Affen steuern Rollstuhl nur mit Gedankenkraft
Dass Maschinen „Gedanken lesen“ und so beispielsweise einzelne Gliedmaßen in die gewünschte Bewegung versetzen können, ist nicht ganz neu. Erstaunlich aber sind die Ergebnisse von Neuroforschern in den USA: Sie zeigen, dass auch die Ganzkörperbewegung in einem Raum relativ leicht zu lernen ist.
Ein romantisches Bild ist das nicht, wie die beiden Rhesusaffen in einer Art rollendem Käfig festgeschnallt sind, auf dem Kopf etwas, das wie ein Blumentopf aussieht. In einem kahlen und grell ausgeleuchteten Raum bewegt sich der Prototyp-Rollstuhl, und das einzig Schöne in der ganzen Umgebung ist eine Schale mit Trauben.
Die Früchte sind das Lockmittel für die Affen. An sie wollen die Tiere unbedingt ran. Nur: Sie sind in ihrem Rollstuhl komplett bewegungsunfähig. Die Neurowissenschaftler der Duke University im amerikanischen Durham, die diese düster wirkende Installation hergestellt haben, helfen ihnen aber auf die Sprünge. In mehreren Durchgängen zeigen sie den Affen, wie sich der Rollstuhl in Richtung der Trauben bewegen kann. Und dann dauert es nicht lange, bis die Versuchstiere diese Bewegung selbst auslösen können.
Schneller Lernprozess
Wie aber funktioniert das? Das Geheimnis ist das Brain-Machine-Interface (BMI), also eine Schnittstelle zwischen der Rollstuhlsteuerung und dem Gehirn des Probanden. In bestimmten Hirnarealen, die für Bewegung zuständig sind, haben die Forscher Elektroden angebracht, die Aktivitätsmuster registrieren und an das Fahrgerät weitergeben. Die Affen verstehen diesen Zusammenhang offenbar schnell und steuern den Rollstuhl im Verlauf des Experimentes immer präziser.
Gegenüber früheren, ähnlichen Experimenten hat diese Entwicklung zwei wesentliche Unterschiede: Zum einen sind die Elektroden nicht verkabelt, sondern funktionieren per Funkübertragung. Zum anderen, und das ist der entscheidende Punkt, steuern die Affen über die Gedankenkraft nicht bloß einen Arm oder ein Bein, sondern ihren ganzen Körper beziehungsweise den damit verbundenen Rollstuhl. Hier wird also ein Befehl ausgelöst, für den es im Gehirn bislang gar keine zuständige Stelle, keine „Repräsentanz“ gab, wie Mediziner das nennen.
Große Chance für menschliche Patienten
Genau das ist nach Ansicht von Projektleiter Miguel Nicolelis der große Fortschritt. Der brasilianische Neurowissenschaftler beschäftigt sich seit Jahren mit der direkten Verbindung von Gehirn und Bewegungshilfen und machte vor allem bei der Fußball-WM 2014 auf seine Forschung aufmerksam: Da ließ er im Eröffnungsspiel einen Gelähmten mithilfe eines so genannten Exo-Skeletts den symbolischen Anstoß ausführen.
Was für die Affen im besten Fall ein gewinnbringendes Spiel ist, könnte nach Ansicht der Forschergruppe ein großer Sprung für menschliche Patienten sein. Der Rollstuhl werde für sehr viele Gelähmte das Bewegungsmittel Nummer eins bleiben, schreiben sie in einem Beitrag für „Scientific Reports“. Und deshalb eröffne die Forschung selbst vollständig Gelähmten die Möglichkeit, sich selbstständig im Raum zu bewegen.
Nachteil ist allerdings, dass die Elektroden operativ im Schädel eingepflanzt werden müssen. Außerdem sind nach den vielversprechenden Experimenten weitere Tests notwendig. Die müssen zum Beispiel sicherstellen, dass die Affen nicht doch durch minimale Bewegungen, etwa der Arme, „nachgeholfen“ haben.
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