Parmitano – Europäer mit italienischem Führerschein
Vor wenigen Tagen kehrte Luca Parmitano von der Internationalen Raumstation zurück. Nach 201 Tagen im All drücke die Schwerkraft auf der Erde noch ein bisschen, erzählte der ESA-Astronaut im europäischen Astronautenzentrum in Köln vor der Presse. Für den 43-jährigen Italiener war „Beyond“ die zweite Mission auf der ISS, mit vielen Experimenten und einer Klima-Mission.
Ins europäische Astronautenzentrum (EAC) nahe dem Kölner Flughafen auf dem Gelände des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt war am vergangenen Samstag vor allem die italienische Presse angereist, zum Teil von weit her. Sie erwarteten „ihren“ Astronauten Luca Parmitano, der nach 201 Tagen im All seine zweite Mission erfolgreich beendet hatte und in Italien ziemlich nahe an das Image eines Superhelden herankommt.
Jan-Dietrich Wörner, Generaldirektor der europäischen Raumfahrtagentur ESA betonte die europäische Komponente der Mission: „Luca Parmitano ist Europäer mit italienischem Führerschein“.
Erster italienischer Kommandant auf der ISS
Am 06.02.2020 war Parmitano gemeinsam mit der NASA-Astronautin Christina Koch und dem Roscosmos-Kosmonauten Alexander Skworzow um 10.12 Uhr (MEZ) in der kasachischen Steppe gelandet. Die drei waren mit demselben Sojus-Raumschiff, mit dem sie am 20.07.2019 – dem 50. Jahrestag der Mond-Landung von Apollo 11 – zur Raumstation aufgebrochen waren, auch zurückgekehrt. Während dieser Mission „Beyond“ war Parmitano der dritte Europäer (nach Frank de Winne und Alexander Gerst) und der erste Italiener, der das Kommando über die Internationale Raumstation übernommen hatte. In unserem Ausblick des Raumfahrtjahres 2019 haben wir Parmitano auch aufgegriffen.
Bei dieser zweiten Mission auf der ISS habe er alles sehr viel bewusster wahrgenommen, sagte Parmitano.
„Beim ersten Mal war ich sehr stark auf mich selbst und auf die Dinge, die ich lernen und erfahren wollte, fokussiert. Ich habe alles aufgesogen wie ein Schwamm. Jetzt konnte ich mehr für das Team da sein und mich auch während meiner Zeit als Kommandant zurücknehmen.“
Neben der Arbeit habe es auch viele emotionale Momente gegeben. Etwa als er beim Blick aus der Kuppel eine sehr seltene Wolkenformation entdeckte und, anstatt wie üblich sofort die Kamera zu zücken, seine Kollegen per Funk auf den besonderen Ausblick hingewiesen habe. „Jessica Meir kam daraufhin angeflogen, freute sich als ISS-Neuling riesig über den grandiosen Ausblick und sie hat dann auch die Fotos gemacht.“
Neuer europäischer Rekord im Weltraumspaziergang
Das werden eher seltene Momente gewesen sein, denn Zahl und Umfang der Experimente, die die Astronauten durchzuführen hatten, waren noch einmal höher als bei den Vorgängermissionen. „Während der 201 Tage an Bord der ISS gab es nur genau drei Mal ein freies Wochenende“, resümierte Parmitano. Zu den besonders aufregenden Arbeiten in 400 Kilometer Höhe zählt Parmitano seine Weltraumspaziergänge. Die waren so umfangreich, dass er nun mit 33 Stunden und 9 Minuten den europäischen Rekord hält für die längste Zeit, die ein Astronaut insgesamt auf Weltraumspaziergängen verbracht hat.
Grund für den langen Außeneinsatz war im November 2019 die Reparatur des Alpha-Magnetspektrometers AMS-02, ein von der Elektronik her hochkomplexes Gerät, mit dem Teilchen kosmischer Strahlung untersucht werden. AMS – in etwa so groß wie ein Wohnwagen – war 2011 installiert worden und benötigte nun ein neues Kühlsystem. Die Reparatur war eine diffizile Angelegenheit, denn die Kühlschläuche waren gerade mal vier Millimeter dick.
„Es war ein bisschen wie im Film“, sagte Jan-Dietrich Wörner schmunzelnd, „wenn die Entschärfer einer Bombe die richtigen Kabel durchtrennen müssen.“
Aber Luca Parmitano und sein US-Partner Andrew Morgan waren sogar schneller fertig als erwartet. Vielleicht hat „Astro Luca“, wie der populäre Astronaut in seiner Heimat heißt, dabei auch an seinen lebensbedrohlichen Außeneinsatz 2013 gedacht. Damals hatte sich Wasser in seinem Helm gesammelt, so dass er vorzeitig und so schnell wie möglich in die ISS zurückkehren musste.
Astronaut sammelt Gesteinsproben auf der Erde
Ebenfalls im November 2019 führte Parmitano das Experiment Analog-1 des DLR-Instituts für Robotik und Mechatronik durch, das schwieriger war als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Bei diesem Versuch konnte zum ersten Mal ein Mensch von der ISS aus einen Roboter auf der Erde in alle Richtungen bewegen und durch eine Rückkopplung selbst die Kräfte wahrnehmen, die der Roboter spürt. Bei dieser Art der Teleoperation sind Roboter und der bedienende Mensch sehr fein synchronisiert, so dass auch filigrane Aufgaben ausgeführt werden können.
Das ist schon auf der Erde nicht einfach, aber im All kommen zwei Herausforderungen hinzu. Die Steuerung wird erstens durch eine hohe und zudem variable Zeitverzögerung von durchschnittlich 800 Millisekunden, mit Ausreißern von bis zu 3 Sekunden, erschwert. Außerdem befindet sich der Astronaut selbst in Mikrogravitation, was seine Sensomotorik und damit auch die Teleoperation beeinträchtigen kann.
Parmitano bediente von der Raumstation aus den Interact-Rover der ESA und ließ ihn durch ein mondähnliches Testgelände im niederländischen Valkenburg fahren. Dort sammelte er Gesteinsproben mit einem Roboterarm. Das Experiment Analog-1 ist das abschließende Glied in einer Kette von Experimenten namens METERON, in denen unter anderem untersucht wird, wie sich intelligente Roboter auf Planetenoberflächen durch Astronauten im Orbit steuern lassen.
Strenge Diät halten für die Wissenschaft
Wird Luca Parmitano gefragt, wie weit es ihn und mit ihm die Menschheit ins All zieht, ist die Antwort klar:
„Unsere Wünsche und Träume treiben uns dorthin wo wir hin wollen, egal ob zum Mond, zum Mars, oder darüber hinaus.“
Schon die Missionsnamen der letzten Jahre ließen einen gewissen Ehrgeiz erkennen, meint Parmitano. „Von „volare“, also fliegen über „proxima“, das nächste und „horizon“, Horizont bis zu „beyond“, dem Namen der gerade zu Ende gegangenen Mission wurden immer entferntere Ziele ins Auge gefasst.
Zugleich betont Parmitano, dass der überwiegende Teil der 50 europäischen Experimente, die er auf der ISS durchführte, vorrangig und sehr direkt den Menschen auf der Erde zugutekomme. So wurde er während eines Ernährungsexperimentes auch selbst zur Versuchsperson. Der sportbegeisterte Parmitano – der sich Tiramisu und Lasagne als Bonus-Essen auf die ISS mitgenommen hatte – unterwarf sich ansonsten einer strengen Diät, in der seine Körperleitfähigkeit gemessen und sein Fett-zu-Masse-Verhältnis überwacht wurde. Die Frage, inwieweit eine sorgfältig abgestimmte proteinreiche Ernährung Auswirkungen auf Muskeln und Knochen hat, ist für die Schwerelosigkeit, aber genauso auch für die Bekämpfung von Osteoporose interessant.
3D-Druck von menschlichem Gewebe im All
In einem anderen Experiment wurde eine Biofabrikations-Anlage getestet. Die Maschine kann biologisches Gewebe in 3D im Orbit drucken. Zwar haben sich die 3D-Biodrucktechniken auf der Erde erheblich verbessert, aber das Drucken von winzigen, komplexen Strukturen, ähnlich dem Inneren von menschlichen Organen, ist durch die Schwerkraft immer noch ausgesprochen schwierig. Das Problem entsteht, wenn das im 3D-Biodruck verwendete Hydrogel bei höheren Temperaturen viskoser wird und deshalb eine Tragkonstruktion benötigt wird. Das wird umso schwieriger je kleiner und komplexer die zu druckende Form wird. In der Mikrogravitation braucht man dagegen keine Gerüststruktur und kann daher auch sehr kleine Gewebeformen drucken.
Parmitano schickt Botschaft zum Weltklimagipfel
Im Dezember 2019 meldete sich Luca Parmitano aber nicht nur als Wissenschaftler zu Wort. Der Sizilianer ist eben nicht nur Testpilot der italienischen Luftwaffe sondern hat auch einen Bachelor-Abschluss in Politikwissenschaft. Zum Weltklimagipfel in Madrid gab es eine Live-Schalte mit UN-Generalsekretär Antonio Guterres.
„Unser Planet ist unglaublich schön und gleichzeitig unglaublich fragil – und es macht Angst und ist sehr traurig, die schrecklichen Auswirkungen des Klimawandels von hier aus zu sehen“, sagte der Kommandant der ISS.
Die Folgen verheerender Hurrikans oder Überflutungen seien von Jahr zu Jahr mit bloßem Auge mehr sichtbar.
Lesen Sie auch:
Mission fehlgeschlagen: Ist Mars One endgültig Geschichte?
Ein Beitrag von: