Was wächst schneller: das Schwarze Loch oder die Galaxie?
Mehr als 120 Stunden hat ein Forscher-Team vom MIT den Weltraum beobachtet. Im Fokus standen sogenannte alte Quasare, leuchtende Zentren aktiver Galaxien, die in ihrem Kern ein besonders massereiches Schwarzes Loch beherbergen. Erstmals konnten sie Lichter solcher Quasare beobachten.
Forschende datieren die frühesten Quasare, also leuchtende Zentren aktiver Galaxien, deren Kern unter anderem aus einem sehr massereichen Schwarzen Loch besteht, auf mehr als 13 Milliarden Jahre. Damit gehen sie etwa bis in die Anfänge des Universums zurück. Und nicht nur das. Sie sollen den Forschenden auch Hinweise darauf geben, wie sich wohl die allerersten Schwarzen Löcher und Galaxien entwickeln konnten.
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Das besondere an Quasaren: Sie können im Gegensatz zu den meisten Galaxien mit Schwarzen Löchern über einen deutlich längeren Zeitraum erhebliche Mengen an Materie verbrauchen und auf diese Art und Weise einen extrem hellen und langlebigen Ring erzeugen. Und genau das ist es, was Quasare am Ende zu den hervorstechendsten Objekten im Universum macht. Sie überstrahlen damit praktisch den Rest der Galaxie, in der sie leben. Um sie zu erkennen, muss also das Licht der Sterne der Muttergalaxie abgetrennt werden. Ähnlich schwierig ist es, Glühwürmchen im Licht eines riesigen Scheinwerfers einzeln zu erkennen. Da also die Suche nach Quasaren ähnlich komplex ist, war es den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bislang nicht gelungen, ältere Quasare zu beobachten. Genau das ist dem MIT-Team nun erstmals geglückt.
Extreme Masse eines Schwarzen Lochs überwiegt
Die Forschenden konnten erstmals ein viel schwächeres Licht von Sternen in den Muttergalaxien dreier alter Quasare beobachten. Da es nur schwer zu erkennen ist, schätzten die Forschenden die Masse jeder sogenannten Wirtsgalaxie im Vergleich zur Masse ihres zentralen supermassereichen Schwarzen Lochs. Als Ergebnis kam heraus, dass die zentralen Schwarzen Löcher dieser Quasare im Vergleich zu ihren modernen Gegenstücken und ihren Heimatgalaxien viel massereicher waren. Mit ihrem neuen Ergebnis wollen die Forschenden nun weitere Erkenntnisse erarbeiten – unter anderem wie die ersten supermassiven Schwarzen Löcher diese riesige Masse anhäufen konnten, obwohl ihnen nur relativ wenig kosmische Zeit zum Wachsen blieb. Eine erste Theorie lautet: Vor allem die besonders frühen großen Schwarzen Löcher könnten aus massereicheren „Samen“ entstanden sein.
„Nachdem das Universum entstanden war, gab es schwarze Samenlöcher, die dann Material verbrauchten und in sehr kurzer Zeit wuchsen“, erklärt Minghao Yue, Postdoktorand und Studienautor am „Kavli Intitute for Astrophysics and Space Research“ am MIT. „Eine der großen Fragen ist, zu verstehen, wie diese riesigen Schwarzen Löcher so schnell so groß werden konnten.“ Anna-Christina Eilers, Assistenzprofessorin für Physik am MIT und ebenfalls Teil der Forscher-Gruppe erklärt es so: „Diese Schwarzen Löcher sind milliardenfach massereicher als die Sonne, und das zu einer Zeit, in der das Universum noch in den Kinderschuhen steckt. Unsere Ergebnisse deuten daraufhin, dass supermassereiche Schwarze Löcher im frühen Universum möglicherweise von ihren Muttergalaxien an Masse zugenommen haben und dass die ursprünglichen Keime der Schwarzen Löcher massereicher als heute gewesen sein könnten.“
Schwarze Löcher wachsen schneller
Erstmal konnten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den 1960er-Jahren einen Quasar entdecken. Anfangs gingen sie noch von einer sternähnlichen Punktquelle aus. Heute weiß man, dass Quasare keinen stellaren Ursprung haben. Sie entstehen vielmehr aus einer Ansammlung äußerst leistungsstarker und langlebiger supermassereicher Schwarzer Löcher, die sich im Zentrum von Galaxien befinden, in denen es auch Sterne gibt, die allerdings im Vergleich zu ihrer Blendung viel schwächer als die Kerne sind. Da die Beobachtung von Quasaren so komplex ist, sind die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler natürlich auf entsprechende technische Unterstützung angewiesen. Vor allem das James-Webb-Weltraumteleskop (JWST) der NASA bietet dank höherer Empfindlichkeit und Auflösung nun mehr Möglichkeiten.
Das MIT-Team hat im Rahmen ihrer Studie zwischen Herbst 2022 und Frühjahr 2023 sechs bekannte alte Quasare beobachten können. Das gelang vor allem auch dank der scharfen Bilder des JWST, welche die Forschenden zusätzlich entsprechend modellierten. Neben den Bilddaten erhoben sie auch Messungen des Lichts. Beide Daten flossen in ein Modell. Dadurch konnten sie das Licht jedes Quasars in zwei Komponenten aufteilen: Licht von der leuchtenden Scheibe des zentralen Schwarzen Lochs und Licht von den diffuseren Sternen der Muttergalaxie. Die Gesamtmenge der Quellen stellt somit die gesamte Masse dar. Auf dieser Basis schätzen die Forschenden das Verhältnis der Masse des zentralen Schwarzen Lochs und der Masse der Wirtsgalaxie etwa 1:10. Neuere Schwarze Löcher hingegen zeigen eine Massebilanz von 1:1000 zu ihren Muttergalaxien, sind also viel weniger massereich. Die Schlussfolgerung der Forschenden: Schwarze Löcher wachsen im frühen Universum offenbar schneller als die Muttergalaxien, was als vorläufiger Beweis dafür gelten kann, dass die ursprünglichen Samen des Schwarzen Lochs wohl massereicher gewesen sein könnten.
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