Spinnen im Weltall: Forschende beobachten verblüffendes Verhalten
Spinnen bauen ihre Netze in der Schwerelosigkeit anders als auf der Erde. Durch Zufall machten Forschende noch eine andere erstaunliche Beobachtung.
Für Arachnophobiker ist diese Geschichte nun wirklich zu viel: Spinnen im Weltall. Klingt wie der Titel eines potenziell mäßig sehenswerten Science-Fiction-Horrorstreifens aus den 90ern, beschreibt aber überdies eine bemerkenswerte Kette von Fehlschlägen, die am Ende unerwartet zu wissenschaftlichen Erkenntnissen führte.
Manchmal läuft einfach nichts nach Plan. 2008 startete die US-Raumfahrtagentur Nasa ein spektakuläres Spinnenexperiment. Die Forschenden wollten wissen: Wie sehen die Netze von Spinnen aus, wenn sie in der Schwerelosigkeit gebaut werden?
Weltall: Sind Spinnennetze dort symmetrischer?
Hier auf der Erde sind Spinnennetze in der Regel asymmetrisch, ihr Zentrum ist zum oberen Rand hin verschoben. Dort harren die Spinnen mit dem Kopf nach unten aus: In Richtung Boden können sie wegen der Schwerkraft schneller zu ihrer Beute gelangen.
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Doch wie verhalten sich die Tiere, wenn es keine Schwerkraft gibt? Die Fragestellung zum Experiment klingt einfach, birgt aber Tücken – und die Durchführung erwies sich als äußerst nervenaufreibend. Die Nasa schickte zwei Spinnen verschiedener Arten zur Internationalen Raumstation ISS. Die eine Spinne sollte im Experimentierkasten beobachtet werden, eine zweite flog als Reserve mit, separiert vom anderen Tier. Eigentlich. Denn die Reservespinne bracht aus ihrer Kammer aus und gelang in die Hauptkammer.
Spinne bricht auf der ISS aus
Einfangen konnten die Wissenschaftler das Tier nicht, weil sie den Experimentierkasten aus Sicherheitsgründen nicht öffnen durften. Die beiden Spinnen störten sich gegenseitig beim Netzbau in der Kammer und bauten nur wirre Netze.
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Es blieb nicht das einzige Missgeschick. Die Fliegen, die den Spinnen als Nahrung dienen sollten, vermehrten sich viel stärker als gedacht. Nach wenigen Wochen bedeckten sie die Scheiben des Kastens derart, dass die Spinnen nicht mehr zu sehen waren. Der wissenschaftliche Erkenntnisgewinn für die Forschenden: gleich Null.
Erneutes Missgeschick beim Experiment
2011 bekam Paula Cushing vom Denver Museum of Nature & Science, die an der Planung des Experiments beteiligt war, eine zweite Chance. Diesmal zog die Forscherin den Biologen Samuel Zschokke von der Universität Basel zurate, einem Spezialisten für Spinnennetze. Vier Spinnen nahmen am Experiment teil: Zwei flogen zur ISS, zwei blieben gewissermaßen als Vergleichsgruppe auf der Erde.
Erneut hätte der Spinnenfluch beinahe das Experiment vermasselt: Eigentlich wollten die Forschenden vier Weibchen verwenden. Doch zwei der Spinnen entpuppten sich als Männchen. Immerhin: eines der Männchen war im All, eines auf der Erde.
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Dann erlebten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine Überraschung, die sie jetzt in einer Studie beschreiben. Denn die Spinnen im All verhielten sich anders als erwartet.
Forschende werten 15.000 Bilder aus
Zschokke, Cushing und Stefanie Countryman vom Forschungszentrum BioServe Space Technology der University of Colorado werteten fast 15.000 Bilder aus, die auf der ISS von den Spinnen gemacht worden waren. Tatsächlich waren die Netze, die in der Schwerelosigkeit gebauten Netze symmetrischer als die auf der Erde. Das Zentrum der Netze lag nicht zum oberen Rand hin versetzt und die Weltraum-Spinne verweilte nicht immer mit dem Kopf nach unten.
Aber: Nicht allein die Schwerelosigkeit hatte einen Effekt auf ihr Verhalten. Mal war das Licht in der Nähe des Experimentierkastens angeschaltet, mal nicht – reiner Zufall. Doch die Forschenden bemerkten, dass genau das einen Unterschied machte. Denn die Netze, die die Spinnen auf der ISS bei Lampenlicht bauten, waren ähnlich asymmetrisch wie die Netze auf der Erde.
Effekt des Lichts in der Schwerelosigkeit
„Dass Licht für die Orientierung der Spinnen im Raum eine Rolle spielt, hätten wir nicht vermutet“, sagt Zschokke, der die Ergebnisse zusammen mit seinen Kolleginnen kürzlich im Fachjournal „Science of Nature“ veröffentlicht hat. „Wir hatten großes Glück, dass die Lampen oben an der Kammer angebracht waren und nicht auf verschiedenen Seiten. Sonst hätten wir den Effekt des Lichts auf die Symmetrie der Netze in Schwerelosigkeit nicht feststellen können.“
Die Erkenntnis ist absolut neu, denn weil Spinnen auch im Dunkeln Netze bauen, war man davon ausgegangen, dass Licht bei der Orientierung für sie keine Rolle spielt.
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