Schwarzes Loch ist „wie ein Welpe“: Erstmals gelingt Bild
Diese Leistung ist bahnbrechend: Zum allerersten Mal kann die Menschheit einen Blick auf das Schwarze Loch in unserer Milchstraße werfen.
Es ist im wahrsten Sinne eine Sternstunde: Erstmals kann die Menschheit auf das Schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße blicken. Forscherinnen und Forschern ist es gelungen, das Schwarze Loch mit dem Namen Sagittarius A* abzubilden. Am Donnerstag gab es Pressekonferenzen zu diesem wissenschaftlichen Großereignis auf der ganzen Welt, unter anderem auch am Hauptsitz der Europäischen Südsternwarte (ESO) in München.
Das Bild liefert die Beweise dafür, dass es sich bei dem Objekt im Zentrum unserer Galaxie tatsächlich um ein Schwarzes Loch handelt. Die Aufnahme wurde von einem internationalen Forschungsteam unter Verwendung von Beobachtungen aus einem weltweiten Netzwerk von Radioteleskopen erstellt: Unter dem Namen Event Horizon Telescope (EHT) Collaboration hatten sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zusammengeschlossen.
Schwarzes Loch: Alle Sterne kreisen um das Objekt
Unser gesamtes Sonnensystem und alle Sterne der Milchstraße kreisen um das Schwarze Loch im Zentrum der Galaxie. Dass dieses Objekt nun sichtbar gemacht wurde, stellt eine erhebliche technische Leistung dar. „Diese beispiellosen Beobachtungen haben unser Verständnis dessen, was im Zentrum unserer Galaxie geschieht, erheblich verbessert und bieten neue Erkenntnisse darüber, wie diese riesigen schwarzen Löcher mit ihrer Umgebung in Verbindung stehen“, so EHT-Projektwissenschaftler Geoffrey Bower vom Institut für Astronomie und Astrophysik der Academia Sinica in Taipeh.
Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen hatten bereits zuvor Sterne beobachtet, die um ein unsichtbares, kompaktes und überaus massereiches Objekt im Zentrum der Milchstraße kreisen. Die Aufnahme liefert nun den ersten direkten visuellen Beweis für die Annahme, dass dieses Objekt ein Schwarzes Loch ist. Das Schwarze Loch selbst ist nicht direkt sichtbar, weil es völlig dunkel ist: Die Masse eines solchen Objekts ist auf ein extrem kleines Volumen konzentriert ist, wodurch in der Umgebung eine derart starke Gravitation erzeugt wird, dass selbst Licht nicht mehr nach außen dringen oder das Schwarze Loch durchlaufen kann. Glühendes Gas aber zeigt eine dunkle zentrale Region, die Schatten genannt wird. Diese wird von einer hellen ringförmigen Struktur umgeben. Dieser neue Blick zeigt das Licht, das durch die enorme Schwerkraft des Schwarzen Lochs, das vier Millionen Mal massereicher als unsere Sonne ist, gebeugt wird. „Wir waren verblüfft, wie gut die Größe des Rings mit den Vorhersagen von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie übereinstimmte“, so Geoffrey Bower.
„Langzeitbelichtung“ mit Teleskopen auf der ganzen Erde
Um das Schwarze Loch abbilden zu können, war eine Art extreme Langzeitbelichtung nötig. Sagittarius A* ist etwa 27.000 Lichtjahre von der Erde entfernt. Am Himmel erscheint es so groß wie ein kleiner Krapfen auf dem Mond, den man von der Erde betrachten würde. Deshalb schuf das Forscherteam das leistungsstarke EHT, das acht Radio-Observatorien auf der ganzen Welt zu einem einzigen virtuellen Teleskop in Erdgröße verband. Viele Stunden lang sammelte das EHT Daten, aus denen das Bild entwickelt wurde. „Es ist sehr faszinierend für die ESO, dass sie über so viele Jahre hinweg eine so wichtige Rolle bei der Entschlüsselung der Geheimnisse schwarzer Löcher und insbesondere von Sagittarius A* gespielt hat“, so ESO-Generaldirektor Xavier Barcons.
Bereits vor drei hatten Astronomen das erste mal ein Schwarzes Loch abbilden können. Das M87* genannte Objekt liegt im Zentrum der Galaxie Messier 87 – und ist 2000 Mal weiter entfernt als Sagittarius A*. Warum wurde zuerst dieses entfernte Schwarze Loch abgebildet, und nicht das Objekt im Zentrum unserer eigenen Galaxie?
Schwarzes Loch ist „wie ein Welpe, der seinem Schwanz nachjagt“
Der Grund: M87* ist 1000 Mal massereicher als das Schwarze Loch in unserer Milchstraße. Ein Bild zu erstellen, war einfacher als bei Sagittarius A*. EHT-Wissenschaftler Chi-kwan Chan vom Data Science Institute der University of Arizona erklärt das so: „Das Gas in der Nähe der schwarzen Löcher bewegt sich mit der gleichen Geschwindigkeit – fast so schnell wie das Licht – sowohl um Sagittarius A* als auch um M87*. Aber während das Gas Tage bis Wochen braucht, um das größere M87* zu umkreisen, vollendet es eine Umkreisung um das viel kleinere Sagittarius A* in nur wenigen Minuten. Das bedeutet, dass sich die Helligkeit und das Muster des Gases um schnell änderten, während die EHT Collaboration es beobachtete – ein bisschen wie der Versuch, ein klares Bild von einem Welpen zu machen, der schnell seinem Schwanz nachjagt.“
Hubble-Teleskop: Forscher machen erstaunlichen Fund in Sternencluster
Die beiden schwarzen Löcher seien sich bemerkenswert ähnlich, heißt es bei Eso. „Das sagt uns, dass die Allgemeine Relativitätstheorie im Nahbereich für diese Objekte dominiert und alle Unterschiede, die wir in größerer Entfernung sehen, auf Abweichungen im Material zurückzuführen sein müssen, das die schwarzen Löcher umgibt“, so Sera Markoff, Co-Vorsitzende des EHT-Wissenschaftsrats und Professorin für theoretische Astrophysik an der Universität von Amsterdam.
Wertvolle neue Erkenntnisse
Mehr als 300 Forschende aus 80 Instituten auf der ganzen Welt waren an der bahnbrechenden Leistung beteiligt. Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen haben dank der Bilder von zwei Schwarzen Löchern sehr unterschiedlicher Größe nun die Möglichkeit, zu verstehen, worin diese sich ähneln und unterscheiden. Daraus lassen sich zum Beispiel Theorien und Modelle ableiten, wie sich Gas in der Umgebung supermassereicher schwarzer Löcher verhält.
Dunkle Materie: Verblüffende Entdeckung könnte unser Weltbild verändern
„Jetzt können wir die Unterschiede zwischen diesen beiden supermassereichen schwarzen Löchern untersuchen, um wertvolle neue Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie dieser wichtige Prozess funktioniert“, so EHT-Wissenschaftler Keiichi Asada vom Institut für Astronomie und Astrophysik der Academia Sinica in Taipeh. „Wir haben Bilder von zwei schwarzen Löchern – eines am oberen und eines am unteren Ende der supermassereichen schwarzen Löcher im Universum – so dass wir bei der Untersuchung des Verhaltens der Schwerkraft in diesen extremen Umgebungen viel weiter vorankommen können als jemals zuvor.“
Lesen Sie auch:
ISS: Wann Sie Raumstation am Himmel sehen – und warum es sich jetzt besonders lohnt
Ein Beitrag von: