Schwerelosigkeit: Forscher untersuchen Reaktion des Immunsystems
Wie beeinflusst die Schwerelosigkeit das Immunsystem im All? Diese Frage wollen DLR-Forscher und Astrounaten mithilfe von Miesmuscheln klären. Genauer: mit deren Zellen. Diese werden auf der Internationalen Raumstation ISS gerade dem Experiment Triplelux-B unterzogen.
Sylter Miesmuscheln nicht auf dem Teller sondern im Weltraum: Bereits im Januar reisten eisige Fresszellen (Hämozyten) der Weichtiere mit einem Dragon-Raumfrachter von Florida zur ISS. Dort untersuchen die Astronauten jetzt, wie sich ein längerer Aufenthalt im Weltall auf das Immunsystem wirbelloser Tiere auswirkt.
Sie verwenden dazu das TripleLux-B-Verfahren, das an der Technischen Universität Berlin von Professor Dr. Peter-Diedrich Hansen und Dr. Eckehardt Unruh entwickelt wurde. Hansen: „Das Experiment soll helfen, die zellulären Abläufe im Immunsystem wirbelloser Tiere unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit und Weltraumstrahlung besser zu verstehen.“
Hämozyten sind die Hauptbeteiligten im Experiment
Hauptakteure der Untersuchungen sind die Fresszellen (Hämozyten) der gemeinen Miesmuschel. Im September 2014 sammelte DLR-Wissenschaftlerin Dr. Sonja Brungs mit der Hand Miesmuscheln auf Sylt ein. Noch vor Ort wurde ihnen Blut entnommen – mit den gefräßigen Zellen darin. „Die Muscheln mussten einen Aderlass über sich ergehen lassen und durften dann wieder ins Wasser zurück“, erklärt Brungs den Vorgang.
Die Hämozyten wurden gereinigt und isoliert sowie auf ihre Vitalität und Brauchbarkeit für das Experiment im All hin untersucht. Nur die besten Fresszellen wurden ausgewählt und dann für den Flug zum Weltall zunächst einmal eingefroren. Fast hätten sie ihren Einsatz verpasst: Auf der ISS sorgte ein defekter Sensor im Biolab des Forschungsmoduls Columbus mit falschen Messwerten dafür, dass die Muschelzellen länger als geplant in diesem erstarrten Zustand blieben.
Erst nachdem Astronautin Samantha Cristoforetti den Sensor austauschte, durfte Triplelux-B am Donnerstag, 19. März 2015, starten. Gerade noch rechtzeitig bevor die vorbereiteten Proben in ihrer Qualität nachgelassen hätten. Das Auftauen dauerte 48 Stunden, dann konnte es losgehen.
Luminol macht den Vorgang durch Lichtblitze sichtbar
Raumfahrerin Samantha Cristoforetti, die auf der ISS auf den deutschen Astronauten Alexander Gerst folgte, fügte dem Sylter Muschelblut im All schließlich Hefezellen hinzu. Diese sollten die Fresszellen dazu anregen, den Fremdkörper zu vernichten und unschädlich zu machen.
Wie die Muschelzellen genau reagieren, zeigt der Farbstoff Luminol. Während sich die Hämozysten durch den Körper der Muschel bewegen, fressen sie die Eindringlinge auf und verdauen sie. Für den Zersetzungsvorgang benötigen sie reaktiven Sauerstoff. Genau dieser Sauerstoff wird mit dem Luminol sichtbar gemacht in Form von Lichtblitzen. Radikale Sauerstoffverbindungen werden dabei freigesetzt.
Sie reagieren mit dem Luminol und präsentieren sich leuchtend. „Man erkennt also mit den Lichtmessungen, wie viel radikalen Sauerstoff die Zelle produziert und wie aktiv sie also bei der Vernichtung der Hefezellen arbeitet“, erläutert DLR-Wissenschaftlerin Brungs das Experiment.
Für die Messung dieser Lichtblitze verwenden die Forscher ein hochempfindliches Messgerät, das von Airbus Defence and Space im Auftrag der Europäischen Raumfahrtagentur ESA unter Mitarbeit der Forscher Hansen und Unruh entwickelt und gebaut wurde.
„Um exakt zu sein: Wir messen die Anzahl der Photonen. Die gibt uns Aufschluss darüber, wie stark oder schwach die Phagozytose abläuft. Daraus wiederum können wir Rückschlüsse ziehen, wie stark oder schwach das Immunsystem beeinträchtigt wird“, erklärt Hansen.
Zeitgleiche Experimente auf der Erde
Zur gleichen Zeit werden auch auf der Erde Vergleichsmessungen in Laboren des DLR-Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin durchgeführt. Damit soll ausgeschlossen werden, dass die Reise ins All zu Verfälschungen der Daten führt.
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