Zufallsfund in weiter Ferne: Euclid entdeckt perfekten Einsteinring
Euclid entdeckt einen seltenen Einsteinring. Die Gravitationslinse liefert neue Erkenntnisse über das Universum und bestätigt die Leistungsfähigkeit des Teleskops.
![Einsteinring](https://www.ingenieur.de/wp-content/uploads/2025/02/einsteinring1-e1739178917211-1200x600.jpg)
Dieses Weitwinkelbild zeigt den ausgedehnten Sternhalo von NGC 6505 und den Einsteinring, umgeben von farbenfrohen Vordergrundsternen und Hintergrundgalaxien.
Foto: ESA/Euclid/Euclid Consortium/NASA, image processing by J.-C. Cuillandre, T. Li
Am 1. Juli 2023 startete das Weltraumteleskop Euclid zu seiner sechsjährigen Mission, um die Geheimnisse des dunklen Universums zu erforschen. Bevor die eigentliche wissenschaftliche Arbeit beginnen konnte, musste das Team aus Ingenieurinnen, Ingenieuren und Forschenden sicherstellen, dass alle Systeme einwandfrei funktionierten. Während dieser ersten Tests im September 2023 sendete Euclid eine Reihe von Bildern zur Erde. Diese Aufnahmen waren bewusst unscharf, doch einer der Wissenschaftler entdeckte in einem der Bilder etwas Außergewöhnliches: einen Hinweis auf ein seltenes kosmisches Phänomen.
Bruno Altieri, Euclid-Archivwissenschaftler, erinnert sich: „Ich schaue mir die Daten von Euclid an, sobald sie eintreffen. Schon bei dieser ersten Beobachtung konnte ich es sehen. Doch nachdem Euclid weitere Bilder aus demselben Bereich aufgenommen hatte, war klar: Wir hatten einen perfekten Einsteinring entdeckt. Das war ein unglaublicher Moment für mich, da ich mich mein Leben lang für Gravitationslinsen interessiert habe.“
Was ist ein Einsteinring?
Ein Einsteinring ist ein besonders eindrucksvolles Beispiel für den sogenannten Gravitationslinseneffekt. Dieses Phänomen tritt auf, wenn das Licht einer weit entfernten Galaxie auf dem Weg zur Erde durch die Schwerkraft einer massereichen Vordergrundgalaxie abgelenkt wird. Ist die Ausrichtung perfekt, bildet sich ein nahezu symmetrischer Ring aus Licht um die Vordergrundgalaxie. Dies wurde erstmals von Albert Einstein in seiner Allgemeinen Relativitätstheorie beschrieben.
Die neu entdeckte Gravitationslinse befindet sich in der Galaxie NGC 6505, etwa 590 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt. Die Hintergrundgalaxie, deren Licht den Ring bildet, liegt in einer Distanz von 4,42 Milliarden Lichtjahren. Sie wurde bisher noch nie beobachtet und besitzt daher keinen Namen. Die hochauflösenden Instrumente von Euclid ermöglichten nun erstmals eine detaillierte Analyse dieses seltenen Phänomens.
![Einsteinring Nahaufnahme](https://www.ingenieur.de/wp-content/uploads/2025/02/einsteinring2-768x768.jpg)
Nahaufnahme des Zentrums der Galaxie NGC 6505 mit dem hellen Einstein-Ring um ihren Kern, aufgenommen vom Euclid-Weltraumteleskop der ESA.
Foto: ESA/Euclid/Euclid Consortium/NASA, image processing by J.-C. Cuillandre, T. Li
Ein außergewöhnlicher Fund
„Ein Einsteinring ist ein Beispiel für eine starke Gravitationslinse“, erklärt Conor O’Riordan vom Max-Planck-Institut für Astrophysik. Er ist Hauptautor der ersten wissenschaftlichen Arbeit, die sich mit der Analyse des Rings befasst. „Alle starken Linsen sind selten und wissenschaftlich äußerst wertvoll. Doch dieser Ring ist besonders außergewöhnlich, weil er so nahe an der Erde liegt und seine Form nahezu perfekt ist.“
Diese Entdeckung zeigt eindrucksvoll, wie sich Licht unter dem Einfluss von Schwerkraft verhält. Massereiche Objekte wie Galaxien oder Galaxienhaufen können das Licht dahinterliegender Himmelskörper so stark beeinflussen, dass es um sie herumgebogen wird. Dies ermöglicht Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Objekte zu untersuchen, die sonst nicht sichtbar wären.
Bedeutung für die Forschung
Einsteinringe sind für die Wissenschaft von großer Bedeutung. Sie helfen dabei, die Struktur des Universums besser zu verstehen. Durch die Analyse der Verzerrungen lassen sich Rückschlüsse auf die Verteilung von dunkler Materie ziehen. Diese unsichtbare Substanz macht einen großen Teil der Masse des Universums aus, kann aber nur durch ihre gravitativen Effekte nachgewiesen werden. Auch dunkle Energie, die für die beschleunigte Expansion des Universums verantwortlich sein könnte, lässt sich durch solche Beobachtungen besser untersuchen.
„Ich finde es faszinierend, dass dieser Einsteinring in einer Galaxie entdeckt wurde, die schon seit 1884 bekannt ist“, sagt Valeria Pettorino, Wissenschaftlerin der Europäischen Weltraumorganisation ESA für das Euclid-Projekt. „Diese Entdeckung zeigt, wie leistungsfähig Euclid ist. Selbst in gut erforschten Regionen des Himmels findet das Teleskop neue Phänomene.“
Euclid revolutioniert die Himmelskartierung
Die Hauptaufgabe von Euclid besteht darin, das Universum in nie dagewesener Präzision zu kartieren. Das Teleskop wird in den kommenden Jahren über ein Drittel des Himmels untersuchen und dabei Milliarden von Galaxien erfassen. Durch diese enorme Datenmenge wird Euclid voraussichtlich rund 100.000 starke Gravitationslinsen entdecken. Bislang waren weniger als 1.000 solcher Phänomene bekannt, und noch weniger wurden in so hoher Auflösung dokumentiert.
„Euclid wird unser Wissen über das Universum revolutionieren“, betont Conor O’Riordan. Die Wissenschaftsgemeinschaft erwartet mit Spannung weitere Entdeckungen, die dabei helfen könnten, die großen Rätsel der Kosmologie zu lösen.
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