Todeskampf eines Planeten: Magmameer verdampft im All
Forschende des MIT haben einen Exoplaneten aufgespürt, der wie ein Komet unter extremer Hitze zerfällt und einen langen Feuerschweif durchs All zieht.

Ein zerfallender Planet umkreist einen riesigen Stern. „Die Ausdehnung des Schweifs ist gigantisch und reicht bis zu 9 Millionen Kilometer“, sagt Marc Hon vom MIT.
Foto: Jose-Luis Olivares, MIT
Ein kleiner Exoplanet in 140 Lichtjahren Entfernung zerfällt unter extremer Hitze. Forschende beobachten, wie der Gesteinsplanet einen neun Millionen Kilometer langen Schweif aus verdampften Mineralien hinter sich herzieht – ein kosmisches Spektakel, das selten dokumentiert wird. Die Entdeckung könnte neue Erkenntnisse über die Zusammensetzung erdähnlicher Planeten liefern.
Inhaltsverzeichnis
Eine Entdeckung wie aus einem Sci-Fi-Roman
Ein Forschungsteam rund um das Massachusetts Institute of Technology (MIT) hat einen außergewöhnlichen Exoplaneten aufgespürt. Dieser zerfällt aktuell in einem Tempo, das seinesgleichen sucht. Der etwa 140 Lichtjahre entfernte Gesteinsplanet mit der Bezeichnung BD+05 4868 Ab kreist in nur 30,5 Stunden um seinen Stern – viel schneller als Merkur die Sonne umkreist. Er zieht dabei einen mehrere Millionen Kilometer langen Schweif hinter sich her, der an einen Kometen erinnert.
„Wir hatten Glück, dass wir ihn genau in dem Moment entdeckt haben, in dem er wirklich verschwindet“, erklärt Avi Shporer vom TESS Science Office. „Es ist, als würde er seinen letzten Atemzug tun.“
Ein Gesteinsplanet am Limit
Der Planet, den die Forschenden eher zufällig fanden, befindet sich extrem nahe an seinem Mutterstern. Nur etwa ein Zwanzigstel der Merkur-Sonnen-Distanz trennt ihn von seinem Stern. In dieser Nähe ist die Oberflächentemperatur enorm – sie liegt bei schätzungsweise 1.600 °C. Das reicht, um Gestein in Gas zu verwandeln.
Auf seiner rasanten Umlaufbahn verliert der Planet kontinuierlich Material. Es handelt sich um winzige Mineralkörner, die durch die starke Hitze verdampfen und als Staubschweif in den Weltraum entweichen. Pro Umlauf verliert BD+05 4868 Ab dabei eine Masse, die mit dem Mount Everest vergleichbar ist.
„Der Schweif ist gigantisch und erstreckt sich über eine Länge von bis zu 9 Millionen Kilometern, was etwa der Hälfte der gesamten Umlaufbahn des Planeten entspricht“, sagt Marc Hon, Astrophysiker am Kavli Institute des MIT.
Entdeckung mit TESS
Aufgespürt wurde der zerfallende Himmelskörper mit dem Transiting Exoplanet Survey Satellite (TESS) der NASA. Das Team suchte dabei ursprünglich nicht gezielt nach solchen extremen Objekten. „Wir haben die üblichen Planetenuntersuchungen durchgeführt, und mir ist zufällig dieses sehr ungewöhnliche Signal aufgefallen“, berichtet Hon.
Typischerweise zeigt sich ein Exoplanet in einer Lichtkurve als regelmäßiger, kurzer Helligkeitsabfall – verursacht durch den Transit vor dem Stern. Doch im Fall von BD+05 4868 Ab war das Signal deutlich komplexer. Die Lichtkurve zeigte nicht nur einen längeren Abfall, sondern auch Schwankungen in der Tiefe. Das deutet darauf hin, dass der „Körper“, der den Stern verdeckt, sich ständig verändert – ganz im Stil eines zerfallenden Objekts mit Schweif.
Ein planetarischer Komet?
Die Form des Lichtsignals lässt auf eine Art „Staubschweif“ schließen, ähnlich wie man es von Kometen kennt. Nur besteht dieser nicht aus gefrorenen Gasen, wie man es aus dem eigenen Sonnensystem kennt, sondern aus verdampften Mineralien. Flüchtige Stoffe wie Wasser oder Methan würden in der Hitze längst verflogen sein. Die Mineralpartikel hingegen überleben lang genug, um das Licht des Sterns zu streuen – und so für das auffällige Transitmuster zu sorgen.
Das Phänomen ist selten. Von den fast 6.000 bekannten Exoplaneten zeigen nur drei weitere Anzeichen eines solchen Zerfallsprozesses. BD+05 4868 Ab gehört zu den extremsten Fällen – mit dem längsten Schweif und den deutlichsten Transits aller bislang bekannten zerfallenden Planeten.
Der langsame Untergang
Die geringe Masse des Planeten ist wohl der Grund für sein rasantes Ende. Mit einer Masse zwischen Merkur und dem Mond kann BD+05 4868 Ab der Gravitation seines Sterns kaum etwas entgegensetzen. Die eigene Anziehungskraft reicht nicht mehr aus, um das Material zu halten. Die Folge: Ein sich selbst verstärkender Prozess des Zerfalls.
„Es ist ein sehr kleines Objekt mit sehr schwacher Schwerkraft, sodass es leicht viel Masse verliert“, erklärt Shporer. „Das schwächt die Schwerkraft weiter, und so verliert es noch mehr – ein unaufhaltsamer Prozess.“
Forschende gehen davon aus, dass der Planet in ein bis zwei Millionen Jahren vollständig verschwunden sein wird.
Blick in das Innenleben
Die Entdeckung ist nicht nur spektakulär, sondern auch wissenschaftlich vielversprechend. Der Staubschweif könnte Hinweise auf die chemische Zusammensetzung des Planeten liefern. Das Forschungsteam plant, das System mit dem James-Webb-Weltraumteleskop (JWST) zu beobachten.
„Dies wird eine einzigartige Gelegenheit sein, die innere Zusammensetzung eines Gesteinsplaneten direkt zu messen“, so Hon. Die Auswertung der Infrarotdaten könnte aufzeigen, welche Mineralien beim Zerfall in den Weltraum gelangen – und damit Rückschlüsse auf den Aufbau terrestrischer Planeten außerhalb unseres Sonnensystems erlauben.
Die Forschenden wollen nun gezielt nach weiteren zerfallenden Planeten suchen. Das Interesse ist geweckt. „Manchmal kommt mit dem Essen auch der Appetit, und wir versuchen nun, genau nach solchen Objekten zu suchen“, sagt Shporer. „Das sind seltsame Objekte, und die Form des Signals verändert sich im Laufe der Zeit, was für uns schwer zu finden ist. Aber wir arbeiten aktiv daran.“
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