Satellit mit fünf Geckos irrt steuerlos durchs Weltall
Der Satellit Foton-M4, vollgestopft mit wissenschaftlichen Experimenten aus aller Welt, fliegt gerade unkontrolliert durchs All und reagiert nicht mehr auf die Befehle der russischen Bodenstation. Mit an Bord: fünf Geckos, deren Sexualverhalten in Schwerelosigkeit untersucht werden soll, und eine deutsch-russische Produktionsanlage für Halbleiter.
Entweder, die fünf Geckos an Bord der Foton-M4-Kapsel haben unter dem Einfluss der Weltraumstrahlung ihr Raumschiff gekapert und bereiten ihre Flucht vor, oder der Satellit, der seit einigen Tagen im Orbit kreist, lässt sich aus anderen Gründen nicht mehr steuern. So oder so: Die russische Raumfahrtbehörde Roskosmos und das ebenfalls russische Raumfahrtunternehmen TsSKB-Progress haben ein Problem. Die Bodenstation hat die Kontrolle über den Forschungssatellit verloren, der vor ein paar Tagen zu einer gut zweimonatigen Mission ins All gestartet ist.
Man empfange zwar weiterhin Daten von der Kapsel, heißt es, allerdings reagiere der Flugkörper nicht mehr auf Funkbefehle von der Erde und sei dementsprechend steuerlos. Es sei derzeit nicht möglich, den Motor zu starten und die Kapsel auf eine höhere Umlaufbahn von knapp 600 Kilometern zu bringen.
Zwei Dutzend Experimente aus aller Welt
Bei dem Foton-M4-Flugkörper handelt es sich um eine für wissenschaftliche Zwecke vorgesehene Kugel mit rund 2,5 Metern Durchmesser, die in den letzten Jahren bereits mehrfach vollgestopft mit wissenschaftlichen Experimenten ins All geschossen wurde – oft unter Beteiligung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), so auch diesmal.
Beim derzeitigen Flug stecken im 4,5 Kubikmeter großen, auf zehn bis 30 Grad Celsius temperierten Innenraum der Kapsel sowie an der Außenhaut etwa zwei Dutzend Experimente aus aller Welt, darunter auch Kristallversuche von Freiburger Halbleiter-Forschern – und die fünf Echsen. Die Tiere wurden auf die Reise geschickt, um ihr Verhalten in annähernder Schwerelosigkeit zu untersuchen: Während des Fluges herrscht weniger als ein Hunderttausendstel der Erdschwerkraft. Besonders auf ihr Sexualverhalten unter Weltraumbedingungen waren die Forscher gespannt.
Den Echsen sollte es außer an Schwerkraft an nichts fehlen, deshalb befindet sich auch genug Futter für zweieinhalb Monate im Gepäck. Und genau hier liegt das Problem der Geckos. Sollte die Bodenstation den Satelliten nicht wieder in den Griff kriegen und wie vorgesehen Ende September gezielt und kontrolliert auf die Erde herunterbringen, droht der Kapsel mit ihren tierischen Insassen ein drei- bis viermonatiger Irrflug durchs All, bevor sie auf die Erde herabstürzt. Und so lange reicht das Futter nicht: Den Tieren droht der Hungertod. Die Kapsel selbst werde einen unkontrollierten Absturz trotz Hitzeschild wahrscheinlich ebenfalls nicht überstehen, befürchtet ein Sprecher des Weltraumunternehmens TsSKB-Progress.
Wissenschaftler empfangen verwertbare Daten
Dennoch rechnen die Wissenschaftler bei den meisten Experimenten an Bord mit verwertbaren Daten: Der Kontaktabbruch betrifft bisher „nur“ die Steuerung. Andere Daten, darunter auch Video-Aufnahmen von den Geckos, funkt der Satellit weiterhin zuverlässig zur Erde. Zumindest einige Versuche liefen normal ab, so der Wissenschaftler Alexander Schelesnjakow, das würden die empfangenen Daten zeigen. Die Apparate, die automatisch arbeiten, würden ihren Dienst wie vorgesehen absolvieren, heißt es. Ob nach der möglicherweise etwas unsanften Rückkehr zur Erde jedoch irgendwelche handfesten Resultate in physischer Form verfügbar sein werden oder ob alles verglüht, steht derzeit buchstäblich in den Sternen.
Das wird besonders traurig für die Herstellung von Halbleitern im Satelliten. Denn die unter Schwerelosigkeit produzierten Kristalle sollen eigentlich nach der Landung auf der Erde untersucht werden.
Doch selbst, wenn es den Russen gelingen sollte, Foton-M4 wie geplant auf die Erde zurückzubringen, wird es voraussichtlich der letzte Flug im Rahmen des Foton-Programms sein. Derzeit werde nach Angaben des DLR in Russland ein neues System untersucht, bei dem der Satellit für sieben Jahre im Orbit bleiben solle. Der Austausch der Proben und Anlagen werde dabei an der Internationale Raumstation ISS stattfinden.
Das heißt, dass dann nur noch die Experimentausrüstung in den Weltraum gebracht werden müsse, was im Rahmen der regulären Versorgungsflüge stattfinden könnte. Damit würden die Startkosten für fast sechs Tonnen Satellitensystem und die Landung nur einmal in sieben Jahren anfallen.
Ein Beitrag von: