Datenanalyse in der Luft- und Raumfahrt 22.06.2020, 12:15 Uhr

Planet Labs: Das macht das größte Satellitennetzwerk in Berlin

Planet Labs beobachtet unsere Erde durch Satelliten. Die aufgenommenen Bilder und Daten helfen Landwirten, Behörden oder Städtebauern. SpaceX hat zudem einen weiteren Satz von Starlink-Satelliten zusammen mit drei SkySats von Planet Labs gestartet. INGENIEUR.de hat bei Mike Safyan, Vice President of Launch bei Planet, nachgefragt.

Madrid vom All aus. Satellitenbild Planet

Ein Satellitenbild von Madrid.

Foto: Planet Labs Inc.

ingenieur.de: Inwieweit helfen Satelliten, Veränderungen auf der Erde zu analysieren?

Mike Safyan: Mit unserer Satellitenkonstellation von 150 Satelliten erzeugen wir einen globalen, fast täglichen Strom von Satellitenbildern mittlerer und hoher Auflösung. Dieser riesige Datensatz hilft Forschern, Studenten, Unternehmen und Regierungen dabei, Muster und Anzeichen von Veränderungen auf der Erde zu erkennen und schnelle und fundierte Entscheidungen zu treffen. Mit den neuesten Verbesserungen können die Satelliten von Planet nun Bilder in noch höherer Auflösung aufnehmen und bestimmte Orte bis zu 12 Mal am Tag fotografieren. Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen, kurz NGOs, können die Satellitendaten in verschiedenen Bereichen nutzen: Landwirte können zum Beispiel die Gesundheit ihrer Pflanzen überwachen oder ihre Ernteerträge steigern. Außerdem ist es möglich Vorher-Nachher-Bilder bei Katastrophen zu erstellen. Diese Daten können auch zur Überwachung geopolitischer Ereignisse, zur Verfolgung von Flüchtlingsbewegungen, zur Verbesserung der Grenzsicherheit oder zur Überwachung der Abholzung von Wäldern verwendet werden. Seit Kurzem nutzt auch der Copernicus Notfallmanagementdienst (EMS) die Daten von Planet, um für Notfallmaßnahmen in Katastrophensituationen Kartierungen bereitzustellen, die von geophysikalischen und meteorologischen Gefahren bis hin zu humanitären und vom Menschen verursachten Krisen reichen.

Wie sieht die Umweltkrise von oben aus?

Die Auswirkungen von Umweltkrisen wie Dürren, Entwaldungen oder die Veränderungen von Korallenriffen sind auf unseren Satellitendaten gut sichtbar. Die Satellitenbilder von Planet helfen bei der Beobachtung globaler Veränderungen auf der Erde. Mit Hilfe von maschinellem Lernen ist es möglich, unsere Satellitenbilder in Informationsfeeds umzuwandeln, die Objekte erkennen und klassifizieren, geografische Merkmale identifizieren und Veränderungen im Laufe der Zeit überwachen. Wir arbeiten mit verschiedenen NGOs und Forschern zusammen, um Probleme auf unserer Erde zu lösen. So unterstützt Planet beispielsweise den Allen Coral Atlas, um die Gesamtheit der Flachwasserkorallenriffe der Welt in noch nie dagewesener Detailgenauigkeit zu kartographieren und die Veränderungen dort zu überwachen.

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Die ESA hat kürzlich ein Portal entwickelt, dass die Auswirkungen des Lockdowns in der Corona-Krise aus dem All zeigt. Haben Sie bei sich auch ähnliche Analysen?

Wir führen zwar keine direkte Analyse unserer Satellitenbilder durch, aber wir verfügen über viele Vorher-Nachher-Bilder von Großstädten auf der ganzen Welt. Diese Bilder zeigen etwa einen Rückgang der menschlichen Aktivitäten in der Stadt oder die Ansammlung von Flugzeugen während des globalen Lockdowns. Wir stellen unseren Kunden und Partnern weiterhin erstklassige Satellitenbilder zur Verfügung, damit sie ihre eigenen Analysen zu solchen Themen durchführen können.

Mehr zum ESA-Portal inklusive Covid-19-Dashboard erfahren.

Wie und was vermisst Planet generell?

Planet entwirft, baut und betreibt mittel- und hochauflösende Satelliten (Dove und SkySat) und bietet die Online-Software, Tools und Analysen an, die erforderlich sind, um unsere Daten einer Vielzahl von Nutzern zur Verfügung zu stellen. Wir verwenden einen aus der Software-Branche bekannten, iterativen Ansatz, der als „agile Raumfahrt“ bezeichnet wird. Wir können so kleine, hochleistungsfähige Satelliten zu wesentlich geringeren Kosten als die herkömmliche Luft- und Raumfahrt herstellen. Die Bilder der Dove-Satelliten haben eine Auflösung von 3 bis 5 Metern pro Pixel und die Bilder und Daten der SkytSat-Satelliten haben eine Auflösung von 50 Zentimeter pro Pixel. Die Imaging-Pipeline und die Infrastruktur zur Bereitstellung der Bilder wurden in der Cloud entwickelt. Das neue Tasking Dashboard mit der Programmierschnittstelle (API) sind die neusten Entwicklungen auf dieser Grundlage. Das Tasking Dashboard ist eine neue Benutzeroberfläche, die es Kunden ermöglicht, schnell hochauflösende SkySat-Bilder anzufordern, während unsere neue API einen effizienten, automatisierten Zugriff ermöglicht.

Was unterscheidet Planet Labs von Google Earth?

Planet ist ein Unternehmen für Luft- und Raumfahrt und Datenanalyse. Planet entwirft und baut Satelliten und verkauft Satellitenbildprodukte an Kunden. Google Earth ist ein Computerprogramm, das Satelliten- und Luftbilder aus verschiedenen Quellen – einschließlich Planet – verwendet, um die Erde in einer Online-Plattform zu kartographieren. Im Allgemeinen sind die Daten, die Planet zur Verfügung stellt, aktueller und werden täglich und monatlich aktualisiert. In einigen Fällen können die Satellitendaten in Google Maps Monate oder Jahre alt sein, was dazu führt, dass sie keine wirklichkeitsgetreue Darstellung dessen, was sich am Boden befindet, sind.

Planet_SkySat_BlockIII_1

Arbeiten an einem Planet SkySat Block.

Foto: Planet Labs Inc.

Wem stellen Sie Ihre SkySat-Satelliten-Bilder zur Verfügung?

Wir verfügen über einen breiten Kundenstamm und haben stark darin investiert, die Satellitenbilder allen zugänglich zu machen. Auch Nutzer, die normalerweise keine Satellitenbilder für ihre Arbeit verwendet haben, weil sie zu teuer oder schwierig zu beschaffen waren, können nun so die Bilder von Planet nutzen. Unsere Kunden und Partner stammen aus verschiedenen Branchen wie Regierungen, die Forstwirtschaft, Energie- und Infrastrukturüberwachung, Landwirtschaft und Kartierung. In Europa gehören dazu unter anderem die ESA, Kayrros und BASF.

Planet hat die Auflösung der Bilder optimiert. Wie konnte das erzielt werden?

In nur sechs Monaten haben wir unsere SkySat-Konstellation erfolgreich von einer orbitalen Höhe von 500 Kilometer auf 450 Kilometer abgesenkt, um die räumliche Auflösung unserer SkySat-Bilder von 80 Zentimeter auf 50 Zentimeter zu verbessern. Diese Neuerung ermöglicht es den Kunden, sich einen genaueren Überblick über die sich ändernden Bedingungen vor Ort zu verschaffen, und gibt der Entscheidungsfindung einen detaillierteren Kontext. Das ist besonders relevant für kommerzielle und behördliche Kartierungen, bei denen die Darstellung kleinerer Merkmale wie Straßenmarkierungen sehr wichtig ist.

Wie wird ein SkySat-Satellit gebaut?

Die Dove-Satelliten von Planet werden in unserer eigenen Fabrik entworfen und gebaut. Fast die Hälfte (46 %) der Bauteile für die Dove-Satelliten stammen dabei aus Europa. Die SkySats werden von einem Auftragshersteller gebaut. Seit 2012 wurden insgesamt 18 SkySats gebaut und gestartet.

Wie viele Ingenieure arbeiten bei Ihnen?

Planet hat insgesamt über 450 Mitarbeitende, von denen über ein Viertel in Europa beschäftigt sind. Planet ist ein hochgradig vertikal integriertes Unternehmen und umfasst Ingenieure, Fernerkundungsexperten und ein globales Verkaufs- und Kundenteam.

Wie können Forst- und Landwirtschaft von Satelliten-Bildern profitieren?

Mit Hilfe von Satellitenbildern können illegale Abholzung, Brände oder Waldschäden, etwa durch den Borkenkäfer, verfolgt werden. Es ist möglich, einzelne Waldteile zu beobachten, den Erntefortschritt zu verfolgen und die Waldgesundheit proaktiv zu managen. Die Satellitenbilder unterstützen die Landwirte auch dabei, ihre Pflanzen zu überwachen und Schäden oder Veränderungen frühzeitig zu erkennen. Satellitendaten helfen, die Veränderungen der Vegetation von der Vorsaison bis zur Ernte zu verstehen und bei kontinuierlicher Feldabdeckung effizienter, rentabler und nachhaltiger zu wirtschaften.

Satellitenaufnahme von der Felseninsel Hormus, Iran
Satellitenaufnahme von der Felseninsel Hormus, Iran.

Foto: Planet Labs Inc.

So sieht ein Öl-Terminal in China von Oben aus.
So sieht ein Öl-Terminal in Lanqiao, China, von Oben aus.

Foto: Planet Labs Inc.

Das Southern Museum of Flight in Birmingham, Alabama, USA.
Das Southern Museum of Flight in Birmingham, Alabama, USA.

Foto: Planet Labs Inc.

Aufnahme von Planet: Wärmekraftwerk Mundra im indischen Bundesstaat Gujarat.
Aufnahme von Planet: Wärmekraftwerk Mundra im indischen Bundesstaat Gujarat.

Foto: Planet Labs Inc.

Können Sie auch erkennen, wo Rohstoffe auf der Erde knapp werden?

Ja, die Planet-Satelliten fotografieren nahezu täglich die gesamte Landmasse der Erde und können daher erfassen, wo die Ressourcen auf unserem Planeten knapp werden – etwa sinkende Wasserstände oder von Dürre bedrohten Regionen.

Lesen Sie dazu unseren Überblick: Wo Rohstoffe knapp werden

Wo sehen Sie als Unternehmen die Zukunft der Luft- und Raumfahrt? Stichwort private Raumfahrt durch SpaceX.

Mit dem kürzlichen Start von NASA-Astronauten in einer SpaceX-Rakete hat eine neue Phase der Relevanz und Bekanntheit der privaten Raumfahrt begonnen. Bei Planet sind wir gespannt, welchen Einfluss agile Raumfahrtunternehmen wie SpaceX und Planet in den kommenden Jahren auf den traditionellen kommerziellen Raumfahrtmarkt haben werden.

SpaceX verweist ja auch Planet Labs auf hintere Plätze. Wie konnte es dazu kommen und was tun Sie, um den Anschluss nicht zu verpassen?

Planet betreibt derzeit die größte Flotte von Erderkundungssatelliten der Geschichte. Unsere Satelliten, sowohl Dove als auch SkySat, haben eine ganz andere Mission als die Starlink-Kommunikationssatelliten von SpaceX. Wir sehen sie nicht als konkurrierende Systeme.

Wie finden Sie es, dass nun Starlink-Satelliten im All schwirren? Behindern diese Ihre Arbeit?

Nein. Wir haben eine großartige Beziehung zu SpaceX und starten oft mit ihren Raketen. Erst Mitte Juni haben wir erfolgreich drei SkySats auf der ersten Starlink-Mission von SpaceX gelauncht.

Den gelungenen Start von SpaceX zur ISS, haben wir hier für Sie zusammengefasst

Wie sind Ihre drei NASA-Wissenschaftler 2010 dazu gekommen, Planet zu gründen?

Die drei ehemaligen NASA-Ingenieure haben 2010 Planet mit der Vision gegründet, die Informationen aus dem Weltraum zu nutzen, um das Leben auf der Erde zu verbessern. Das Gründerteam baute unsere ersten Satelliten in einer Garage in Kalifornien mit der Hypothese, dass sie die staatliche Luft- und Raumfahrtindustrie mit einer leistungsstarken, in Massenproduktion herstellbaren und autonom betriebenen Flotte kleiner Satelliten verändern könnten. Außerdem wollten sie die Satellitendaten mehr Menschen zur Verfügung stellen. Die erste Mission von Planet bestand darin, eine Flotte von Satelliten zu starten, die täglich die gesamte Erde abbilden und den Zugang zu Informationen demokratisieren sollte. Im Jahr 2017 erreichte Planet diese erste Mission – den globalen Wandel sichtbar, zugänglich und Veränderungen umsetzbar zu machen.

Ihre beiden Sitze sind in Berlin und San Francisco. Inwieweit unterscheiden sich die Untersuchungen an beiden Orten?

Berlin ist das Technologiezentrum von Planet in Europa und unser zweitgrößtes Büro weltweit. Das Büro beherbergt die Mission Control für unsere Satellitensysteme. Über 100 operative und technische Mitarbeitende betreiben von hier aus die Satellitenkonstellation und verwalten viele Teile der Bildverarbeitung und -bereitstellung. Alle Rohdaten der Fernerkundung werden im Berliner Büro verarbeitet und in die Plattform für Analytik eingespeist. Um im Falle eines globalen Ereignisses reagieren zu können, ist es von Vorteil, ein Hauptquartier sowohl in der pazifischen als auch in der europäischen Zeitzone zu haben. Gebaut werden die Satelliten im Herzen von San Francisco.

Zu Planet Labs Germany in Berlin gehört die Firma RapidEye AG, die von 2009 bis 2020 das Satellitennetzwerk RapidEye Constellation betrieb. Warum jetzt nicht mehr?

Planet kaufte 2015 die kanadische Firma BlackBridge. BlackBridge selbst hatte 2011 die RapidEye AG aufgekauft, einen der ersten deutschen Anbieter von Satellitendaten. Seit der Übernahme flogen die fünf RapidEye-Satelliten für Planet. Nach elf Jahren im Orbit ist die Konstellation nun fast vier Jahre länger in Betrieb gewesen als ihre Konstruktionslebensdauer, und sie hat das bisher größte globale Archiv von Satellitenbildern mit einer Auflösung von fünf Metern pro Pixel hervorgebracht. Nachdem sie ihre Mission erfüllt hatten, haben wir uns in Übereinstimmung mit der Satelliten-Betriebslizenz von Planet entschieden, die Satelliten Ende März 2020 proaktiv außer Dienst zu stellen. Wir fühlen uns den Best Practices der Weltraumforschung und den Vorschriften für Weltraummüll verpflichtet. Wir wollen sicherstellen, dass ein wichtiger, zwischen Industrie, NASA und ESA vereinbarter Sicherheitsstandard eingehalten wird, nämlich, dass jeder nicht funktionierende Satellit innerhalb von 25 Jahren nach seiner Außerdienststellung die Umlaufbahn verlässt, das heißt in der Atmosphäre verglüht. Die Bilddaten, die von den RapidEye-Satelliten gesammelt wurden, werden nun von unseren Dove-Satelliten der neuesten Generation zur Verfügung gestellt, so dass ein nahtloser Übergang für unsere Kunden gewährleistet ist. Das historische RapidEye-Archiv steht weiterhin für Benutzer zur Verfügung, die daran interessiert sind, den Wandel der Zeit zu verstehen.

Von fast 400 Satelliten, die Planet Labs bis Ende 2019 ins All geschickt hat, sind 34 nicht angekommen, weil sie explodiert sind. Worin liegt die Schwierigkeit, eine Vielzahl an Satelliten sicher in den Orbit zu befördern?

Obwohl viele Starts erfolgreich waren, besteht bei einer so komplexen Mission wie einem Raketenstart immer die Möglichkeit des Scheiterns – wir sind uns bei jedem Start der Risiken bewusst. Unser Ansatz besteht darin, diese Risiken zu mindern, indem wir unsere Satellitenflotten mit mehreren Trägerraketen verschiedener Hersteller launchen. Außerdem bringen wir bei jedem Start mehr Satelliten in die Umlaufbahn, als wir benötigen, so dass wir bei einem Ausfall von Satelliten in der Umlaufbahn die Kontinuität sicherstellen.

Danke für das Interview, das wir schriftlich geführt haben.

Mike Safyan ist Vice President of Launch bei Planet. Foto: Planet Labs Inc.

Mike Safyan ist Vice President of Launch bei Planet.

Foto: Planet Labs Inc.

 

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Ein Beitrag von:

  • Sarah Janczura

    Sarah Janczura

    Sarah Janczura schreibt zu den Themen Technik, Forschung und Karriere. Nach einem Volontariat mit dem Schwerpunkt Social Media war sie als Online-Redakteurin in einer Digitalagentur unterwegs. Aktuell arbeitet sie als Referentin für Presse und Kommunikation beim VDI e.V.

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