Neue Daten von Euclid: Stimmt das kosmologische Prinzip wirklich?
Bisherige Theorien gehen davon aus, dass das Universum homogen ist. Mit Hilfe von Euclid soll untersucht werden, ob das kosmologische Prinzip wirklich stimmt.
![Gravitationslinse](https://www.ingenieur.de/wp-content/uploads/2025/02/gravitationslinse-e1739273733161-1200x600.jpeg)
Diese Aufnahme des Weltraum-Teleskops Hubble zeigt einen Effekt, der als Gravitationslinse bezeichnet wird. Dabei sorgt große Masse dafür, dass das Licht ferner Sterne und Galaxien auf dem Weg zu uns abgelenkt wird.
Foto: NASA, ESA et al.
Das kosmologische Prinzip besagt, dass das Universum weder ein Zentrum noch bevorzugte Richtungen hat und auf großen Skalen homogen und isotrop ist. Dies bildet die Grundlage des Standardmodells der Kosmologie, das durch zahlreiche Beobachtungen gestützt wird. Allerdings weisen neuere Messungen auf mögliche Anisotropien hin, die diese Annahme infrage stellen könnten. Eine neue Studie unter der Leitung des Astrophysikers James Adam untersucht mithilfe der schwachen Gravitationslinsen den Grad der Isotropie des Universums. Das Euclid-Weltraumteleskop, das 2023 gestartet wurde, liefert hochpräzise Daten zur Analyse dieser Effekte.
Inhaltsverzeichnis
Das kosmologische Prinzip
Das kosmologische Prinzip besagt, dass das Universum in großem Maßstab homogen und isotrop ist. Homogenität bedeutet, dass die Materieverteilung in allen Regionen des Universums ungefähr gleich ist. Isotropie bedeutet, dass es keine bevorzugten Richtungen gibt. Diese Annahmen bilden die Grundlage des Standardmodells der Kosmologie, das den Ursprung, die Entwicklung und den gegenwärtigen Zustand des Universums beschreibt.
James Adam, Astrophysiker an der University of the Western Cape in Südafrika, fasst es so zusammen: „Das kosmologische Prinzip ist wie eine ultimative Art von Demutsbezeugung.“ Denn es bedeutet, dass die Erde oder unsere Galaxie keine besondere Stellung im Universum einnimmt.
Doch könnte diese Annahme falsch sein? Neuere Messungen stellen Homogenität und Isotropie infrage.
Anzeichen für Unregelmäßigkeiten in der Struktur des Universums
Mehrere kosmologische Studien zeigen Hinweise darauf, dass das Universum nicht in jeder Richtung gleich beschaffen ist. Diese sogenannten Anisotropien könnten darauf hindeuten, dass es große Strukturen gibt, die in verschiedenen Regionen unterschiedlich ausgeprägt sind. Drei wesentliche Indizien lassen Forschende an der absoluten Homogenität und Isotropie zweifeln:
- Widersprüche bei der Messung der Expansionsrate des Universums: Verschiedene Methoden zur Bestimmung der Hubble-Konstante führen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Messungen anhand der kosmischen Mikrowellenhintergrundstrahlung und Beobachtungen von Supernovae zeigen signifikante Abweichungen. Diese Diskrepanz, bekannt als „Hubble-Spannung“, könnte darauf hindeuten, dass die Expansion des Universums nicht überall gleich verläuft.
- Unregelmäßigkeiten in der kosmischen Mikrowellenhintergrundstrahlung: Die kosmische Mikrowellenhintergrundstrahlung (CMB) ist das Echo des Urknalls und sollte laut dem Standardmodell der Kosmologie nahezu gleichförmig sein. Tatsächlich zeigen jedoch hochauflösende Messungen Temperaturschwankungen, die sich nicht mit zufälligen Variationen erklären lassen. Beispielsweise existiert ein sogenannter „kalter Fleck“, eine Region mit auffällig niedriger Temperatur, deren Ursache noch nicht abschließend geklärt ist.
- Abweichungen in der Verteilung von Galaxien: Die Strukturen des Universums, bestehend aus Galaxienhaufen, Filamenten und kosmischen Leerräumen, sollten im großen Maßstab gleichmäßig verteilt sein. Beobachtungen zeigen jedoch regionale Unterschiede, etwa die „Dipol-Anisotropie“, die darauf hinweist, dass eine Himmelsrichtung dichter mit Galaxien besetzt sein könnte als andere.
Diese Beobachtungen werfen grundlegende Fragen über unser Verständnis des Universums auf. Noch ist nicht klar, ob sie auf systematische Fehler in den Messungen oder auf fundamentale Unregelmäßigkeiten im Universum selbst zurückzuführen sind. Um diese Unsicherheiten aufzuklären, werden weitere unabhängige Datensätze und alternative Methoden zur Überprüfung der Anisotropie-Befunde benötigt. Künftige Missionen, insbesondere das Euclid-Weltraumteleskop, könnten helfen, diese offenen Fragen zu klären.
Euclid ermöglicht neuen Blick auf das Universum
Ein vielversprechendes Werkzeug zur Untersuchung von Unregelmäßigkeiten im Universum ist das Weltraumteleskop Euclid der ESA, das 2023 gestartet wurde. Es liefert hochauflösende Bilder und analysiert die Verteilung der Materie im Universum mit einer bislang unerreichten Präzision.
Eine der Methoden zur Untersuchung der Isotropie basiert auf der sogenannten schwachen Gravitationslinsenwirkung. Dabei werden geringe Verzerrungen im Licht entfernt liegender Galaxien untersucht, die durch die Gravitation dazwischenliegender Materie verursacht werden.
![Linseneffekt](https://www.ingenieur.de/wp-content/uploads/2025/02/linseneffekt-768x386.jpg)
Linseneffekt: Beispiele dafür, wie die E- und B-Modi Bilder entfernter Galaxien verzerren.
Foto: SISSA Medialab
Der schwache Linseneffekt: Ein Fenster zur Struktur des Universums
Die allgemeine Relativitätstheorie beschreibt, dass Massen das Licht umliegender Objekte ablenken können. Diesen Effekt kennt man von massereichen Galaxienhaufen, die das Licht dahinterliegender Objekte verzerren.
Die Analyse dieser Verzerrungen lässt wichtige Rückschlüsse auf die Materieverteilung im Universum zu. Besonders spannend ist die Unterscheidung zwischen zwei Komponenten dieser Verzerrung:
- E-Mode-Scherung: Sie entsteht in einem isotropen, homogenen Universum.
- B-Mode-Scherung: Sie ist normalerweise schwach und sollte auf großen Skalen nicht auftreten.
Würden in den Euclid-Daten Korrelationen zwischen E- und B-Modi nachgewiesen, wäre dies ein starkes Indiz für Anisotropien. Adam und sein Team haben ein Modell entwickelt, das beschreibt, wie eine anisotrope Expansion des Universums das Linsensignal beeinflussen würde. Sie simulierten verschiedene Szenarien und kamen zu dem Schluss, dass Euclid in der Lage sein könnte, selbst kleinste Anisotropien aufzudecken.
Aktuell liefert das Teleskop bereits wertvolle Daten. Weitere Observatorien werden in den kommenden Jahren neue Einblicke in die großen Strukturen des Universums liefern. Sollten die gefundenen Anomalien bestätigt werden, könnte das weitreichende Konsequenzen für unser Verständnis des Universums haben. „Wenn man seine Arbeit vierfach überprüft hat, muss man ernsthaft darüber nachdenken, ob diese grundlegende Annahme tatsächlich wahr ist oder nicht“, erklärt Adam.