SpaceX revolutioniert Raumfahrt: Und Elon Musk hat noch größere Pläne
Einst belächelt, hat SpaceX die Raumfahrt revolutioniert. Und Elon Musk, den manche für genial, andere für wahnsinnig halten, hat noch ein viel größeres Ziel. Was steckt dahinter?
Irgendwann wird jemand die Filmrechte kaufen und einen Blockbuster über Elon Musk drehen. Einen Streifen a la „Aviator“ oder „Citizen Kane“. Und in den Filmkritiken wird sicher auch der Name Steve Jobs fallen, schon jetzt wird der Tesla-Chef immer wieder mit dem Apple-Gründer verglichen.
Falls alles nach Plan läuft, werden ein paar von uns den Film dann vielleicht auf dem Mars sehen. Denn da werden innerhalb des nächsten Jahrhunderts Menschen leben, das ist die große Idee von Elon Musk und hinter seinem Weltraumunternehmen SpaceX. Mit seinem Internet-Unternehmen Zip2 hatte Musk ein riesiges Vermögen verdient, das er kurzerhand in die Gründung von SpaceX investierte. Als Musk die Firma 2002 gründete, wurde das von nicht wenigen als Schnapsidee belächelt.
SpaceX-Chef Elon Musk: Exzentrische Auffälligkeiten
Und auch heute nimmt nicht jeder Elon Musk ernst, er ist das, was man eine schillernde Persönlichkeit nennt. Bisweilen arg exzentrische Verhaltensweisen liefern regelmäßig Stoff für den Boulevard. Etwa zuletzt, als tagelang gerätselt wurde, wie denn der merkwürdige Name X Æ A-XII seines jüngsten Kindes ausgesprochen wird (die Lösung ist übrigens „X-Ash-A-Twelve“, was es nur geringfügig weniger merkwürdig macht). Oder als er wüst gegen die Ausgangsbeschränkungen wegen der Corona-Pandemie wetterte.
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Zusammengefasst: Manche halten Elon Musk für ein Genie, andere für jemanden an der Grenze zum Wahnsinn. So oder so – und selbst, wenn der große Marsplan doch nicht Realität wird – ist inzwischen unstrittig, dass SpaceX keine Schnapsidee war, sondern die Raumfahrt maßgeblich vorantreibt. Und mit dem Starlink-Projekt, bei dem SpaceX Tausende Satelliten ins All schickt, könnte gar das Internet noch einmal völlig revolutioniert werden. Und der jüngste Start in Cape Canaveral, von wo aus zwei Nasa-Astronauten in einer Falcon-9-Rakete beziehungsweise im Crew-Dragon-Raumschiff zur ISS geflogen sind, war eine Art letzte Generalprobe. Jetzt ist klar: SpaceX kann die USA, die jahrelang von Russlands Sojus-Raketen abhängig waren, wieder ins All bringen. Boeing hatte das mit seinem Starliner bislang nicht geschafft. Was ist das Geheimnis dahinter?
SpaceX: „Der technische Ansatz ist in der Branche ungewöhnlich“
„SpaceX und Elon Musk haben das Ziel, den Mars zu einer dauerhaften und autarken Kolonie der Menschheit zu machen. Diesem Ziel ist alles andere im Unternehmen untergeordnet“, sagt Stefan Linke vom Institut für Raumfahrtsysteme an der Technischen Universität Braunschweig.
Die Satellitenstarts und Missionen für die Nasa dienten dazu, die nötige Technologie für das eigentliche Ziel zu entwickeln und Einnahmen für das Marsprojekt zu generieren. „Der technische und organisatorische Ansatz von SpaceX ist in der Raumfahrtbranche ungewöhnlich und basiert auf Pragmatismus und langfristiger Zielorientierung. Es wird sehr früh in einem Programm Hardware gebaut und getestet, anstatt sich mit jahrelangen Simulationen aufzuhalten“, so Linke. Die Weiterentwicklung der Technik erfolge im realen Betrieb. Zum Beispiel bei der Landetechnik der Falcon 9: Deren Testprogramm wurde mit jeder neuen kommerziellen Mission weitergetrieben, statt die ausgebrannten Stufen ungenutzt ins Meer fallen zu lassen.
SpaceX wurde 2002 von Tesla-Chef Elon Musk gegründet, der damals mit den Internetunternehmen Zip2 und PayPal Hunderte Millionen US-Dollar Gewinn gemacht hatte und in die Gründung des Raumfahrtunternehmens investierte.
Ein Ziel von SpaceX: Die Entwicklung von Technologien, die eine Kolonisierung des Mars ermöglichen. Inzwischen ist SpaceX mit seiner Rakete Falcon 9 und dem Raumschiff Dragon zu einem wichtigen Versorger der Internationalen Raumstation (ISS) geworden.
Auch bemannte Flüge gab es: SpaceX hat Astronauten zur ISS gebracht, ab 2021 sollen auch Weltraumtouristen Plätze buchen können.
Mit seinem Starlink-Projekt ist SpaceX inzwischen auch der weltgrößte private Satellitebetreiber.
„Ähnliche Ansätze sind jetzt beim Starship-Programm zu sehen: Es wird auf relativ einfache und robuste Technik gesetzt, das System ist kommerziell nutzbar und es wird von Anfang an Hardware mit zunehmender Komplexität entwickelt, die bis zum Versagen getestet wird“, sagt Linke.
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SpaceX-Satelliten bergen Risiko
Doch der große Pragmatismus kann auch Schattenseiten haben. Das Starlink-Projekt von SpaceX etwa sehen viele als technischen Segen, aber bisweilen steckt im Segen auch ein Fluch. Bis zu 42.000 Satelliten will SpaceX langfristig im Orbit haben, 500 sind es bereits jetzt. Unternehmen wie Oneweb waren mit ähnlichen Projekten einst gescheitert. „SpaceX setzt auch bei Starklink auf die Prozesse, die das Unternehmen so erfolgreich gemacht haben. Die Satelliten kombinieren moderne Technik, sind sehr klein und leicht und so konstruiert, dass 60 Stück davon mit einem einzigen Falcon 9-Start in den Orbit transportiert werden können. Die erste Stufe dieser Falcon 9 hat dann immer noch ausreichend Treibstoffreserven, um zu landen und für den nächsten Start genutzt zu werden. Diese Kombination macht es SpaceX möglich, die Konstellation zu viel geringeren Preisen aufzubauen, als das andere können“, sagt Stefan Linke.
Aber: Wenn nur ein Satellit ausfällt und nicht mehr steuerbar ist, drohen gefährliche in einer Kettenreaktion gefährliche Kollisionen – Experten sprechen vom Kessler-Effekt.
„Das ist in der Tat beängstigend“, sagt Sabine Klinkner vom Institut für Raumfahrtsysteme an der Uni Stuttgart.
„Betreiber solcher Konstellationen erklären zwar, dass sie sicherstellen, dass nur eine geringe Prozentzahl der Satelliten ausfallen. Aber wenn man das auf Tausende Satelliten bezieht, dann steuern wir unausweichlich auf den Kessler-Effekt zu.“ Einzelne Satelliten, die ausfallen und entsprechend nicht mehr entsorgt werden können, seien ein „wahnsinnig großes Risiko“, so Klinkner.
Starlink-Satelliten: Gewisser Prozentsatz wird ausfallen
Das sieht auch Carsten Wiedemann von der Technischen Universität Braunschweig so. Er beschäftigt sich am Institut für Raumfahrtsysteme mit dem Thema Weltraumschrott. „Bei Tausenden oder Zehntausenden Objekten müssen wir davon ausgehen, dass da ein gewisser Prozentsatz ausfällt. Das steckt ja auch schon in der Idee solcher Megakonstellationen: Statt wenige sehr teure Satelliten fliegen zu lassen, baut man lieber viele günstige kleine. Und wenn einer ausfällt, übernimmt ein anderer. So kann man in eine günstige Serienproduktion einsteigen und dann tragen sich die Projekte auch finanziell.“
Enrico Stoll, der am selben Institut der TU tätig ist, sieht es ähnlich: „Der Weltraummüll ist ein großes Problem. Aufgrund der Fließbandproduktion und der damit sinkenden Kosten nimmt man auch größere Ausfallraten in Kauf.“
Elon Musk scheint das Risiko jedenfalls in Kauf zu nehmen, vielleicht mit Blick auf sein großes Ziel. Viele halten das inzwischen für durchaus realistisch: Innerhalb der nächsten 20 Jahre könnten Menschen auf dem Mars sein und in den nächsten 100 Jahren vielleicht sogar dauerhaft dort leben. Die nötigen Ideen hat SpaceX nicht zuletzt auch dank zahlreicher Top-Ingenieure und Wissenschaftler, etwa der Ingenieurin Gwynne Shotwell, die als Macherin hinter SpaceX gilt. Für viele ist es ein Traumjob, für die Firma zu arbeiten, die die Welt verändern will – auch wenn Musk oft als schwieriger und verbissener Chef beschrieben wird, der seinen Mitarbeitern einiges abverlangt.
Aber das werden wir dann alles eines Tages vielleicht in der Verfilmung sehen. Hier oder auf dem Mars.
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