Satelliten in Gefahr: Klimawandel lässt Atmosphäre schrumpfen
Der Klimawandel lässt die obere Atmosphäre schrumpfen und verschärft das Problem von Weltraumschrott – mit Folgen für Satelliten und künftige Missionen.

Starlink schießt immer mehr Satelliten in den Orbit (siehe Lichtstreifen am Himmel), doch auch andere Unternehmen und Nationen verstopfen die Atmosphäre. Durch den Klimawandel schrumpft diese, so dass immer weniger Platz für immer mehr Satelliten vorhanden ist.
Foto: PantherMedia / Oleksandr_Gusev
Treibhausgasemissionen beeinflussen nicht nur das Klima auf der Erde, sondern auch die Bedingungen im erdnahen Weltraum. Eine neue Studie zeigt, dass die obere Atmosphäre schrumpft, wodurch der Luftwiderstand sinkt und Weltraumschrott länger in der Umlaufbahn bleibt. Dadurch erhöht sich das Risiko von Kollisionen, was langfristig die nutzbare Satellitenkapazität verringern könnte. Forschende gehen davon aus, dass die Satellitentragfähigkeit der beliebtesten Umlaufbahnen bis 2100 um bis zu 66 % sinken könnte.
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Klimawandel beeinflusst den erdnahen Weltraum
Der Einfluss des Klimawandels endet nicht an der Atmosphärengrenze. Eine neue Studie des Massachusetts Institute of Technology (MIT) zeigt, dass Treibhausgase die Thermosphäre schrumpfen lassen. Die Thermosphäre ist jener Bereich der Atmosphäre, in dem sich die meisten Satelliten befinden. Ihre Verdünnung bedeutet, dass alte Satelliten und Trümmer weniger schnell absinken und verglühen. Das führt dazu, dass immer mehr unkontrollierte Objekte im All verbleiben und die Gefahr von Kollisionen steigt.
„Unser Umgang mit Treibhausgasen in den letzten 100 Jahren auf der Erde wirkt sich darauf aus, wie wir in den nächsten 100 Jahren Satelliten betreiben“, erklärt Richard Linares, einer der Autoren der Studie und Professor am MIT.
Warum schrumpft die Thermosphäre?
Die Thermosphäre ist einer natürlichen Schwankung unterworfen. Alle elf Jahre, mit dem Zyklus der Sonnenaktivität, zieht sie sich zusammen und dehnt sich wieder aus. Doch Forschende entdeckten bereits in den 1990er-Jahren, dass Treibhausgase eine zusätzliche, langfristige Abkühlung verursachen. Während CO₂ und andere Treibhausgase in niedrigeren Atmosphäreschichten Wärme speichern, strahlen sie in größeren Höhen vermehrt Wärme ab. Das kühlt die Thermosphäre und lässt sie schrumpfen.
„Der Himmel stürzt buchstäblich ein – nur mit einer Geschwindigkeit, die im Bereich von Jahrzehnten liegt“, beschreibt William Parker, Hauptautor der Studie.
Weltraumschrott bleibt länger im Orbit
In der erdnahen Umlaufbahn befinden sich über 10.000 aktive Satelliten. Diese sind für zahlreiche Dienste unerlässlich: Internet, Navigation, Wettervorhersagen oder Kommunikation. Mit der steigenden Anzahl an Satelliten wachsen auch die Risiken. Immer häufiger müssen Satelliten Ausweichmanöver durchführen, um Kollisionen zu vermeiden.
Durch die schrumpfende Thermosphäre verlängert sich die Lebensdauer von Weltraumschrott. Normalerweise würde Luftwiderstand alte Satelliten in tiefere Atmosphäreschichten ziehen, wo sie verglühen. Doch mit der sinkenden Dichte der Thermosphäre bleibt der Schrott länger in der Umlaufbahn. Das erhöht das Risiko von Zusammenstößen.
„In den letzten fünf Jahren wurden mehr Satelliten gestartet als in den 60 Jahren davor zusammen“, sagt Parker. „Eine der wichtigsten Fragen, die wir zu verstehen versuchen, ist, ob der Weg, den wir heute einschlagen, nachhaltig ist.“
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Satellitenkapazität sinkt drastisch
Die Forschenden am MIT haben anhand von Simulationen untersucht, wie sich verschiedene Szenarien der Treibhausgasentwicklung auf die Satellitenkapazität auswirken. Dabei analysierten sie, wie sich die atmosphärische Dichte auf den Luftwiderstand auswirkt und welche Folgen das für die Umlaufbahndynamik hat. Ihr Modell zeigt, dass die Zahl der Satelliten, die sicher betrieben werden können, bis 2100 um 50 bis 66 % sinken könnte.
Sollte die maximale Kapazität einer Region erreicht oder gar überschritten werden, droht ein Dominoeffekt. Eine Kollision kann tausende Trümmerteile erzeugen, die wiederum weitere Satelliten treffen. Diese Kettenreaktion wird als Kessler-Syndrom bezeichnet und könnte dazu führen, dass bestimmte Umlaufbahnen langfristig unbrauchbar werden.
Megakonstellationen und ihre Folgen
Besonders betroffen sind niedrige Erdumlaufbahnen, in denen sich sogenannte Megakonstellationen befinden. Unternehmen wie SpaceX haben Tausende von Internetsatelliten ins All gebracht, um Breitbandzugang weltweit anzubieten. Diese großen Satellitenflotten sind jedoch ein Risikofaktor. „Wir zeigen, dass wir aufgrund des Klimawandels eine geringere Kapazität in der Umlaufbahn haben werden“, sagt Linares. „Und in lokalen Regionen nähern wir uns diesem Kapazitätswert bereits heute.“
Um das Problem einzudämmen, sind verschiedene Maßnahmen erforderlich. Einerseits müssen die weltweiten CO₂-Emissionen gesenkt werden, um die Auswirkungen auf die Thermosphäre zu begrenzen. Andererseits benötigt die Raumfahrtbranche bessere Strategien für das Satellitenmanagement. Dazu gehören internationale Regelungen für die End-of-Life-Strategien von Satelliten und effizientere Methoden zur Entfernung von Weltraumschrott.
„Wir verlassen uns darauf, dass die Atmosphäre unseren Schrott beseitigt. Und wenn sich die Atmosphäre verändert, dann verändert sich auch die Schrottumgebung“, betont Parker.
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