Space Food für Gerst: So wird auf der ISS geschlemmt
Wenn Alexander Gerst im Juni zum zweiten Mal zur Internationalen Raumstation ISS fliegen wird, darf er sich auf einige kulinarische Höhepunkte freuen. Dann gibt es auch Kässpätzle, Maultaschen und Ofenschlupf mit Zwetschgen statt der üblichen Astronautenkost. Die Gerichte gehören zum Bonus Food, das für jeden Astronauten speziell zubereitet wird.
Die Spezialgerichte machen etwa 10-20 Prozent dessen aus, was die Astronauten in 400 km Höhe auf der ISS an Nahrung zu sich nehmen. Normalerweise wählen sie ihre tägliche Mahlzeit aus 16 Menüs eines Standard-Nahrungsmittelkatalogs aus, der von den Russen und Amerikanern gestellt wird. Ein Dreivierteljahr vor dem Flug muss entschieden werden, wie viel man von diesem oder jenen Gericht mitnehmen will.
Gerst steht auf schwäbische Küche
Hinzu kommen dann die maßgeschneiderten Gerichte, für die die Astronauten Wünsche äußern dürfen und die sie auch vor dem Flug probieren. Bei Alexander Gersts Auswahl wird deutlich, wo seine Heimat liegt. Kässpätzle mit Speck, Linsen und Spätzle mit Würstchen, Maultaschen mit Spinat, Hühnchen-Rahmgeschnetzeltes mit Pilzen und ein Ofenschlupfer mit Zwetschgen als Nachspeise sind bestellt. Die schwäbische Küche passt zu Gerst, der im baden-württembergischen Künzelsau kulinarisch geprägt wurde.
Entwickelt und aufwendig gekocht wurde das weltraumtaugliche Essen in den Labors der LSG Group. Das Unternehmen gehört zu den größten Anbietern für Bordverpflegung und hat auch in Deutschland ein Catering-Tochterunternehmen, das die Lufthansa und Eurowings beliefert. Chefkoch Jörg Hofmann leitet die Abteilung „Culinary Excellence“ und hat die Gerichte für Gerst ausgetüftelt. Der Zeitrahmen von einem Jahr war eng, mussten doch ernährungswissenschaftliche und andere Vorgaben der europäischen Raumfahrtbehörde ESA beachtet werden. Unter anderem muss das Dosenessen, das sowohl auf Englisch als auch auf Russisch beschriftet wird, mindestens zwei Jahre lang ungekühlt haltbar sein. Die Dosen werden in einer Art Toaster erwärmt und die Gerichte dann, wie auf der Erde, mit Messer und Gabel gegessen. Krümel oder Reiskörner, die abhandenkommen und frei schweben, fängt die Filteranlage auf.
Auf 400 km Höhe verändert sich der Geschmackssinn
Eine weitere Herausforderung ist der veränderte Geschmackssinn der Astronauten. Chefkoch Hofmann: „Unser tägliches Geschäft ist das Catering für Fluggesellschaften, die das Essen den Passagieren in zehn Kilometer Höhe servieren. Der veränderte Druck und eine andere Luftfeuchtigkeit wirken sich bereits in dieser Höhe auf den Geschmackssinn aus. In 400 Kilometer Höhe auf der ISS ist dieser Effekt deutlich ausgeprägter.“ Ein veränderter Wasserhaushalt im Körper in der Schwerelosigkeit ist einer der Gründe dafür. Aber warum das Essen anders schmeckt als auf der Erde, ist bisher noch nicht endgültig geklärt.
Die Gerichte müssen deshalb stärker gewürzt werden, allerdings unter sehr sparsamer Verwendung von Salz. Salz wirkt sich negativ auf den Knochenmetabolismus aus, was wiederum dem medizinischen Ziel widerspricht, dass die Astronauten möglichst wenig Muskel- und Knochenmasse während ihres Aufenthalts im All verlieren sollen. Mehr Gewürze, weniger Salz, heißt deshalb die Devise. „Die indische Küche funktioniert in dieser Hinsicht sehr gut“, sagt Jörg Hofmann und auch Gerst hat sich ein indisches Gericht ausgesucht: Indian Butter Chicken mit Basmitareis als Beilage.
„Menschen aus verschiedenen Ländern treffen auf der ISS aufeinander und man kann durch das Essen auch seine Geschichte erzählen“, sagt Jörg Hofmann, der schon bei der Space-Food-Präsentation im Europäischen Astronautenzentrum in Köln am 19. März darauf spekuliert, dass die Maultaschen besonders gut bei der Crew ankommen. Denn das Bonus Food ist zwar für Alexander Gerst gekocht worden, aber man kann sich schließlich auch auf der ISS gegenseitig zum Abendessen einladen. Man erinnere sich nur an die Pizza-Party vom vergangenen Jahr.
Kalorienbombe mit viel Geschmack
Dass die Gerichte wirklich lecker sind, davon konnte sich auch die Autorin dieser Zeilen als Testesserin für ingenieur.de überzeugen. Und äußerst sättigend. Nach einer Dose Spätzle, einer Dose Linsen und einem halben Nachtisch musste sie passen. Zwar waren keine Kalorienangaben auf den Etiketten vermerkt, aber wenige waren es ganz bestimmt nicht. Im All verbraucht der Körper einfach mehr Energie.
Im Juli/August will die Lufthansa auch für Nicht-Astronauten Space Food anbieten. Wer in dieser Zeit einen Interkontinental-Flug in der Business Klasse unternimmt, bekommt eines der Spezialgerichte serviert. Mitsamt Dose als Erinnerung.
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