80.000 Jahre alte Steinklingen: Wie Homo sapiens Arabien besiedelte
Neue Funde in Arabien zeigen, wie sich Homo sapiens vor 80.000 Jahren ausbreitete. Steinklingen liefern wertvolle Einblicke in seine Wanderungen.
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Die Ausgrabungsstätte Jebel Faya auf der Arabischen Halbinsel.
Foto: Knut Bretzke/Uni Jena
Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Dr. Knut Bretzke von der Friedrich-Schiller-Universität Jena hat die bislang ältesten Belege für die systematische Herstellung von Steinklingen auf der Arabischen Halbinsel entdeckt. Die schmalen, langgezogenen Werkzeuge wurden an der Fundstelle Jebel Faya im Emirat Sharjah (Vereinigte Arabische Emirate) ausgegraben und mithilfe eines Lumineszenzverfahrens auf ein Alter von etwa 80.000 Jahren datiert. Die Entdeckung liefert neue Hinweise darauf, welche Routen Homo sapiens bei seiner Ausbreitung aus Afrika genutzt hat.
Arabien als Drehkreuz der frühen Menschheit
Die Funde verändern unser Verständnis von der Rolle Arabiens in der frühen Menschheitsgeschichte. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Südarabien eine völlig andere Funktion für die Entwicklung und kulturelle Vielfalt früher Homo sapiens-Populationen in Südwestasien hatte als der Norden der Halbinsel“, erklärt Dr. Bretzke.
Die klimatischen Bedingungen spielten dabei eine entscheidende Rolle. Vor etwa 130.000 Jahren begannen feuchtere Perioden, die sich bis vor rund 80.000 Jahren erstreckten. Während dieser Zeit existierten permanente Flüsse und Seen, wodurch fast alle Regionen Arabiens besiedelt waren. In dieser Phase finden Archäologinnen und Archäologen in weiten Teilen der Halbinsel ähnliche Steinwerkzeuge.
Mit dem Ende dieser feuchten Periode setzte eine Trockenphase ein. Dies führte dazu, dass sich die kulturellen Entwicklungen im Norden und Süden der Halbinsel unterschieden. Die Steinklingen aus Jebel Faya helfen, diesen Wandel besser zu verstehen und die frühen Migrationsbewegungen unserer Vorfahren nachzuvollziehen.
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Zeichnungen der in Jebel Faya gefundenen Steinklingen.
Foto: K. Bretzke/Uni Jena
Migration in mehreren Wellen
Die globale Ausbreitung von Homo sapiens verlief in mehreren Wellen, die spätestens vor 150.000 Jahren begannen. Archäologische Funde und genetische Analysen zeigen, dass Homo sapiens zunächst den Nahen Osten erreichte, das war vor etwa 80.000 Jahren. Der moderne Mensch drang dann nach Südasien vor und gelangte vor etwa 50.000 bis 60.000 Jahren nach Australien. Wie bereits in Afrika folgten die Menschen dabei bevorzugt den Küstenlinien.
Erst später wurden Zentral- und Ostasien, Europa sowie Nord- und Südamerika besiedelt. Moderne Menschen teilten sich ihren Lebensraum dabei noch für einige Zeit mit anderen Vertretern der Gattung Homo, beispielsweise mit den Neandertalern in Europa.
Um jedoch eine präzise zeitliche und geografische Einordnung der Migration zu ermöglichen, sind archäologische Funde wie die Steinklingen aus Jebel Faya unverzichtbar. Eine direkte genetische Analyse der damaligen Bevölkerung ist derzeit nicht möglich, da in Südarabien bislang keine menschlichen Überreste aus der Altsteinzeit gefunden wurden.
Langjährige Forschung in Jebel Faya
Die Fundstelle Jebel Faya wird seit mehr als zwei Jahrzehnten untersucht. Bereits 2003 begann der Archäozoologe Prof. Hans-Peter Uerpmann mit den ersten Grabungen. Die Forschenden arbeiteten sich bis zu fünf Meter tief in den Boden vor und dokumentierten Besiedlungsspuren, die sich über einen Zeitraum von 210.000 bis 10.000 Jahren erstrecken.
Seit 2012 leitet Dr. Knut Bretzke archäologische Projekte in den Vereinigten Arabischen Emiraten und im Oman. Das aktuelle Forschungsteam besteht aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universitäten Jena, Tübingen, Freiburg und Oxford Brookes in Großbritannien. Zudem arbeiten sie eng mit Expertinnen und Experten der lokalen Behörden im Emirat Sharjah zusammen.
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