Plasmatriebwerk 21.04.2020, 07:00 Uhr

Neues Satellitenantriebssystem reduziert Weltraumschrott

Wissenschaftler der Universität Stuttgart haben ein neues Triebwerk für Satelliten entwickelt. Es funktioniert mit Heliconwellen und einer Antenne, die man aus der Medizin kennt. Der neue Antrieb verlängert die Lebensdauer eines Satelliten und verringert den Weltraummüll.

Induktives Plasmatriebwerk der Uni Stuttgart

Mit einem innovativen induktiven Plasmatriebwerk wollen Forscher der Universität Stuttgart eine Alternative schaffen für Erdbeobachtungssatelliten in geringeren Höhen.

Foto: Universität Stuttgart / IRS

1957 flog weltweit der erste Satellit ins All. Mit Sputnik gelang der damaligen Sowjetunion der wohl größte Coup in der Geschichte der Raumfahrt, indem sie mit ihrem erfolgreichen Start des Satelliten fast vier Monate schneller einen künstlichen Raumflugkörper ins All schossen als die US-Amerikaner. Obwohl diese ihr Vorhaben frühzeitig angekündigt hatten, schaffte es der amerikanische Satellit Explorer 1 erst im Februar 1958 ins All. Seit den Anfängen der Raumfahrt hat sich vieles verändert: Technik, Antrieb, Geschwindigkeit, die Möglichkeit, auch bemannte Raumflüge zu absolvieren und vieles mehr. Heute befinden sich zahlreiche Satelliten im All – im September 2019 waren es etwa 2.200 weltweit. Sie dienen unter anderem der internationalen Telekommunikation, liefern Wetter- und Erdbebendaten oder unterstützen die Forschungen der Astronomie und Kartografie. Zahlreiche Wissenschaftler arbeiten weltweit daran, Satelliten zu entwickeln, die immer kleiner, leichter und günstiger werden, dabei eine bessere Auflösung erzielen und sich zugleich in viel niedrigeren Höhen bewegen können.

Niedrige Höhen stellen die Forscher vor besondere Herausforderungen. Gemeint sind Entfernungen zur Erde von maximal 400 Kilometern. In diesem Bereich existiert eine Restatmosphäre und damit ein relativ hoher Luftwiderstand. Dieser sorgt dafür, dass ein Satellit mit der Zeit langsamer wird. Das hat zur Folge, dass ihn die Schwerkraft immer näher an die Erde heranziehen kann, bis er schließlich in die Erdatmosphäre eintritt und untergeht. Das Ergebnis: Eine Mission kann bereits innerhalb weniger Tage oder einiger Monate vorbei sein, je nachdem wie hoch sich der Satellit ursprünglich bewegte. Das ist nicht für alle Forschungszwecke ausreichend und zugleich produzieren solche Missionen große Mengen an Weltraumschrott.

Atmosphärische Partikel dienen dem Satelliten als Treibstoff

Eine Gruppe Forscher des Instituts für Raumfahrt der Universität Stuttgart hat seit 2014 an einem neuen Ansatz gearbeitet. Herausgekommen ist der sogenannte „atmosphärenatmende“ Elektrische Raumfahrtantrieb – kurz ABEP, der den Luftwiderstand kompensieren kann. Das funktioniert, indem das System die atmosphärischen Partikel um den Satelliten herum, die eine bremsende Wirkung haben, aus der Restatmosphäre aufnimmt und diese als Treibstoff nutzt. Dazu entsteht aus der elektrischen Energie ein Plasma, das den Schub erzeugt. Andere Systeme brauchen hierfür Elektroden oder Gitter, die wiederum sehr empfindlich auf den aggressiven Sauerstoff in der Atmosphäre reagieren, oder verwenden einen nicht weniger empfindlichen Neutralisator, der zwar verhindert, dass sich der Satellit elektrisch auflädt, damit zugleich aber auch den Schub zunichtemachen würde.

Vorteil des neuentwickelten Systems ist, dass der Satellit keinen zusätzlichen Treibstofftank benötigt, der sein Gewicht deutlich erhöht. Stattdessen nutzt er die Gaspartikel der Hochatmosphäre und die photovoltaische Elektrizität. Das ABEP-System beinhaltet einen Massenkollektor und einen Radiofrequenz-Antrieb als sogenanntes Induktives Plasmatriebwerk (IPT). Es basiert auf Heliconwellen. Das sind niederfrequente elektromagnetische Wellen. Nach rein physikalischem Prinzip wird dabei das Plasma durch eine Antenne gezündet und beschleunigt. Daraus entsteht der notwendige Schub für den Satelliten. Eine zylindrische Vogelkäfigantenne kommt dabei erstmals zum Einsatz. Sie wird ursprünglich in der Magnetresonanztomographie verwendet. Da sie sowohl Ionen wie auch Elektronen parallel beschleunigen kann, weist diese Art der Antenne einen besonders hohen Wirkungsgrad auf. Erste Tests mit einem Plasmajet haben diese Annahmen in der Praxis bestätigt.

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Das Geheimnis: Ionen und Neutronen gleichermaßen beschleunigen

Dieses induktive Plasmatriebwerk biete nach Angaben der Forscher die Möglichkeit, mit den unterschiedlichen Bedingungen, wie sie in der Atmosphäre herrschen, umzugehen. Es könne mit variablen Treibstoff-Massenströmen und -Kompositionen umgehen und ließe sich sogar mit aggressivem Treibstoff, zum Beispiel atomarem Sauerstoff, problemlos befüllen. Das Entscheidende dabei sei, dass eben Ionen und Neutronen gemeinsam mit hoher Geschwindigkeit beschleunigt würden, um den Antrieb des Satelliten zu gewährleisten. Dadurch wird der Einbau eines Neutralisators überflüssig.

Unterstützung erhielten die Wissenschaftler der Universität Stuttgart aus dem Forschungs- und Innovationsprogramm „Horizont 2020“ der Europäischen Union.

 

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Ein Beitrag von:

  • Nina Draese

    Nina Draese hat unter anderem für die dpa gearbeitet, die Presseabteilung von BMW, für die Autozeitung und den MAV-Verlag. Sie ist selbstständige Journalistin und gehört zum Team von Content Qualitäten. Ihre Themen: Automobil, Energie, Klima, KI, Technik, Umwelt.

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