Stromversorgung an Bord auch bei Totalausfall der Motoren
So mancher, der die extrem langen Überwasserstrecken zwischen Ostasien und Nordamerika fliegt, hat dabei ein mulmiges Gefühl. Was geschieht, wenn ein Triebwerk ausfällt? Ja, und wenn dann auch noch der zweite Motor stehenbleibt? Boeing hat bei der neuesten Version seines Dreamliner-Jets auch für diesen unwahrscheinlichen Fall vorgesorgt.
Der zweimotorige Dreamliner von Boeing hat in seiner neuesten Version 787-9, die vor allem für besonders lange Überwasserstrecken des Pazifiks gedacht ist, doppelt vorgesorgt. Neben der üblichen Hilfsturbine gibt es noch eine Notfall-Turbine, die zumindest die Stromversorgung an Bord während eines Totalausfalls aller Motoren sichern soll.
Die Boeing 787-9 hat große Reichweite für Langstreckenflüge
15.400 Kilometer weit kann die 787-9 voll beladen mit 280 Passagieren, Gepäck und Fracht fliegen. Damit kann sie von nahezu jedem ostasiatischen Flughafen nonstop beinahe jeden nordamerikanischen Flughafen erreichen – beispielsweise von Singapur aus New York. Anfang Juli beginnt die Auslieferung der jetzt von den amerikanischen und europäischen Behörden FAA und EASA zugelassenen Maschine.
Fast sensationell ist dabei, dass das Flugzeug von Anbeginn an auch die so genannte ETOPS-Genehmigung (extended operations) hat. Je nach der Befüllung mit dem Feuerbekämpfungsmittel Halon darf die 787-9 bis zu 240 Minuten oder maximal 330 Minuten von der nächstgelegenen Notlandemöglichkeit entfernt fliegen. Damit werden optimale Flugrouten über den Pazifik möglich, während die meisten anderen Flugzeuge sich nur sehr viel enger im Umkreis der Notlandeplätze bewegen dürfen.
Erstaunlich bei der 787-9 ist nicht nur die extreme Höchstflugdauer bis zu einem Notfalllandeplatz von fünfeinhalb Stunden, sondern genauso, dass dieser Dreamliner diese Genehmigung sofort erhalten hat, während andere neue Typen häufig erst einmal ihre Betriebszuverlässigkeit unter Beweis stellen müssen.
Dreamliner gilt als äußerst zuverlässig
Darin schlägt sich nieder, dass sich die bisherige Dreamliner-Version, die schon länger fliegt, trotz einiger Pannen wie etwa mit den ersten Lithium-Ionen-Batterien als äußerst zuverlässig herausgestellt hat. Von der Dreamliner-Version 787-9 sind bislang 413 Maschinen von 26 Fluggesellschaften bestellt worden. Boeing hofft, dass die 787-9 die absatzstärkste Version des Langstreckenfliegers wird. Bislang entfallen rund 40 Prozent aller Dreamliner-Bestellungen auf dieses Flugzeug.
Die 787-9 verfügt wie alle Dreamliner über zwei Triebwerke, die unter den Tragflächen angeordnet sind. Eine Hilfsturbine im Heck kann im Notfall zugeschaltet werden und Strom liefern. In der Praxis geschieht das häufiger am Boden, wo das Flugzeug – soweit es keine zentrale Stromversorgung vom Flughafen gibt – durch die Hilfsturbine während der Standzeiten mit Strom versorgt und auch klimatisiert wird.
Rein statistisch beläuft sich die Wahrscheinlichkeit, dass neben den beiden Flugtriebwerken auch die Hilfsturbine aussetzt, auf einen Fall innerhalb von 100 Millionen Flügen. Genau das aber war Boeing und den Zulassungsbehörden immer noch ein zu hohes Risiko. Immerhin ist es bereits einmal vorgekommen, dass alle vier Haupttriebwerke einer British Airways Boeing 747 hintereinander ausfielen, als die Maschine über den Philippinen in eine vulkanbedingte Aschewolke geriet. Dabei arbeitete allerdings die Hilfsturbine normal weiter und lieferte den Strom, um schließlich die Haupttriebwerke wieder Motor für Motor mühsam in Gang zu bekommen.
Zusätzliche Ram Air Turbine (RAT) nutzt Fahrtwind als Energiequelle
Die so genannte RAT der 787-9 ist im Gegensatz zu den bisher genannten Motoren keine Turbine, die mit Treibstoff betrieben wird. Vielmehr wird die RAT aus dem Flugzeugrumpf ausgestoßen. Ihre Propellerflügel drehen sich dann bedingt durch den Fahrtwind und diese Drehung treibt einen Generator, der Strom erzeugt. Die Stromausbeute reicht, um das Cockpit und alle wichtigen Geräte und Systeme weiter betreiben zu können, bis es gelingt, wenigstens einen der anderen Motoren wieder in Gang zu bringen.
Das Prinzip der RAT-Turbine gibt es schon lange. Immer wieder wurde sie in Flugzeuge für den Notfall eingebaut. Historisch besonders interessant ist der Einbau in die ME 163B “Komet” eines der ersten deutschen Düsenkampfflugzeuge kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs.
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