Warum ein Ingenieur ein Jahr lang in der Antarktis Gemüse anbaut
Eiskalt, unwirtlich, einsam ist die Antarktis. Ausgerechnet dorthin zieht es den 28-jährigen Ingenieur Paul Zabel. Er will dort Gemüse anbauen. Verrückt? Keinesfalls. Für das Projekt, an dem er arbeitet, sind die harschen Bedingungen am Südpol ideal. Zabel soll den Gemüseanbau unter schwierigsten Bedingungen für Missionen im All optimieren. Ein Garten Eden für Pflanzen ist das bekanntlich auch nicht.
Für Langzeitmissionen im Weltraum sind nachwachsende Nahrungsmittel ein wesentliches Element. Daran arbeiten Wissenschaftler wie Paul Zabel vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Projekt Eden ISS. Das Szenario: ein isolierter Standort, eine kleine Crew, die in der Abgeschiedenheit zusammenlebt, und eine Versorgungslage, in der frisches Obst und Gemüse auf dem Speiseplan sehr willkommen sind. Eden ist die Abkürzung für Evolution and Design of Environmentally-closed Nutrition-Sources.
Spezialcontainer in der Antarktis
Ab Dezember 2017 wird Ingenieur Zabel in der Neumayer-Station III in der Antarktis in einem eigens konstruierten Container Salat, Gurken, Kräuter und Tomaten ziehen. Bis dahin arbeitet er noch an seiner grünen Hand: In einem ersten Workshop in niederländischen Gewächshäusern hat er jetzt erst einmal gelernt, wie man Pflanzen pflegt, erntet und vermisst.
Am Südpol wird dann aus dem Ingenieur ein Bauer. Er wird täglich 300 m bis zu seinem Gewächshaus stapfen, um dort unter künstlichem Licht und mit effektiven Nährstofflösungen Lebensmittel zu ziehen.
Im Eden-Labor des DLR-Instituts für Raumfahrtsysteme in Bremen wird bereits derzeit erforscht, unter welchen künstlichen Bedingungen Salate oder Gurken am besten gedeihen. Das Jahr in der Antarktis soll die erste Generalprobe sein, ob die getesteten Systeme auch unter realen, harschen Bedingungen funktionieren.
Mobiles Gewächshaus wird vorab getestet
Jetzt werden erst einmal die Container für die Antarktis vorbereitet. Sie werden an den Einsatz als Gewächshaus angepasst. Sie haben eine spezielle Isolierung, Zwischenböden, Fenster und Türen. Die DLR-Ingenieure integrieren zudem noch ihre Subsysteme, die beispielsweise die Pflanzen in Experimentschränken mit Licht und Luft versorgen.
Bewässerungstechnik wird auch dafür sorgen, dass die Wurzeln regelmäßig mit einer Nährstofflösung besprüht werden. Bis Oktober 2017 wird das mobile Gewächshaus noch in Deutschland getestet, dann reist es per Schiff in die Antarktis.
Grundverständnis für Salat und Gurke
Aber auch Ingenieur Paul Zabel braucht noch einige Trainingseinheiten, bevor er zur Neumayer-Station III aufbrechen kann. „Als Ingenieur muss ich zunächst ein Grundverständnis für die Pflanzen entwickeln, damit ich frühzeitig erkenne, ob es ihnen gut geht“, erläutert er. „Wir gehen zwar davon aus, dass wir in der Antarktis keine Schädlinge haben werden, aber beispielsweise Pilzbefall muss ich frühzeitig erkennen können, um einzugreifen.“
Alleine wird Zabel in der Antarktis nicht sein: Damit die gesamte Crew, die auf der Neumayer-Station III des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) überwintern wird, gut funktioniert, wird es im Sommer 2017 auch ein erstes Probe-Zusammenleben in Bremerhaven geben. DLR-Ingenieur Zabel freut sich auf seine Eden-Mission im Eis: „Mich fasziniert das Zusammenspiel von Technik, Biologie und letztendlich bemannter Raumfahrt.“
Damit die Menschheit weiter in den Weltraum vordringen kann, forscht das DLR schon länger daran, wie Nahrungsmittel im All produziert werden können. Astronauten auf der Internationalen Raumstation (ISS) hatten im vergangenen Jahr erstmals selbst gezogenen Weltraumsalat gegessen.
Tomatenzucht im Satelliten
Noch bevor Zabel in der Antarktis forscht, wird das DLR den Satelliten Eu:CROPIS ins All schicken. Er soll in 600 km Höhe rotieren und dabei in seinem Inneren für sechs Monate zunächst die Schwerkraft von Mond und anschließend sechs Monate lang Mars-Gravitation erzeugen. Mit an Bord: Tomatensamen.
Sie sollen unter diesen Bedingungen keimen und kleine Weltraumtomaten entwickeln. Das Wachstum kann von der Erde aus verfolgt werden: 16 Kameras beobachten das Experiment, bei dem Mikroorganismen in einem Rieselfilter dafür sorgen, dass aus künstlichem Urin ein bekömmlicher Dünger für die Tomaten entsteht.
Ins All reisen und dort arbeiten müssen auch Augentierchen (Euglena). Sie sollen das geschlossene System vor überschüssigem Ammoniak schützen und zudem Sauerstoff liefern. LED-Licht simuliert einen Tag- und Nachtrhythmus, ein Drucktank kann irdische Atmosphäre erzeugen.
Abfall in Dünger umwandeln
„Wir simulieren und testen letztendlich Gewächshäuser, die auf Mond oder Mars im Inneren eines Habitats stehen könnten und für eine Crew vor Ort frische Lebensmittel liefern, indem sie in einem geschlossenen System Abfälle kontrolliert in Dünger umwandeln“, sagt DLR-Biologe Dr. Jens Hauslage, der die Mission wissenschaftlich leitet.
Bevor Eu:CROPIS auf die Reise geschickt wird, werden die Lavasteine des Rieselfilters deshalb zunächst mit getrockneter Erde „infiziert“. Durch diese Impfung ziehen verschiedene Organismen in die löchrige, große Oberfläche der Lavasteine ein und nutzen diese als Lebensraum. Im All wird dann alle zwei, drei Tage künstlicher Urin versetzt mit Wasser über dieses Habitat rieseln, in dem ein wahrer Wettbewerb der Mikroorganismen um diese Nahrung entsteht. Das schädliche Ammoniak wird dabei über Nitrit zu Nitrat abgebaut und als Dünger zu den Tomatensamen geleitet.
Himmlische und irdische Anwendungen
Die Technologie, die für den Weltraum entwickelt wird, lässt sich auch auf der Erde einsetzen. So könne man mit Rieselfiltern Gülle umwandeln und diese effektiver und geruchsärmer einsetzen. Auch das Recycling von Urin in städtischen Ballungsräumen, beispielsweise für Gewächshäuser in Hochhäusern (Vertical Farming), wäre möglich.
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