen.
Konkurrenz im Weltraum-Tourismus
Schlagzeilen machte im Juli 2019 auch das Weltraumtourismus-Unternehmen Virgin Galactic von Richard Branson. Der Milliardär erklärte, dass er noch in diesem Jahr einen Börsengang seiner 2004 gegründeten Firma plant. Es wäre das erste börsennotierte Unternehmen für den All-Tourismus.
Allerdings hatte es in den letzten Jahre mehrere Unfälle mit Todesopfern gegeben, die das gesamte Projekt von Virgin Galactic immer wieder verzögerten. Wann es tatsächlich losgeht, ist daher nicht klar. Laut Branson sind jedoch bereits 600 Tickets zum Preis von je 250.000 US-Dollar verkauft worden. Wenn es soweit ist, sollen in einem rund anderthalbstündigen Ausflug von New Mexikos Spaceport America aus 6 Passagiere in 80 bis 100 Kilometer Höhe gebracht werden. Dafür geht es zunächst mit einem Trägerflugzeug auf 10 Kilometer, von wo aus dann das Raketenflugzeug von Virgin mit dreifacher Schallgeschwindigkeit an die Grenze des Weltraums fliegt. Am höchsten Punkt können die Touristen einige Minuten Schwerelosigkeit erleben. Bei der Rückkehr fällt das Flugzeug zunächst, gleitet dann und landet schließlich normal am Boden.
Wettlauf der Milliardäre Richard Branson, Jeff Bezos und Elon Musk
Virgin Galactic ist nicht das einzige Unternehmen für den Weltraumtourismus. Musk und Amazon-Gründer Jeff Bezos haben unbedingt ein Wort mitzureden. Bezos verkauft jedes Jahr angeblich Amazon-Aktien im Wert von rund 1 Milliarde US-Dollar, um seine Raumfahrtfirma Blue Origin zu finanzieren. Mit ihr möchte er unter anderem touristische Ausflüge ins All anbieten. Sein Reiseangebot mit der Trägerrakete „New Shepard“ geht nach letztem Stand der Dinge in eine ähnliche Höhe wie Virgin Galactic und soll auch in etwa auch so viel kosten – erster Starttermin unbestimmt.
Kürzlich stellte Bezos in Washington D.C. außerdem seine Mondlandefähre „Blue Moon“ vor. Das Fahrzeug soll bis zu vier Mondrover, wissenschaftliche Geräte und eventuell Menschen an Bord nehmen können. Bei der Präsentation zeigte sich Bezos erfreut über den gestrafften Zeitplan der Amerikaner für die nächste Mondlandung. „Wir können dabei helfen, diese Frist einzuhalten“, sagte er. Es sei an der Zeit, auf den Mond zurückzukehren und dieses Mal, um zu bleiben.
Elon Musk bringt Weltraumtouris am weitesten
Aber vielleicht macht am Ende SpaceX das Rennen, denn auch Elon Musk ist im Weltraum-Tourismus unterwegs – allerdings in gänzlich anderen Sphären. Im September 2018 verkündete der japanische Milliardär Yusaku Maezawa, dass er sich ein Ticket für eine Mondumrundung bei Musk gekauft habe. Start soll 2023 sein, der Ticketpreis wurde nicht genannt. Zwar muss das Raumschiff für die Mondumrundung erst noch gebaut werden, aber SpaceX steht mit seinen Lastenraketen „Falcon 9“ und „Falcon Heavy“ in bester Startposition. Denn sie landen nach ihrer Rückkehr selbstständig auf der Erde und können wiederverwendet werden. Seit 2012 beliefert SpaceX im Auftrag der US-Regierung in vorerst noch unbemannten Flügen die Raumstation mit Nachschub.
Roskosmos und Space Adventures verkaufen schon Weltraumflüge
Und in Sachen Weltraumtourismus ist da auch noch die russische Weltraumagentur Roskosmos. Gemeinsam mit dem amerikanischen Unternehmen Space Adventures haben die Russen zwischen 2001 und 2009 bereits acht zahlende Touristen zur ISS gebracht. Bald soll es erneut soweit sein. Auf seiner Website bietet Space Adventures Flüge mit der Sojuskapsel an und vermarktet außerdem Plätze für Privatleute im neuen CST-100 Starliner von Boeing.
Richtige Abenteurer können sich ebenfalls für eine Mission anmelden, die in einem russischen Raumschiff den Mond umrunden wird. Der Reiseplan sieht einen zehntägigen Aufenthalt auf der ISS vor, um sich an das Leben im All anzupassen. Von dort aus geht es mit einem Lunar-Modul auf die sechstägige Reise zum Mond.
Space Mining
Neben Frachtdiensten zur ISS und Weltraumtourismus geht es bei der Kommerzialisierung des Alls vor allem um Satelliten, die für die Datenströme von Navigationssystemen und Telekommunikation entscheidend sind. Doch auch wie man die Verwertung von Ressourcen aus dem All realisieren könnte, wird heute schon erforscht. Das Stichwort lautet Space Mining. Unbemannte Raumschiffe machen sich womöglich eines Tages auf zu erdnahen Asteroiden, landen dort und bauen mit Robotern wertvolle Ressourcen ab, die auf der Erde benötigt werden.
USA und Luxemburg preschen im Asteroiden-Bergbau vor
Neben den USA gehört das kleine Luxemburg zu den Ländern, die die Kommerzialisierung des Alls stark vorantreiben. Erst im Mai 2019 formalisierten beide Staaten in einer Absichtserklärung ihren Wunsch nach intensiver Zusammenarbeit und bekräftigten den Willen, die Raumfahrtindustrie ihrer Länder zu unterstützen. Luxemburg, wo der globale Satellitenbetreiber SES seinen Sitz hat, hatte bereits 2016 eine Initiative gestartet, um der die Industrie durch regulatorische und finanzielle Anreize den Asteroidenbergbau schmackhaft zu machen. Dazu gehört auch die mögliche Nutzung von Wasser, das auf dem Mond und anderen Planteten aufgespürt werden soll. Es würde zur Gewinnung von Treibstoff benötigt und sicherte die weite Erkundung des Weltraums.
Im Moment gewähren die USA und Luxemburg den Unternehmen, die Ressourcen von Himmelskörpern abbauen, auch das Eigentum daran. Die beiden Länder zählen zu jenen rund 20 Ländern, die eine nationale Gesetzgebung erlassen haben, in der die Nutzung von Rohstoffen im All geregelt wird.
Abbau von Rohstoffen im All umstritten
Auch die deutsche Bundesregierung hatte im Koalitionsvertrag vereinbart, ein Weltraumgesetz auf den Weg zu bringen. Das dafür zuständige Bundeswirtschaftsministerium arbeitet derzeit an einem Entwurf. In ihrer Antwort auf eine entsprechende Parlamentarische Anfrage 2018 ließ die Bundesregierung allerdings wissen, dass sie mit dem Vorgehen der USA und Luxemburg nicht ganz einverstanden sei: „Die Voraussetzungen des Abbaus von Rohstoffen im Weltall sind völkerrechtlich umstritten. (…) Deutschland vertritt mit der Mehrheit der Raumfahrtstaaten die Auffassung, dass der Abbau von Weltraumressourcen ein international abgestimmtes Regime voraussetzt und nationale gesetzgeberische Alleingänge zu Rechtsunsicherheiten führen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich beim Weltraum um einen hoheitsfreien Bereich handelt und der Abbau von Weltraumressourcen nach international vereinbarten Regelungen und Standards erfolgen sollte.“
Dieser Artikel ist Teil der Serie „50 Jahre Mondlandung“, zu der auch folgende Beiträge gehören:
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