Triebwerkshersteller vor großen Herausforderungen
Schwächelnde Triebwerke bedrohen die Luftfahrtbranche. Dabei ist die Leistungsfähigkeit der Antriebe ein Schlüssel für den wirtschaftlichen Erfolg von Flugzeugherstellern und Fluggesellschaften, aber auch für das Erreichen deren Umweltziele.
Die gute Nachricht zuerst: Singapore Airlines musste in der vergangenen Woche einige Beschwerden über sich ergehen lassen – nicht, weil Passagiere nach der Beinahe-Katastrophe mit dem Airbus A380 ihre Flüge verpassten, sondern weil viele von ihnen unbedingt mit dem Airbus A380 fliegen wollten, aber auf andere Maschinen umgebucht wurden, weil die Fluggesellschaft zeitweise drei A380 am Boden ließ. Singapore Airlines wollte es sich mit den treuen Kunden nicht verscherzen und fand Platz in anderen A380-Maschinen.
Damit dürfte die dramatische Notlandung der A380 von Qantas im November zumindest dem Vertrauen der Passagiere in den Riesen-Airbus nicht geschadet haben. Auch nach Meldungen von Lufthansa ist die Nachfrage weiterhin sehr groß.
Am Morgen des 4. November hatte sich ein Rolls-Royce Trent 900-Motor etwa vier Minuten nach dem Start in Singapur in seine Einzelteile zerlegt. Die betroffene Maschine der australischen Fluggesellschaft Qantas kehrte nach einer Stunde und 50 Minuten schwer beschädigt zum Startflughafen zurück. Teile des Triebwerks, darunter eine Scheibe aus der Mitteldruckturbine, wurden auf der kleinen indonesischen Insel Batam entdeckt, der linke Flügel der A380 war an mehreren Stellen von Trümmern durchschlagen, ein Teil der Klappen und Spoiler funktionierte nicht mehr.
Über eine Woche lang schwieg Rolls-Royce, während Qantas und Singapore Airlines insgesamt neun A380 am Boden ließen, weil auch bei anderen Maschinen Fehler entdeckt wurden. Schließlich räumte der Hersteller ein, vermutlich habe eine fehlerhafte Komponente ein Ölleck verursacht, das daraufhin entstandene Feuer habe die Schäden an der Turbinenscheibe und anderen Teilen verursacht.
Nun muss Rolls-Royce an allen Motoren nachrüsten, eine Reihe von Motoren soll vorsorglich ausgetauscht werden. Die Fluggesellschaften können nur abwarten, bis für die betroffenen älteren Trent 900-Triebwerke eine technische Lösung gefunden wird.
Zwar betonte Rolls-Royce-Chef Sir John Rose, dass der Zwischenfall nur wenig Einfluss auf den Jahresgewinn haben werde. Sir John, der Anfang kommenden Jahres in den Ruhestand geht, dürfte jedoch so ziemlich der einzige sein, der die Lage seiner Firma so positiv sieht.
Denn nicht nur das Trent 900-Desaster lässt den Schluss zu, dass der letzte verbliebene europäische Hersteller kompletter großer Flugzeugmotoren in der Klemme steckt.
So ist im Fall der schon jetzt knapp drei Jahre verspäteten Boeing 787 nicht mehr ganz klar auszumachen, ob die jüngste Verspätung auf das Konto von Boeing geht oder doch auf das von Rolls-Royce. Für die Boeing 787 hatte das Unternehmen das Trent 1000-Triebwerk entwickelt. Die frühen Versionen lagen beim Verbrauch jedoch zwischen und 4 % und 5 % über den vertraglich garantierten Werten – Diskrepanzen, die über Erfolg oder Misserfolg von Flugzeugprojekten entscheiden können.
Zudem ging im August dieses Jahres bei einem Testlauf eine Trent 1000 in Flammen auf. In Windeseile wurde eine verbesserte Variante des Trent 900 entwickelt, die angeblich näher an die versprochenen Daten heran kommt.
Rolls-Royce betont nun, dies habe nichts mit den Trent 900-Problemen bei der A380 zu tun. Unklar ist, wie belastbar diese Aussage ist, denn beide Triebwerke stammen aus der gleichen Produktfamilie und beiden liegt eine ähnliche Philosophie zugrunde. Dazu kommt die Frage, was besser ist: der gleiche Fehler bei beiden Triebwerken, oder bei zwei voneinander zu trennenden Pannen. Beides bindet viele Ressourcen.
Auch Airbus dürfte das alles erheblich beunruhigen. Schließlich baut Rolls-Royce gerade mit dem Trent XWB das Triebwerk für den neuen Airbus A350 – und zwar als einziger Anbieter.
Die Malaise von Rolls-Royce ist aber nicht nur technischer, sondern auch strategischer Natur. Seit 1984 ist das Unternehmen mit dem amerikanischen Konkurrenten Pratt & Whitney im International Aero Engines (IAE)-Konsortium verbunden, das das V2500 Triebwerk vor allem für die erfolgreiche A320-Reihe baut.
Trotz dieses Erfolges haben sich die Partner des IAE-Konsortiums entzweit. Pratt & Whitney entwickelt mit dem PW1000G einen neuen Motor, der die Nachfolgegeneration der A320 antreiben und deutlich wirtschaftlicher sein soll. Das Besondere am PW1000G ist ein Getriebe, durch das der große Fan langsamer und damit im optimalen Leistungsbereich laufen soll (siehe Kasten).
Pratt will das technische Wagnis eines solchen neuartigen Getriebefans eingehen, um Marktanteile zurückzugewinnen und nach Jahren des Niedergangs wieder groß im Geschäft mitzumischen.
Rolls-Royce aber weigert sich nicht nur, im Rahmen des IAE-Konsortiums mitzumachen. Mittlerweile sind die beiden Unternehmen auch in einen erbitterten Rechtsstreit verwickelt: Rolls wirft Pratt vor, für den Getriebefan eigene Patente verletzt zu haben. Pratt behauptet das Gegenteil und will nun auf juristischem Weg verhindern, dass Rolls-Royce Trent 1000-Triebwerke in die USA exportieren kann – die Motoren für die 787.
Das Zerwürfnis mit Pratt ist vermutlich langfristig wesentlich problematischer als die technischen Probleme bei den Trent-Motoren – vorausgesetzt, Rolls bekommt sie schnell in den Griff. Denn die V2500 ist mittlerweile ein altes Triebwerk, der Druck auf die Hersteller, sparsamere und damit umweltschonendere Antriebe zu entwickeln, ist beträchtlich.
Zieht Pratt aber seinen Alleingang durch und holt den britischen Partner nicht doch noch in allerletzter Minute ins Boot, dann könnte der größte Volumenmarkt für Rolls verloren gehen. Denn die Nachfolger der Boeing 737 dürften wieder exklusives Terrain des CFM International-Konsortiums (General Electric und Snecma) werden. Und für den Nachfolger der A320 dürfte die V2500 kaum eine Rolle spielen. JENS FLOTTAU/moc
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