Mars: Ungewöhnliche Signale sorgen für Überraschung
Forschende der ETH Zürich wollten eine Sonnenfinsternis auf dem Mars beobachten. Durch Zufall machten sie dabei eine erstaunliche Entdeckung.
Manchmal hilft der reine Zufall. Das Seismometer der Nasa-Sonde Insight auf dem Mars soll eigentlich ausschließlich Marsbeben messen. Doch vor einigen Monaten sorgte das Gerät, dessen Elektronik an der ETH Zürich gebaut worden ist, für eine Überraschung.
Es reagierte auf eine Sonnenfinsternis – auf eine kuriose Weise, mit der die Forscher nicht gerechnet hätten, wie die ETH jetzt mitteilt.
Mars: Sonnenfinsternis dauert nur 30 Sekunden
Doch von Beginn an: Die Forscher wollten im April 2020 eine Sonnenfinsternis auf dem Mars beobachten. Der Mond Phobos umkreist alle fünf Stunden den Mars von Westen nach Osten. Auf seiner Bahn zieht er an jedem Ort der Planetenoberfläche etwa einmal pro Erdenjahr direkt vor der Sonne vorbei. Innerhalb von drei Tagen kommt es dann zu einer bis sieben Sonnenfinsternissen. Das Phänomen ist also deutlich häufiger zu beobachten, als auf der Erde. „Allerdings sind die Eklipsen auf dem Mars kürzer, sie dauern nur 30 Sekunden und die Bedeckung ist nie vollständig“, erklärt Simon Stähler, Seismologe am Institut für Geophysik der ETH Zürich.
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Die NASA-Sonde Insight steht seit November 2018 am Landeplatz in der sogenannten Elysium-Region, einer ausgedehnten Ebene auf dem Mars. Dort wollten die Forscher die Sonnenfinsternis beobachten. Schon im April 2019 hatte die Sonde eine erste Serie von Sonnenfinsternissen aufgezeichnet, doch nur ein Teil der Daten wurde gespeichert. Stähler und eine internationale Gruppe von Forschenden bereiteten sich in der Folge auf die nächste Finsternis-Serie am 24. April 2020 vor.
Plötzliche Windböen: Direkter Effekt auf die Umwelt
Die sogenannten Transite, also das Vorüberziehen des Mondes an der Sonne, lassen sich nicht nur auf Bildern sehen. Sie haben auch einen direkten, spürbaren Effekt auf die Umwelt. „Auf der Erde misst man bei einer Sonnenfinsternis einen Temperaturabfall und rasche Windböen, weil die Atmosphäre jeweils an einer Stelle kälter wird und und sich die Luft von dort weg bewegt“, erklärt Stähler. Anhand der Daten der Nasa-Sonde wollten die Forschenden herausfinden, ob ähnliche Effekte auch auf dem Mars nachweisbar sind.
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Und in der Tat registrierten die Solarzellen der Sonde die Transits – damit hatten die Wissenschaftler gerechnet. „Steht Phobos vor der Sonne, gelangt weniger Sonnenlicht auf die Solarzellen und diese produzieren dadurch weniger Strom“, erklärt Stähler. „So lässt sich der Abfall bei der Lichteinstrahlung durch die Bedeckung messen.“ Aber: Die Wetterstation von Insight zeigte keine atmosphärischen Veränderungen an, die Winde drehten nicht wie erwartet. Dafür zeigte das Seismometer einen Effekt und bekam so eine unerwartete Bedeutung bei der Analyse der Sonnenfinsternis.
Signal auf dem Mars ist „eine Kuriosität“
Auch das Magnetometer zeigte ein Signal, das allerdings höchstwahrscheinlich auf den Stromabfall in den Solarzellen zurückführen ist, wie Geophysikerin Anna Mittelholz zeigen konnte. Das Seismometer-Signal lässt sich so nicht erklären, sondern sei „eine Kuriosität“, sagt Stähler.
Was passiert war: Das Seismometer kippte während der Sonnenfinsternis minimal in eine bestimmte Richtung. „Die Neigung ist wirklich äusserst gering“, so Stähler, der es ganz bildhaft erklärt: „Stellen Sie sich ein Fünffrankenstück vor und schieben Sie auf der einen Seite zwei Silberatome darunter. Das ergäbe diese Neigung von 10 hoch minus 8.“
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Ein winziger Effekt, aber dennoch eindeutig messbar. „Die banalste Erklärung wäre, dass die Anziehungskraft von Phobos dafür verantwortlich ist, so wie der Erdmond die Gezeiten verursacht“, sagt Stähler. Allerdings könne man diese These schnell ausschließen. Wenn Gezeitenkräfte verantwortlich wären, müsste das Seismometer-Signal immer dann, wenn Phobos vorbeizieht, messbar sein – also alle fünf Stunden.
Boden kühlt sich minimal ab
Die wahrscheinlichste Ursache für das Kippen: „Während der Finsternis kühlt sich der Boden ab. Er verformt sich ungleichmäßig und löst so die Neigung aus“, sagt Martin van Driel von der Gruppe für Seismologie und Wellenphysik. Tatsächlich konnte ein Infrarotsensor auf dem Mars eine Abkühlung des Bodens von zwei Grad messen. Die Kältewelle drang während der 30 Sekunden dauernden Finsternis zwar nur Mikro- bis Millimeter tief in den Boden, aber der Effekt reichte, um das Kippen zu verursachen.
Wichtige Erkenntnis für künftige Marsmissionen
Diese Erkenntnis könnte für künftige Raumfahrtmissionen enorm wichtig werden. Denn das winzige Kipp-Signal können die Wissenschaftler nun möglicherweise nutzen, um die Bahn von Phobos genauer als bislang möglich zu bestimmen: Wenn man weiß, wann an der Landestelle von Insight ein Phobos-Transit genau beginnt und endet, lässt sich die Umlaufbahn des Mondes exakt berechnen. Die japanische Raumfahrtorganisation Jaxa etwa will im Jahr 2024 eine Sonde zu den Marsmonden schicken und Proben von Phobos sammeln. „Dafür muss man wissen, wo man genau hinfliegen will“, sagt Stähler.
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Zudem könnten präzisere Daten von Phobos‘ Bahn mehr Aufschluss über das Innere vom Planeten Mars geben. Sein Verhältnis zum Planeten ist völlig anders, als das unseres Mondes zur Erde. Unser Mond gewinnt an Drehimpuls und entfernt sich kontinuierlich von der Erde. Phobos hingegen wird langsamer und nähert sich dem Mars. In 30 bis 50 Millionen Jahren wird er auf dessen Oberfläche stürzen. „Diese leichte Verlangsamung können wir benutzen, um abzuschätzen, wie elastisch und damit wie heiß der Mars in seinem Innern ist, denn kaltes Material ist immer elastischer als heißes“, erklärt Amir Khan vom Institut für Geophysik der ETH.
Warum ist der Mars lebensfeindlich?
Die Forschenden möchten wissen, ob der Mars aus dem gleichen Material wie die Erde entstanden ist oder ob womöglich unterschiedliche Bausteine eine Erklärung dafür liefern könnten, dass sie beiden Planeten so unterschiedlich sind: Auf der Erde gibt es eine Plattentektonik, eine dichte Atmosphäre und lebensfreundliche Bedingungen gibt – auf dem Mars eben nicht.
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