Raumfahrer Alexander Gerst: Superheld wider Willen wird Chef der ISS
Seinen 42. Geburtstag am 3. Mai wird Alexander Gerst noch auf der Erde verbringen, aber sein größtes Geschenk bekommt er erst am 6. Juni: Zusammen mit der US-Astronautin Serena Auñón-Chancellor und dem russischen Kosmonauten Sergej Prokopjew wird Gerst als Co-Pilot vom Kosmodrom Baikonur in Kasachstan mit einer Sojus MS-09 zur Internationale Raumstation (ISS) starten. Gerst fliegt auf seiner zweiten Reise ins All als Kommandant zur ISS.
Es ist nach der Blue Dot-Mission von 2014 der zweite Start für den deutschen Astronauten. Bevor es in die letzte Phase der Vorbereitungen und in Quarantäne geht, beantwortete Gerst, gut gelaunt und inspiriert wie immer, im Europäischen Astronautenzentrum in Köln die Fragen der Journalisten.
Letzte Trainings und Prüfungen zum manuellen Andocken
Nein, aufgeregt sei er noch nicht. „Einem Astronauten geht es umso besser, je näher der Abflug rückt. Denn dann kann statistisch gesehen immer weniger dazwischen kommen.“ Perfekt vorbereitet ist er natürlich sowieso. Der Zeitplan sieht vor, dass Gerst noch etwa eine Woche im Europäischen Astronautenzentrum auf dem Gelände des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt DLR in Köln verbringt.
Dann geht es für drei Wochen in die Nähe von Moskau, wo auch der Kontakt nach außen bereits limitiert wird. „Dort gibt es noch Trainings und einige Examen, etwa zum manuellen Andocken der Sojus-Kapsel, zu bestehen“, sagt Gerst. Nach einer Woche relativer Ruhe fährt das Team anschließend nach Baikonur in die kasachische Steppe mit Quarantäne und letzten Checks vor dem Start.
Von den 65 Experimenten aus Europa sind 48 mit deutscher Beteiligung
Die Tage auf der ISS, bei der Gerst als erster deutscher Kommandant der ISS fungiert, werden vollgepackt sein mit wissenschaftlicher Arbeit. Von den rund 300 Experimenten während Gersts Mission „Horizons“ kommen 65 aus Europa, davon sind 48 mit deutscher Beteiligung. „Es ist wichtig, dass man sich klarmacht, dass viele dieser Experimente keine Chance hätten, auf der Erde durchgeführt zu werden“, betont Gerst. „Die Mikrogravitation auf der ISS ist für die Forschung etwas ganz Besonderes.“ Ihm persönlich würden vor allem die Experimente Spaß machen, bei denen er als Astronaut zum medizinischen Versuchskaninchen wird, sagt Gerst.
Dazu gehört das Experiment Airway Monitoring, in dem die Menge an Stickstoffmonoxid in der Atemluft der Astronauten gemessen wird, auf der Erde und auf der ISS. Die Ergebnisse sollen dabei helfen, Atemwegsentzündungen besser zu verstehen und bessere Lungentests zu entwickeln.
Ein weiteres Experiment, das auch ganz auf die Person von Alexander Gerst abgestimmt wurde, ist Cimon (Crew Interactive Mobile Companion). Der medizinballgroße Begleiter schwebt durch die Raumstation und soll mit seiner künstlichen Intelligenz eine Interaktion von Mensch und Maschine ermöglichen. Letztlich geht es um die Frage, inwieweit diese Kommunikation zwischen Mensch und Maschine auf der Erde eingesetzt werden kann, etwa im Krankenhaus bei der Diagnostik oder auch, um Stress und seine Auswirkungen auf das menschliche Immunsystem zu reduzieren.
„Die Raumstation steht da wie eine Eins“
Überhaupt sei die gesamte Raumstation eine gut eingespielte Interaktion zwischen Mensch und Maschine, sagt Gerst. „Wir haben eine gute Balance gefunden. Die ISS ist bestens gewartet, sieht aus wie neu und steht da wie eine Eins.“ Jetzt sei die Zeit für den Return-on-Investment gekommen. Deshalb würde es ihn sehr wundern, wenn der Betrieb der ISS nach 2024 eingestellt würde. „Wir befinden uns gerade in der Übergangsphase, in der wir das Feld bestellen, auf dem auch kommerzielle Ideen wachsen können.“
Gerst nimmt ein Stück Berliner Mauer mit
Auf die Frage, welches Fußballtrikot er angesichts der bevorstehenden WM auf die ISS mitnehmen wolle, weicht Gerst mit diplomatischem Geschick aus: „Schauen wir mal.“ Er fühle sich, erklärt er später, mehr wie jemand, dessen Heimat die gesamte Erde ist. Ein wenig national darf es dann doch werden, denn in der Zeitkapsel, die Gerst mitnimmt, befindet sich auf jeden Fall ein Stück der Berliner Mauer. Bei der letzten Mission war ein Stück des Kölner Doms im Astronautengepäck, aber das ist nun an seinen ursprünglichen Platz zurückgekehrt. „Davon habe ich mich persönlich überzeugt.“
Wichtig sei ihm, sich viel Zeit für Kinder- und Nachwuchsprogramme zu nehmen, sagt Gerst. Dazu gehören sicher auch die sozialen Medien, die Gerst während seiner letzten Mission ausgiebig genutzt hat. „Als Kind definiert man den Raum seiner Möglichkeiten an dem, was andere können. Ich will nicht als Superheld dastehen. Wenn die Kinder denken, das kann ich auch, dann ist meine Mission erfüllt.“
Übrigens ist für Gersts leibliches Wohl bei seiner zweiten Mission sehr gut vorgesorgt. Seine Lieblingsspeisen wie Kässpätzle und Maultaschen sind vorgekocht und gut verpackt in Dosen im Gepäck. Wie das ging, lesen Sie hier.
Ein Beitrag von: