Eso-Teleskop 30.11.2021, 14:00 Uhr

Schwarzes Loch: Forschende entdecken ungewöhnliches Paar auf Kollisionskurs

Astronominnen und Astronomen haben ein Paar Schwarzer Löcher entdeckt, die sich aufeinander zu bewegen. Eine derart große Nähe zueinander wurde noch nie zuvor bei Schwarzen Löchern gemessen.

Nah- und Fernansicht des nächsten Paars supermassereicher schwarzer Löcher

Nah- und Fernansicht des nächsten Paars supermassereicher schwarzer Löcher.

Foto: ESO/Voggel et al.; ESO/VST ATLAS team. Acknowledgement: Durham University/CASU/WFAU

Astronominnen und Astronomen haben jetzt zwei Schwarze Löcher entdeckt, die sich aufeinander zu bewegen. Im Laufe der Zeit wird aus den beiden Himmelskörpern wohl ein gigantisches Schwarzes Loch. Es ist das am nächsten gelegene Paar supermassereicher schwarzer Löcher, das jemals beobachtet wurde.

Die beiden Schwarzen Löcher haben die Forscherinnen und Forscher mit Hilfe des Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) gefunden. Es befindet sich in der Galaxie NGC 7727 im Sternbild Wassermann und ist etwa 89 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt. Das ist deutlich näher als das bislang nächste Paar Schwarzer Löcher in 470 Millionen Lichtjahren Entfernung.

Das ist aber nicht der einzige Rekord.

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Denn das Paar in NGC 7727 hat den geringsten Abstand zueinander, der je zwischen supermassereichen schwarzen Löchern beobachtet wurde. Der Abstand zwischen den Himmelskörpern beträgt 1600 Lichtjahre. „Es ist das erste Mal, dass wir zwei supermassereiche schwarze Löcher finden, die so nahe beieinander liegen, weniger als die Hälfte des Abstandes des bisherigen Rekordhalters“, so Karina Voggel, Astronomin am Straßburger Observatorium in Frankreich und Hauptautorin der Studie, die heute in Astronomy & Astrophysics veröffentlicht wurde.

Schwarzes Loch oft im Zentrum massereicher Galaxien

Ein supermassereiches Schwarzes Loch ist oft im Zentrum einer massereichen Galaxie. Wenn zwei Galaxien miteinander verschmelzen, bewegen sich auch schwarzen Löcher aufeinander zu – und gehen auf Kollisionskurs.

„Der geringe Abstand und die Geschwindigkeit der beiden schwarzen Löcher deuten darauf hin, dass sie zu einem gewaltigen schwarzen Loch verschmelzen werden, wahrscheinlich innerhalb der nächsten 250 Millionen Jahre“, sagt Holger Baumgardt, Professor an der University of Queensland in Australien und Co-Autor der Studie.

Astronominnen und Astronomen können anhand ihrer Beobachtung der Frühphase einer solchen Verschmelzung Rückschlüsse darauf ziehen, wie die massereichsten Schwarzen Löcher im Universum entstehen.

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So wie etwa das gigantische Schwarze Loch in der Galaxie Holm 15, die im Zentrum des Galaxienhaufens Abell 85 liegt. Das Schwarze Loch, das 2019 mithilfe von Daten des Wendelstein-Observatoriums der Ludwig-Maximilians-Universität München und mit dem MUSE-Instrument am VLT ausfindig gemacht werden konnte, ist 40 Milliarden mal so massereich wie die Sonne und das bislang massereichste schwarze Loch, das bislang bekannt ist.

Was ist ein Schwarzes Loch?

Ein schwarzes Loch ist ein Gebiet im Weltraum – weist aber keine Oberfläche wie ein Planet oder Stern auf. Materie fällt in diesem Gebiet in sich selbst zusammen. Durch diesen Kollaps konzentriert sich eine extreme Masse auf einem winzigen Raum. Die Anziehungskraft eines Schwarzen Lochs ist so stark, dass ihr nichts entkommen kann. Das betrifft selbst Licht. Schwarze Löcher sind nicht bloßem Auge sichtbar, doch es gibt Anzeichen. Sie wirken auf benachbarte Nebel, Sterne und Galaxien. Wenn diese von scheibenförmigen Ansammlungen von Material umgeben sind, handelt es sich mit höchster Wahrscheinlichkeit um ein Schwarzes Loch. Sterne und Galaxien wirbeln wie ein Strudel um die Schwarzen Löcher, wobei sie Röntgenstrahlung abgeben.

Die Größen der Schwarzen Löcher sind unterschiedlich. Die meisten Gebiete sind nur wenige Male massiver als die Sonne. Die stellare Masse entsteht, wenn das Leben eines massiven Sterns, der etwa zehnmal schwerer ist als die Sonne, in einer Supernova-Explosion endet. Die Überreste dieses Sterns sind immer noch ein Vielfaches der Masse der Sonne. In der Mitte der meisten Galaxien befinden sich supermassereiche Schwarze Löcher. Diese können die milliardenfache Masse der Sonne aufweisen.

Nahaufnahme der beiden hellen galaktischen Kerne in NGC 7727, einer 89 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernten Galaxie im Sternbild Wassermann.

Foto: SO/Voggel et al.

Wenn zwei Galaxien zusammenstoßen, verschmelzen sie zu einer neuen, noch größeren. Ein Beispiel dafür ist die NGC 7727-Galaxie, die auf diesem vom VLT Survey Telescope (VST) der ESO in Chile aufgenommenen Bild porträtiert wird.

Foto: ESO/VST ATLAS team. Acknowledgement: Durham University/CASU/WFAU

Himmelsregion um NGC 7727. Die Galaxie ist der helle Fleck in der Mitte. NGC 7727 beherbergt das Paar supermassereicher schwarzer Löcher, das der Erde bisher am nächsten ist.

Foto: ESO/Digitized Sky Survey 2. Acknowledgement: Davide De Martin

Die beiden jetzt entdeckten Schwarzen Löcher sind nicht ganz so groß. Karina Voggel und ihr Team konnten die Massen der beiden Objekte bestimmen, indem sie untersuchten, wie ihre Anziehungskraft die Bewegung der Sterne um sie herum beeinflusst. Das größere Schwarze Loch, das sich direkt im Kern von NGC 7727 befindet, weist eine Masse auf, die fast 154 Millionen Mal so groß ist wie die der Sonne. Das andere Schwarze Loch ist 6,3 Millionen Sonnenmassen schwer.

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Es ist laut Eso das erste Mal, dass die Massen eines supermassereichen schwarzen Lochs auf diese Weise gemessen wurden. Durch die Messung der Massen mithilfe des Spektroskop-Instruments MUSE am VLT und durch die Verwendung zusätzlicher Daten des Hubble-Weltraumteleskops der Nasa und Esa konnte das Team bestätigen, dass es sich bei den Objekten in der Galaxie tatsächlich um supermassereiche schwarze Löcher handelt. Vermutet hatten Astronomen und Astronominnen das bereits im Vorfeld.

„Unsere Entdeckung deutet darauf hin, dass es viele weitere dieser Relikte von Galaxienverschmelzungen da draußen geben könnte und dass sie viele versteckte massereiche schwarze Löcher enthalten könnten, die noch darauf warten, entdeckt zu werden“, sagt Voggel. „Das könnte die Gesamtzahl der bekannten supermassereichen schwarzen Löcher im lokalen Universum um 30 Prozent erhöhen.“

Die Suche nach weiteren Paaren supermassereicher schwarzer Löcher soll mit dem im Bau befindlichen Extremely Large Telescope (ELT) der Eso, das noch in 2020er Jahren in der chilenischen Atacama-Wüste in Betrieb genommen werden soll, weiter vorangetrieben werden. „Diese Entdeckung eines supermassereichen schwarzen Lochs ist erst der Anfang“, so Mitautor Steffen Mieske, Astronom bei der Eso in Chile.

Was passiert, wenn zwei Galaxien zusammenstoßen?

Was viele überraschen dürfte: Wenn zwei Galaxien zusammenstoßen, kommt es zu keiner echten Kollision. Das liegt daran. dass die Sterne und andere Himmelsobjekte so weit verstreut sind, dass sie nur selten zusammenstoßen. Allerdings wirken die Gravitationskräfte, die beide Galaxien umformen können. Bei der Kollision treffen in erster Linie interstellare Staub- und Gasmassen  aufeinander. Neue Sterne entstehen und alte werden komprimiert. Diese Wechselwirkung zeichnet sich durch feine Schleier ab, sodass es scheint, als würden die Galaxien verschmelzen. Hierbei handelt es sich um sogenannte Materiebrücken, die durch Schwerkraftwirkung von einer zur anderen Galaxie herübergezogen werden.

Das Verschmelzen von Galaxien nennt sich übrigens „galaktischer Kannibalismus“. Wenn sich eine Galaxie einer anderen nähert, umkreist sie diese wie ein Mond. Die Umkreisungen werden immer enger bis es zur Verschmelzung kommt. Centaurus A ist ein Beispiel zweier verschmolzener Galaxien. Sie gehört zu den hellsten Galaxien am Himmel.

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Erst kürzlich Jetzt haben Astronominnen und Astronomen ebenfalls mithilfe des VLT ein kleines schwarzes Loch außerhalb der Milchstraße gefunden. Auch dabei beobachteten sie den Einfluss des Schwarzen Lochs auf die Bewegung eines Sterns in seiner unmittelbaren Nähe.

Das neu entdeckte schwarze Loch wurde im NGC 1850 gesichtet, einem Haufen Tausender von Sternen in der Großen Magellanschen Wolke, die etwa 160.000 Lichtjahren von unserer Galaxie entfernt ist.

„Ähnlich wie Sherlock Holmes, der eine kriminelle Organisation anhand ihrer Taten aufspürt, betrachten wir jeden einzelnen Stern in diesem Haufen mit einer Lupe in der Hand und versuchen, Beweise für die Existenz von schwarzen Löchern zu finden, ohne sie jedoch direkt zu sehen“, sagt Sara Saracino vom Astrophysics Research Institute der Liverpool John Moores University in Großbritannien.

Saracino leitete die Forschung, deren Ergebnisse jetzt zur Veröffentlichung in den Monthly Notices of the Royal Astronomical Society angenommen wurde. „Das hier gezeigte Ergebnis offenbart nur einen der gesuchten Delinquenten, aber wenn man einen gefunden hat, ist man auf dem besten Weg, viele andere in verschiedenen Haufen zu entdecken.“

Ein Beitrag von:

  • Peter Sieben

    Peter Sieben schreibt über Forschung, Politik und Karrierethemen. Nach einem Volontariat bei der Funke Mediengruppe war er mehrere Jahre als Redakteur und Politik-Reporter in verschiedenen Ressorts von Tageszeitungen und Online-Medien unterwegs.

  • Sarah Janczura

    Sarah Janczura

    Sarah Janczura schreibt zu den Themen Technik, Forschung und Karriere. Nach einem Volontariat mit dem Schwerpunkt Social Media war sie als Online-Redakteurin in einer Digitalagentur unterwegs. Aktuell arbeitet sie als Referentin für Presse und Kommunikation beim VDI e.V.

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