Weltraumstrahlung 28.09.2020, 11:46 Uhr

Mond: Forscher messen riskante Strahlung für den Menschen

Der Mond fasziniert uns. In den kommenden Jahren wollen verschiedene Nationen den Trabanten weiter untersuchen und Astronauten auf diese Mission schicken. Doch die Weltraumstrahlung ist ein erhebliches Risiko. Erste Messungen bestätigen dies.

Mond mit Sternen und Nebel

Die Weltraumstrahlung ist auf dem Mond ein starkes Risiko für Astronauten.

Foto: panthermedia.net/vencav

2019 jährte sich die Mondlandung zum 50. Mal. Mehr dazu lesen Sie in unserer Reihe, die sich unter anderem dem historischen sowie aktuellen Wettlauf zum Mond widmet. Lange Zeit war es ruhiger um den faszinierenden natürlichen Satelliten der Erde, doch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten wollen diverse Nationen den Mond weiter erforschen. Astronautinnen und Astronauten sollen auf den Mond geschickt werden. Die NASA plant 2024 Menschen auf den Mond zu bringen. Dort soll eine permanente Basis aufgebaut werden.

Allerdings ist die Weltraumstrahlung auf dem Mond ein starkes Risiko. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Forschung des Raumfahrtmanagements im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).

Strahlung auf dem Mond ist höher als erwartet

Die Apollo-Astronauten trugen sogenannte Dosimeter mit sich, welche die Strahlenbelastung rudimentär maßen. In der Ausgabe des Fachmagazins „Journal Science Advances“ vom 25. September 2020 berichten chinesische und deutsche Wissenschaftler über die ersten zeitlich aufgelösten Messungen der Strahlungen auf dem Mond.

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Dazu wurde das „Lunar Lander Neutron and Dosimetry“ (LND) im Auftrag des Raumfahrtmanagements im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel entwickelt und gebaut. Die Messungen ergeben die Berechnung der sogenannten Äquivalentdosis. Diese schätzt die biologischen Effekte der Weltraumstrahlung auf den Menschen ab.

„Die von uns gemessene Strahlenbelastung ist ein gutes Maß für die Strahlung innerhalb eines Astronautenanzuges“, meint Thomas Berger vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Köln, Mitautor der Publikation.

“Wir Menschen sind eben nicht wirklich gemacht für die Weltraumstrahlung”

Die Messungen ergeben eine Äquivalentdosisleistung von etwa 60 mikro-Sievert pro Stunde. Auf dem Mond beträgt sie demnach circa 1.440 Mikrosievert pro Tag. Das sei laut den Forschern etwa zwei bis drei Mal so viel wie auf der ISS.

Die Wissenschaftler setzen das Ergebnis zudem in Relation zu einem Langstreckenflug von Frankfurt nach New York. Auf diesem Flug ist die Äquivalentdosisleistung circa 5- bis 10-mal kleiner. Die Strahlung auf der Mondoberfläche ist sogar 200-mal höher als auf der Erde. Astronautinnen und Astronauten sind deutlich länger auf dem Mond als Passagiere auf dem Weg nach New York und zurück. Die Belastung für den Menschen ist also extrem hoch, so Robert Wimmer-Schweingruber von der Kieler Universität. Sein Team hat das Messinstrument mitentwickelt und gebaut.

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Das Sievert ist eine Maßeinheit, die im Strahlenschutz vor ionisierender Strahlung verwendet wird. Benannt wurde die Einheit nach dem schwedischen Mediziner und Physiker Rolf Sievert. Sievert wird als Maßeinheit für die Äquivalentdosis verwendet. (Einheitzeichen Sv).

„Wir Menschen sind eben nicht wirklich gemacht für die Weltraumstrahlung. Allerdings können und sollten sich Astronauten bei einem längeren Aufenthalt auf dem Mond möglichst vor ihr abschirmen, zum Beispiel indem sie ihre Behausung mit einer dicken Schicht Mondgestein bedecken“, erklärt Wimmer-Schweingruber.

Mondgestein kann also helfen, Astronauten vor der gefährlichen Strahlung zu schützen? „Bei Langzeitaufenthalten auf dem Mond könnte das Risiko der Astronauten für Krebs und andere Erkrankungen gesenkt werden“, erklärt Mitautorin Christine Hellweg vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt.

Die ESA untersucht schon länger mit ihrem Teilchenbeschleuniger mögliche Schutzschilde für Astronauten. Insgesamt sei ein Aufenthalt unter diesen Bedingungen für zwei Monate sicher.

Bild „Lunar Lander Neutron and Dosimetry“ (LND)
Das „Lunar Lander Neutron and Dosimetry“ (LND).

Foto: Stefan Kolbe, Uni Kiel

Chang’e-4 Mondlandesonde
Die Chang’e-4 Mondlandesonde aufgenommen vom Rover Yutu-2. Das Kieler Messgerät befindet sich links hinter der Antenne.

Foto: © CNSA/CLEP

Exkurs: Wie hoch ist die Strahlenbelastung im Alltag?

Wir leben seit jeher in einer „strahlenden“ Umwelt. Natürliche und zivilisatorische Strahlenquellen führen zu einer Belastung. Fachlich nennt man das eine Strahlenexposition. Die Dosis ist dabei ein Maß für die Exposition. Eine Röntgenaufnahme beim Zahnarzt führt genauso zu einer Strahlenbelastung wie ein Flug in den Urlaub. Aufgrund der Höhe geht diese Belastung auf eine kosmische Strahlung zurück. Noch heute sind radioaktive Stoffe, die durch den Reaktorunfall von Tschernobyl 1986 in die Atmosphäre gelangten, nachweisbar. Zeitzeugen berichten hier.

Welcher Strahlenbelastung setzen wir uns im Alltag aus? Die gemessene Dosisleistung ist die Summe aus natürlicher Bodenstrahlung und kosmischer Strahlung. Eine Dosisleistung von 0,1 Mikrosievert pro Stunde stellt eine typische gemessene natürliche Dosis dar. Daraus ergibt sich eine Gesamtdosis von circa 1 Millisievert im Jahr. Doch die jährliche natürliche Strahlenbelastung einer in Deutschland lebenden Person beträgt im Durchschnitt 2,1 Millisievert im Jahr. Je nach Wohnort und Lebensgewohnheiten reicht sie bis zu zehn Millisievert.

Messungen wurden an Bord der Mondlandesonde Chang’e-4 gemacht

Die chinesische Mondlandesonde Chang’e-4 landete am 3. Januar 2019 auf der Rückseite des Mondes. Seitdem nimmt sie die Messungen der Strahlungen auf. Das Kieler Gerät misst „tagsüber“ und bleibt, wie alle anderen wissenschaftlichen Geräte, während der sehr kalten und fast zwei Wochen dauernden Mondnacht ausgeschaltet, um Energie zu sparen. Gerät und Lander sollten mindestens 12 Monate lang messen und haben dieses Ziel nun bereits übertroffen. Die Daten des Gerätes und des Landers werden über den Relaissatelliten Queqiao, der sich hinter dem Mond befindet, zur Erde übertragen.

Die gewonnenen Daten weisen vor dem Hintergrund zukünftiger interplanetarer Missionen Relevanz auf. Da der Mond weder ein schützendes Magnetfeld noch eine Atmosphäre besitzt, ist das Strahlungsfeld auf der Oberfläche dem im interplanetaren Raum ähnlich, abgesehen von der Abschirmung durch den Mond selbst.

„Deshalb werden die Messungen des LND auch verwendet, um Modelle zu überprüfen und weiterzuentwickeln, die für zukünftige Missionen eingesetzt werden können. Wenn zum Beispiel eine bemannte Mission gen Mars aufbricht, kann durch die neuen Erkenntnisse vorab die erwartete Strahlenexposition verlässlicher abgeschätzt werden. Dabei ist es wichtig, dass der Detektor auch gewisse Rückschlüsse auf die Zusammensetzung des Strahlungsfeldes zulässt“, so Wimmer-Schweingruber.

Wie gefährlich ist kosmische Strahlung?

Die kosmische Strahlung gehört zu den unsichtbaren Größen im All. Sie besteht aus einzelnen Protonen und aus Atomkernen von Helium sowie von schwereren Elementen wie Kohlenstoff und Eisen. Die Energie dieser Strahlung ist extrem hoch, doch auf der Erde bemerken wir sie nicht, wie der Heidelberger Physiker Werner Hofmann erklärt.

„Unser Körper besteht aus Atomen, und um diese Atome fliegen Elektronen rum. Und die Bahnen, auf denen die Elektronen rumfliegen, die sind tausendmal größer als der Durchmesser des Atomkerns. Da kann ein weiterer Atomkern durchfliegen, ohne dass etwas passiert. (…) Unser Körper ist darauf eingerichtet, (…). Und die Strahlendosen, die Sie hier auf der Erde abkriegen, eben durch die kosmische Strahlung, die sind so harmlos, das merken Sie nicht.“

Im All ist die kosmische Strahlung aber vielfach gefährlicher. Daher sollen Raumanzüge und spezielle Strahlenschutzräume Astronauten vor der gefährlichen Strahlung schützen.

Die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel erforscht seit über 50 Jahren, wie die Weltraumstrahlung entsteht, sich durch das All ausbreitet und wie gefährlich sie für Astronautinnen und Astronauten ist. Neben dem Kieler Gerät auf dem Mond, misst ein weiteres Instrument seit dem 6. August 2012 die Strahlung auf dem Mars.

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Eine deutsche Astronautin sucht man in der Historie der Raumfahrt vergebens. Doch Suzanna Randall hat fest vor, 2021 zur ISS zu fliegen. Wie ihr das gelingen will und mit welchen Herausforderungen sie zu kämpfen hat, hören Sie in dieser Podcast-Folge.

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Ein Beitrag von:

  • Sarah Janczura

    Sarah Janczura

    Sarah Janczura schreibt zu den Themen Technik, Forschung und Karriere. Nach einem Volontariat mit dem Schwerpunkt Social Media war sie als Online-Redakteurin in einer Digitalagentur unterwegs. Aktuell arbeitet sie als Referentin für Presse und Kommunikation beim VDI e.V.

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