Ausgerechnet: Europameister werden Frankreich oder Deutschland
Wofür Algorithmen alles gut sind. Zum Beispiel kann man errechnen, wer ziemlich wahrscheinlich die Fußball-EM gewinnt. Statistiker aus Innsbruck sehen ein Kopf-an-Kopf-Rennen von Deutschland und Frankreich. Allerdings: Bei der WM in Brasilien sahen die Österreicher den Gastgeber klar auf 1 und Spanien unter den Top 4. Weit gefehlt.
Wenn Deutschland seine Gruppe gewinnt, Frankreich auch, gleichzeitig England auf dem zweiten Platz und Spanien … Dieses Spiel betreibt der österreichische Statistiker Prof. Achim Zeileis von der Universität Innsbruck mit großer Freude und wissenschaftlicher Akribie.
Doch Zeileis rechnet gemeinsam mit seinen Kollegen Dr. Christoph Leitner und Prof. Kurt Hornik von der Wirtschaftsuniversität Wien nicht einfach so herum. Die Forscher haben sich die Quoten von 19 Online-Wettanbietern angeschaut und daraus Wahrscheinlichkeiten berechnet, wie weit welche Mannschaft kommt.
Prognosen auf Basis der Daten von Wettanbietern
Die Wettanbieter müssen es ja wissen: Liegen ihre Quoten völlig daneben, machen sie hohe Verluste. „Die Buchmacher wollen natürlich Geld verdienen und setzen ihre Quoten deshalb möglichst realistisch fest. Dabei berücksichtigen sie nicht nur historische Daten, sondern auch die Turnierauslosung sowie kurzfristige Ereignisse wie etwa Spielerausfälle“, erklärt Zeileis, warum er die Daten für eine wichtige Quelle hält.
Und wenn man die Prognosen von 19 Wettanbietern aggregiert, könnte man der Wahrheit schon sehr nahe kommen. Buchmacher-Konsensus-Modell nennen die Statistiker ihre Methode. Das Modell erlaubt die Simulation von Wahrscheinlichkeiten bis zum Finale am 10. Juli im Stade de France in Saint-Denis bei Paris.
Die Statistiker spielen das gesamte Turnier hunderttausendfach durch, von der Gruppenphase über Viertel- und Halbfinalpaarungen letztlich bis zum Endspiel. Praktisch alle denkbaren Spielpaarungen werden durchgegangen und mit Wahrscheinlichkeiten auf das Ergebnis belegt.
Komplizierte Berechnung von Gewinnwahrscheinlichkeiten
Und wie funktioniert nun das Rechenmodell aus Österreich? „Über die Wettquoten ergeben sich so grundsätzliche Gewinnwahrscheinlichkeiten für jedes Team“, so Prof. Zeileis. „Darüber können die Statistiker dann erheben, wie wahrscheinlich es ist, dass ein bestimmtes Team auf ein anderes trifft und gewinnt. Kombiniert mit den Buchmachererwartungen können die paarweisen Gewinnchancen in ein Rechenmodell einfließen, mit dessen Hilfe jede mögliche Spielvariante am Computer simuliert werden kann.“
Das klingt schon kompliziert. Noch komplizierter als bei der EM 2012 ist das Ganze bei der EM 2016, weil erstmals 24 statt 16 Mannschaften an einer Europameisterschaft teilnehmen Und das erhöht die Möglichkeiten um ein Vielfaches. Allerdings ändert das größere Teilnehmerfeld nichts an der Zahl der Top-Favoriten.
Frankreich und Deutschland sind die Top-Favoriten der Statistiker
Und die wären? „Die höchsten Chancen auf einen Turniersieg hat demnach Frankreich mit einer Wahrscheinlichkeit von 21,5 Prozent, dicht gefolgt von Deutschland mit 20,1 Prozent“, so Prof. Zeileis. Die beiden Mannschaften sind mit Abstand die Top-Favoriten, die Wahrscheinlichkeiten der anderen großen Fußballnationen sind den Berechnungen zufolge deutlich geringer. „Die Gewinnchancen von Titelverteidiger Spanien liegen als Drittplatziertem schon nur mehr bei 13,7 Prozent“, so der Statistiker. Und England hat wie bei allen großen Turnieren der jüngeren Vergangenheit wenig zu bestellen. Die Wahrscheinlichkeit für den Titel schätzen die Österreicher mit 9,2 Prozent ein, der ewige Geheimfavorit Belgien kommt auf 7,7 Prozent.
Allerdings werden Frankreich und Deutschland den Berechnungen zufolge nicht erst im Finale, sondern schon im Halbfinale aufeinander treffen. „Frankreich und Deutschland gehen aus den Modellen als deutliche Sieger ihrer jeweiligen Gruppen hervor. Dadurch ergibt sich allerdings auch, dass sie mit höherer Wahrscheinlichkeit schon im Halbfinale aufeinandertreffen und nicht erst im Finale“, so Zeileis. „Der Sieger dieses Spiels wird nach unserem Modell dann vermutlich auf Spanien treffen.“
Und wie ernst zu nehmen sind die Berechnungen? Ziemlich gut sind die Statistiker bei der Bestimmung der Mannschaften, die ins Halbfinale kommen. Bei der WM in Brasilien 2014 lagen sie bei drei von vier Teilnehmern richtig. Allerdings daneben lagen Zeileis und seine Kollegen beim Finale. Sie hatten ein Endspiel aus Brasilien und Argentinien erwartet und Brasilien vorher mit einer Wahrscheinlichkeit von 22,5 Prozent zum Weltmeister gekürt.
Österreich wird mit 2,3 Prozent Wahrscheinlichkeit Europameister
Doch Brasilien schied im legendären Halbfinale mit 7:1 gegen Deutschland aus. Im Finale siegte das deutsche Nationalteam dann 1:0 nach Verlängerung gegen Argentinien. Kann passieren „Von einer 100 Prozent sicheren Prognose sind wir weit entfernt“, so Prof. Zeileis. „Es liegt in der Natur von Prognosen, dass sie auch danebenliegen können – sonst wären Fußball-Turniere auch sehr langweilig. Wir liefern Wahrscheinlichkeiten.“
Wir können diesen Artikel natürlich nicht beschließen, ohne nachzufragen, wie sich denn unser Lieblingsgegner Österreich bei der Europameisterschaft schlagen wird. Herr Professor? „Das österreichische Nationalteam wird von den Buchmachern als das insgesamt neuntstärkste Team angesehen und hat mit 34,9 Prozent noch relativ gute Chancen auf das Viertelfinale – die Wahrscheinlichkeit, das gesamte Turnier zu gewinnen, liegt dann allerdings nur mehr bei 2,3 Prozent.“ Alles andere hätte uns aber auch überrascht.
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