So gefährlich ist der Weltraumschrott für den Flugverkehr
Eine aktuelle Studie der University of British Columbia zeigt, dass die Gefahr durch Weltraumschrott für den Flugverkehr stetig wächst. Mit zunehmenden Raketenstarts und -flügen steigt das Risiko für Störungen und zusätzliche Kosten. Forschende fordern nun ein Handeln der Politik, damit der Luftraum sicher bleibt.
![Blick aus dem Weltraum auf die Erde, die von Schrotteilen unter anderem von Raketen und Satelliten umgeben ist.](https://www.ingenieur.de/wp-content/uploads/2025/02/Gefahr-durch-Weltraumschrott-fuer-den-Flugverkehr-e1738752844595.jpg)
Weltraumschrott stellt eine zunehmend ernste Gefahr für die Flugsicherheit dar. Forschende geben aktuelle Zahlen bekannt.
Foto: panthermedia.net / alejomirandra
Die Ergebnisse einer aktuellen Untersuchung der University of British Columbia (UBC) zeigen: Weltraumschrott stellt eine wachsende Bedrohung für die Luftfahrt dar. Nach Angaben der Forschenden besteht eine jährliche Wahrscheinlichkeit von 26 Prozent, dass Trümmerteile aus dem All in stark frequentierte Fluggebiete eindringen. Obwohl das Risiko einer direkten Kollision mit einem Flugzeug sehr gering ist, bestehe dennoch die Gefahr, dass der unkontrollierte Wiedereintritt von Weltraumschrott den Flugverkehr beeinträchtigt. Darüber hinaus sei mit zusätzlichen Kosten für Airlines und Passagiere zu rechnen.
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Die Studie zieht auch einen Vorfall aus dem Jahr 2022 heran. Dabei veranlasste ein 20 Tonnen schweres Raketenteil die spanischen und französischen Luftfahrtbehörden dazu, Teile ihres Luftraums zu sperren. Ewan Wright, Doktorand an der UBC und Erstautor der Studie, betont die Herausforderungen, die mit plötzlichen Luftraumsperrungen verbunden sind: „Die jüngste Explosion eines SpaceX Starship kurz nach dem Start hat gezeigt, welche Probleme eine plötzliche Sperrung des Luftraums mit sich bringt. Die Behörden richteten eine Sperrzone für Flugzeuge ein, von denen viele umkehren oder ihre Route ändern mussten.“ Vorteil in diesem Fall war, dass man im Vorfeld gut einschätzen konnte, wo die Trümmerteile sich vermutlich bewegen. Bei Weltraumschrott, der unkontrolliert in die Atmosphäre gelangt, habe man diese Informationen dagegen nicht.
Gefahr durch Weltraumschrott: Mehr Raketenstarts erhöhen das Risiko
Doch wie entsteht Weltraumschrott eigentlich? Hauptsächlich kommt er durch Raketenstarts zustande. Sie sind sogar ursächlich dafür, dass oft große Teile von ihnen in der Umlaufbahn zurückbleiben. Erreichen diese übrig gebliebenen Teile eine eher niedrige Umlaufbahn, können sie unkontrolliert in die Atmosphäre eintreten. Der Großteil des Materials verglüht zwar in der Atmosphäre, doch viele Trümmer rasen immer noch mit hoher Geschwindigkeit auf die Erde zu.
Für ihre Studie analysierten die UBC-Forschenden die Anzahl der Flugzeuge am verkehrsreichsten Tag des Jahres 2023 und verglichen sie mit der Wahrscheinlichkeit, dass Raketenteile über verschiedenen Ebenen des Flugverkehrs wieder in die Atmosphäre eintreten. Die Stadt Denver in Colorado, USA, wies an diesem Tag mit etwa einem Flugzeug pro 18 Quadratkilometer die höchste Dichte im Flugverkehr auf. Basierend auf diesem Spitzenwert berechneten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Wahrscheinlichkeit, dass Raketenschrott über verschiedenen Schwellenwerten der Flugverkehrsdichte in die Atmosphäre zurückkehrt.
Weltraumschrott wird mehr, Anzahl der Flugzeuge steigt ebenfalls
Darüber hinaus untersuchten sie Regionen mit 10 Prozent oder mehr der maximalen Flugverkehrsdichte, wie beispielsweise im Luftraum über Vancouver-Seattle. Dabei stellten sie fest, dass mit einer jährlichen Wahrscheinlichkeit von 26 Prozent damit zu rechnen ist, dass Weltraumschritt wieder in die Atmosphäre eindringt. Bemerkenswert ist aber auch, dass der Luftraum über Südeuropa, der 2022 geschlossen wurde, nur fünf Prozent des Spitzenwerts ausmacht. Weltweit besteht in solchen Regionen jedes Jahr eine Wahrscheinlichkeit von 75 Prozent für einen Wiedereintritt.
Im Jahr 2024 fanden 258 erfolgreiche Raketenstarts statt und Fachleute stellten zugleich einen Rekord von 120 unkontrollierten Wiedereintritten von Raketenschrott fest. Derzeit befinden sich noch mehr als 2.300 Raketenkörper im Orbit. Gleichzeitig prognostiziert die International Air Transport Association für 2025 einen Anstieg der Fluggastzahlen um fast sieben Prozent. Diese Zahlen zeigen also, dass Weltraumschrott eine wachsende Gefahr darstellt.
Raumfahrtindustrie gibt Probleme mit Weltraumschrott weiter
Die UBC-Forscher ermittelten zudem die jährliche Wahrscheinlichkeit einer Kollision von Weltraumschrott mit einem Flugzeug, die bei eins zu 430.000 liegt. Wenn die Gefahr durch Weltraumschrott in stark frequentierten Lufträumen besteht, stehen die Luftfahrtbehörden vor einer schwierigen Entscheidung: Entweder erlauben sie die Fortsetzung der Flüge oder sie leiten Maßnahmen ein, indem sie Flüge umleiten oder sogar den Luftraum schließen. Denn auch bei einer geringen Wahrscheinlichkeit muss eine Kollision natürlich unbedingt vermieden werden.
Dr. Aaron Boley, außerordentlicher Professor am Institut für Physik und Astronomie und Co-Autor der Studie, kritisiert, dass die Raumfahrtindustrie ihr Risiko praktisch an Fluggesellschaften und Passagiere weitergibt, statt es selbst zu lösen. Unkontrollierte Wiedereintritte von Raketenkörpern seien aus seiner Sicht eine „Designentscheidung und keine Notwendigkeit“. Stattdessen könnten Raketen so konstruiert werden, dass sie nach dem Einsatz kontrolliert in die Atmosphäre eintreten und harmlos ins Meer stürzen.
Handeln der Politik erforderlich
Die Lösung des Problems erfordert nach Ansicht der Forschenden kollektives internationales Handeln. Länder und Unternehmen, die Satelliten starten, würden nur dann Geld in die Verbesserung ihrer Raketendesigns investieren, wenn alle dazu verpflichtet sind. Deshalb müssen die Regierungen zusammenkommen und neue Standards festlegen, fordern die Forschenden. Aus ihrer Sicht sind mehr internationale Zusammenarbeit und verbindliche Regelungen erforderlich, damit die Sicherheit im Luftverkehr langfristig gewährleistet bleibt und sich die Risiken für Fluggesellschaften und Passagiere verrringern lassen.
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