Neue Mond-Bilder enthüllen, was Jahrmillionen in Kratern verborgen war
Mondkrater lassen sich nur sehr schlecht ablichten. Ein selbstlernender Computeralgorithmus ermöglicht nun viel schärfere Bilder. Für künftige Missionen zum Mond ist das von enormer Bedeutung.
„Sonne lacht, Blende 8“ – Fotografen kennen den mäßig originellen Eselsbrücken-Klassiker, der helfen soll, die richtige Einstellung für scharfe und gut belichtete Fotos zu finden. Der gilt allerdings nur auf der Erde. Auf dem Mond herrschen andere Gesetze. Der Lunar Reconnaissance Orbiter (LRO) der amerikanischen Weltraumbehörde Nasa liefert seit 2009 Bilder vom Mond.
Bei aktuellen Forschungen zu möglichen Wasservorkommen und zur Topologie auf dem Mond für künftige Missionen helfen diese Bilder allerdings nur bedingt. Forscherinnen und Forscher sind sich sicher, dass Wasser in gefrorener Form in Kratern und Senken auf der Mondoberfläche vorkommt. Gebiete mit eher kleinen und gut zugänglichen Kratern könnten attraktive Zielen für zukünftige Mond-Missionen sein. Einige davon liegen in der Landeregion des Volatiles Investigating Polar Exploration Rovers (VIPER) der Nasa, der 2023 auf dem Mond landen soll.
Mond-Sonde liefert unbrauchbare Aufnahmen
Für ein genaues Bild von deren Topographie und Geologie sind Aufnahmen von Raumsonden bei der Missionsplanung sehr wichtig. Die Nasa-Sonde Lunar Reconnaissance Orbiter (LRO) liefert seit 2009 solche Bilder. Allerdings hat die altgediente Raumsonde damit ihre Schwierigkeiten. Denn die einzigen Lichtquellen sind Streulicht, das etwa von der Erde und der umgebenden Topographie reflektiert wird, und sehr schwaches Sternenlicht. „Da die Raumsonde in Bewegung ist, sind die LRO-Aufnahmen bei langen Belichtungszeiten völlig verschmiert“, erklärt Ben Moseley von der Universität Oxford.
Nasa findet neue Spuren von Wasser auf dem Mond
Er ist Mitglied einer Gruppe von Forschern unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS), die jetzt eine Möglichkeit gefunden haben, Mond-Bilder zu liefern, die so noch kein Mensch zuvor gesehen hat. Mit Hilfe von Streulicht und neuartigen, selbstlernenden Algorithmen gelang es den Forschenden, Bilder mit einer Auflösung von bis zu 1-2 Metern pro Pixel zu produzieren.
„Da das Sonnenlicht in der Nähe von Nord- und Südpol sehr flach einfällt, erreicht es dort den Boden einiger Krater und Senken nie“, erklärt Valentin Bickel vom MPS, Erstautor der neuen Studie zum Thema. In den Senken ist es so kalt, dass gefrorenes Wasser wahrscheinlich seit Millionen von Jahren dort überdauert. Woher es kommt, ist unklar: Möglich ist, dass wasserhaltige Asteroiden es bei Einschlägen mitgebracht haben, oder es bei Vulkanausbrüche oder die Wechselwirkungen mit dem Sonnenwind entstanden ist.
Algorithmus lernt anhand von 70.000 Bildern
Um endlich brauchbare Bilder dieser Mond-Regionen zu bekommen, haben die Forscher den selbstlernenden Computeralgorithmus Horus (Hyper-effective nOise Removal U-net Software) entwickelt. Dieser interpretiert die stark verrauschten Aufnahmen und ersetzt fehlerhafte beziehungsweise fehlende Bildinformationen. Dazu nutzt Horus mehr als 70.000 Kalibrationsbilder der LRO-Sonde, die auf der Schattenseite des Mondes aufgenommen wurden, sowie Informationen über Kamera-Temperatur und die Flugbahn der Raumsonde. Damit lernt die Künstliche Intelligenz zu unterscheiden, welche Struktur im Bild ein Artefakt der Messung ist und welche echt. Auf diese Weise erreichen die Forscher die Möglichkeit, Aufnahmen zu erhalten, die fünf- bis zehnmal so genau sind wie alle bisherigen.
Bilder von insgesamt 17 Schatten-Gebieten mit Flächen zwischen 0,18 und 54 Quadratkilometern aus der Mond-Südpolregion haben die Forschenden neu ausgewertet. „Mit Hilfe der neuen Bilder ist es nun möglich, die Geologie der dunklen Gebiete besser als zuvor zu verstehen“, erklärt Moseley. Die viel klareren Aufnahmen lassen Rückschlüsse auf die Anzahl und die Form von Kleinstkratern zu und über die Beschaffenheit und das Alter der Oberfläche. Das hilft, um etwa potentielle Hindernisse für einen Rover oder Astronauten schon jetzt zu erkennen.
Spannendes Ziel für künftige Mond-Mission
So hat das Forschungsteam bereits ein besonders interessantes Ziel für künftige Mond-Missionen ausgemacht. In einem der untersuchten Krater auf dem sogenannten Leibnitz-Plateau entdeckten die Wissenschaftler einen auffallend hellen Mini-Krater. „Die vergleichsweise helle Färbung könnte darauf hinweisen, dass dieser Krater recht jung ist“, so Bickel. Eine derart frische Schramme in der Oberfläche dürfte vergleichsweise unverfälschte Einblicke in tiefere Schichten möglich machen.
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Hinweise auf oberflächennahes gefrorenes Wasser finden sich in den neuen Ansichten bislang nicht. „Wahrscheinlich ist es in einigen der Gebiete, die wir uns vorgenommen haben, doch ein wenig zu warm“, sagt Valentin Bickel. Wahrscheinlich sei, dass das Mond-Wasser nicht als gut sichtbare Ablagerung an der Oberfläche vorkommt, sondern sich mit Gestein und Staub vermischt hat. Um dieser und anderen Fragen nachzugehen, wollen die Forscher im nächsten Schritt möglichst viele weitere verschattete Krater mit ihrem neuen Algorithmus untersuchen.
Wasser auf dem Mond verschwindet – und kehrt wieder zurück
Erst vor wenigen Monaten hatten neue Erkenntnisse zu Wasservorkommen auf dem Mond für Rätselraten gesorgt. Denn Nasa-Forschende haben herausgefunden, dass nicht nur an den Polen Eis zu finden sein dürfte, sondern ein größerer Teil der Mond-Oberfläche von gefrorenem Wasser überzogen ist. Die Entdeckung sei „völlig kontraintuitiv“, wie Björn Davidsson vom Jet Propulsion Laboratory der Nasa in Südkalifornien. Denn: „Wasser sollte in dieser rauen Umgebung nicht überdauern. Dies stellt unser Verständnis von der Mondoberfläche in Frage und wirft faszinierende Fragen darüber auf, wie flüchtige Stoffe wie Wassereis auf luftlosen Körpern bestehen können.“
Die gängige These, dass das Eis im Innern von Gestein gehalten werden könnte, konnten Forschende revidieren. Denn die Wassermenge auf dem Mond wird jeweils zur Mittagszeit, wenn die Sonne am höchsten steht, zunächst weniger und nimmt gegen Abend wieder zu: Das Wasser verschwindet also scheinbar zunächst und kehrt dann wieder auf die Oberfläche zurück.
Wassermoleküle bewegen sich zwischen Mondoberfläche und Atmosphäre
Die Lösung: Weil es keine dichte Atmosphäre auf dem Mond gibt, werden Wärme und Kälte nicht gleichmäßig über die Oberfläche verteilt. In den Senken und Kratern können extrem kalte Temperaturen von Minus 160 Grad herrschen. Direkt daran angrenzend aber gibt es Bereiche, die mit Tages-Temperaturen von über 100 Grad extrem heiß sind. Im Verlauf des Mondtages wird der Oberflächenfrost in den extrem kalten, schattigen Bereichen allmählich dem Sonnenlicht ausgesetzt.
Bei der Erwärmung treten Wassermoleküle aus und zirkulieren in der Exosphäre des Mondes. Dann gefrieren sie wieder an der Oberfläche und sammeln sich in anderen kalten und schattigen Regionen als Reif an. „Frost ist viel mobiler als eingeschlossenes Wasser“, erklärt Björn Davidsson. „Das Modell zeigt einen Mechanismus, der erklärt, wie sich Wasser zwischen der Mondoberfläche und der dünnen Mondatmosphäre bewegt.“
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