Nichts geht bei Nacht und Nebel
Bei vielen Rettungsaktionen ist der Hubschrauber unverzichtbares Hilfsmittel. Doch er ist extrem vom Wetter abhängig. Neue Technologien könnten Abhilfe schaffen.
Vielflieger, die es gewohnt sind, bei Wind und Wetter bequem im Flugzeug zu sitzen und sich möglichst ohne große Verspätung von Flugplatz zu Flugplatz fliegen zu lassen, sind erstaunt, wenn es im Bericht über Rettungseinsätze heißt: „Hubschrauber konnten aufgrund der Witterungsbedingungen nicht eingesetzt werden.“ Doch wenn im gut organisierten Verkehrsfliegeralltag Radar, Luftverkehrskontrolle, instrumentengestützter Landeanflug und viel High-Tech an Bord und am Boden den Einfluß des Wetters auf die Fliegerei immer weiter zurückdrängen, sieht es in einem Helikopter bei Schneestrum und Dunkelheit in einem Alpental ganz anders aus.
Internationale und nationale Gesetze regeln die Fliegerei, genauso wie die Straßenverkehrsordnung das Autofahren regelt. Grundsätzlich wird dabei das Fliegen nach Sichtflugregeln (VFR – Visual-Flight-Rules) und nach Instrumentenflugregeln (IFR Instrumental-Flight-Rules) unterschieden. Alles, was im deutschen und internationalen Luftraum an Linienflügen unterwegs ist, spielt sich nach Instrumentenflugregeln im kontrollierten Luftraum ab.
Ganz anders die Fliegerei mit dem Hubschrauber, die sich abseits der kontrollierten Lufträume an die Sichtflugregeln halten muß. Das heißt, daß der Einflug in Wolken verboten ist (im kontrollierten Luftraum müssen Sicherheitsabstände eingehalten werden) und eine Mindestflugsicht von 800 m gegeben sein muß. Bei Flügen in stark verschneitem Gelände, so Jochen Pieper, Pressesprecher beim Luftfahrtbundesamt (LBA), kommt noch erschwerend hinzu, daß die für eine sichere Landung erforderliche Höhenabschätzung extrem schwierig ist. Durch aufgewirbelte Schneemassen bestehe zudem die Gefahr, daß der Pilot die Orientierung verliert und mit dem Boden oder Hindernissen kollidiert.
Abgesehen von den Sichtbedingungen, stellen Eis, Schnee und gefrierender Regen noch ein anderes Problem für die Fliegerei dar: Es kommt zu Vereisung. Verkehrsflugzeuge besitzen aufwendige Enteisungsanlagen, um die Ablagerung von Eisschichten auf Tragflächen, Leitwerk und Rumpf zu verhindern. Nach Angaben der Fachzeitschrift Rotorblatt gibt es aber nur ganz wenige Hubschraubertypen, die relativ uneingeschränkt für den Flug in Vereisungsbedingungen geeignet sind. Lagert sich Eis auf Rumpf, Rotorblättern und Steuergestänge ab, dann beeinflußt das sowohl das Gewicht als auch die aerodynamischen Eigenschaften und die Steuerbarkeit des Helikopters.
Alles in allem ist der Hubschrauber also bei Nacht, Nebel und Schneefall nicht oder nur sehr eingeschränkt einsetzbar. Kein Wunder also, daß seit Jahren nach technischen Abhilfen gesucht wird. Militär und Polizei versuchen seit langem, mit Infrarot-Sehhilfen oder Restlichtverstärkern den Nachtflug zu erleichtern. Bei schlechten Sichtverhältnissen durch Nebel, starken Regen oder Schneefall sind diese Geräte aber keine Hilfe, da sie ja nur das sichtbar machen können, was auch bei Tage zu sehen ist. Und das ist bei gefährlichen Hindernissen, wie sie Hochspannungsleitungen oder Masten darstellen, gar nicht so einfach.
Bleibt also das Radarprinzip, um wirklich bei fast allen Wetterbedingungen sicher fliegen zu können. Bereits 1997 war eine entsprechende Entwicklungsarbeit unter dem Namen HeliRadar für den Zukunftspreis des Bundespräsidenten nominiert. HeliRadar basiert auf dem aus der Raumfahrt erprobten Prinzip des „Synthetic Aperture Radar“ SAR. Dabei wird eine schnelle Abfolge von Radarbildern von einer kleinen, bewegten Antenne im Rechner zu einem größeren Bild zusammengesetzt, womit ein Bild entsteht, wie von einer fast beliebig großen „virtuellen“ Radarantenne aufgenommen. Bereits in seiner Dissertation hatte Helmut Klausing daran gearbeitet, dieses Prinzip für den Hubschrauber nutzbar zu machen. Das Problem: Da die Antenne senkrecht zur Blickrichtung bewegt werden muß, kann aus einem bewegten Flugkörper nur seitlich herausgesehen werden.
Die Idee, Radarantennen in den Spitzen des Hubschrauber-Rotors unterzubringen, erwies sich als undurchführbar. Also entwickelte Klausing eine kreuzförmige Anordnung von Radarantennen, die über dem eigentlichen Rotor im gleichen Tempo rotieren. Das Prinzip des „Rotating Antennas Synthetic Aperture Radar“ war geboren.
Klausing und seine mitnominierten Partner Günter Braun und Wolfgang Kreitmair-Steck haben das Prinzip dann vor allem mit den Firmen Dasa und Eurocopter weiterentwickelt und in Feldversuchen die Machbarkeit erwiesen. Insbesondere die zum Zusammensetzen der Radaraufnahmen nötige Rechenleistung für den mobilen Einsatz im Hubschrauber war alles andere als trivial zu lösen.
Wann das HeliRadar serienreif ist und in großem Stil eingesetzt werden kann, ist nach Aussagen der beteiligten Unternehmen offen. Erprobungen finden gemeinsam mit dem LBA statt. Sie haben das Ziel, die Praxistauglichkeit des Systems zu erweisen. LBA-Sprecher Pieper: „Aber auch mit einem solchen System wird es für einen Hubschraubereinsatz Grenzen geben, an denen die Sicherheit von Mensch und Material vorgeht.“
JENS D. BILLERBECK
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